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Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1822.

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brokatne Hinterwand desselben sichtbar wird; neben
dem Bette steht ein Sessel mit einem rothsammtnen
Kissen, dieses ist noch ein wenig eingedrückt, denn
Maria stand eben davon auf um zu beten. Auch
der Betstuhl, an welchem sie knieet, ist mit sauberm
Schnitzwerk, den Sündenfall der ersten Eltern dar-
stellend, geschmückt.

Das an dieses erste Seitengemälde zunächst
sich anschließende Mittelbild zeigt uns die hohe Er-
füllung jener geheimnißvollen göttlichen Verkündi-
gung. Unter den edlen Ruinen eines Tempels,
welche, jezt zum Stall herabgewürdigt, ein leichtes
Strohdach gegen die Witterung schützt, sitzt die
jungfräuliche Mutter in ihren dunkelblauen weit
und schön gefalteten Mantel gehüllt. Der mädchen-
hafte Reiz der Jugend ging in hohe Würde, in
ernstere Schönheit über, der neugeborne Heiland
ruht ganz in Kindesgestalt in ihrem Schooße. Zu
seinen Füßen versammeln sich die anbetenden Weisen
des Morgenlandes, in reichen königlichen Pracht-
gewändern und aller Herrlichkeit des Orients. Der
älteste der Könige, welcher knieend das Händchen


brokatne Hinterwand deſſelben ſichtbar wird; neben
dem Bette ſteht ein Seſſel mit einem rothſammtnen
Kiſſen, dieſes iſt noch ein wenig eingedrückt, denn
Maria ſtand eben davon auf um zu beten. Auch
der Betſtuhl, an welchem ſie knieet, iſt mit ſauberm
Schnitzwerk, den Sündenfall der erſten Eltern dar-
ſtellend, geſchmückt.

Das an dieſes erſte Seitengemälde zunächſt
ſich anſchließende Mittelbild zeigt uns die hohe Er-
füllung jener geheimnißvollen göttlichen Verkündi-
gung. Unter den edlen Ruinen eines Tempels,
welche, jezt zum Stall herabgewürdigt, ein leichtes
Strohdach gegen die Witterung ſchützt, ſitzt die
jungfräuliche Mutter in ihren dunkelblauen weit
und ſchön gefalteten Mantel gehüllt. Der mädchen-
hafte Reiz der Jugend ging in hohe Würde, in
ernſtere Schönheit über, der neugeborne Heiland
ruht ganz in Kindesgeſtalt in ihrem Schooße. Zu
ſeinen Füßen verſammeln ſich die anbetenden Weiſen
des Morgenlandes, in reichen königlichen Pracht-
gewändern und aller Herrlichkeit des Orients. Der
älteſte der Könige, welcher knieend das Händchen

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[36/0048] brokatne Hinterwand deſſelben ſichtbar wird; neben dem Bette ſteht ein Seſſel mit einem rothſammtnen Kiſſen, dieſes iſt noch ein wenig eingedrückt, denn Maria ſtand eben davon auf um zu beten. Auch der Betſtuhl, an welchem ſie knieet, iſt mit ſauberm Schnitzwerk, den Sündenfall der erſten Eltern dar- ſtellend, geſchmückt. Das an dieſes erſte Seitengemälde zunächſt ſich anſchließende Mittelbild zeigt uns die hohe Er- füllung jener geheimnißvollen göttlichen Verkündi- gung. Unter den edlen Ruinen eines Tempels, welche, jezt zum Stall herabgewürdigt, ein leichtes Strohdach gegen die Witterung ſchützt, ſitzt die jungfräuliche Mutter in ihren dunkelblauen weit und ſchön gefalteten Mantel gehüllt. Der mädchen- hafte Reiz der Jugend ging in hohe Würde, in ernſtere Schönheit über, der neugeborne Heiland ruht ganz in Kindesgeſtalt in ihrem Schooße. Zu ſeinen Füßen verſammeln ſich die anbetenden Weiſen des Morgenlandes, in reichen königlichen Pracht- gewändern und aller Herrlichkeit des Orients. Der älteſte der Könige, welcher knieend das Händchen

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Zitationshilfe: Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1822, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck01_1822/48>, abgerufen am 16.04.2024.