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Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1822.

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gemäß, die Schatten sind klar und verschmolzen;
die Ausführung gleicht in allen Einzelheiten der
feinsten Miniatur, und nirgend zeigt sich eine Spur
ängstlicher Kleinlichkeit oder manirirten Wesens.

Dieses Urtheil gilt nicht nur von diesen, son-
dern von allen Werken Hemlings, nur die Jünger
von Emaus, in dieser Reihefolge von Gemälden,
machen hierin eine Ausnahme. Diese sind schwach,
und tragen keine Spur seiner gewohnten Meister-
schaft. Wahrscheinlich wurden sie von Hemling nur
angelegt, und er mußte vielleicht bei seiner schnellen
Abreise von Löwen nach Spanien das Bild unvollen-
det lassen, welches dann einem andern Künstler zur
Vollendung übergeben ward.

Freilich läßt es sich nicht mit Gewißheit behaup-
ten, daß Hemling in einem schon ziemlich hohen
Alter nach Spanien gereiset sey, und dort das Ende
seiner Tage gefunden habe, doch sind viele Gründe
vorhanden, die es als höchst wahrscheinlich ansehen
lassen, und ich kenne keinen einzigen, der diese
Wahrscheinlichkeit widerlegte. Den bedeutendsten
Beweis für Hemlings Aufenthalt in Spanien gewährt


gemäß, die Schatten ſind klar und verſchmolzen;
die Ausführung gleicht in allen Einzelheiten der
feinſten Miniatur, und nirgend zeigt ſich eine Spur
ängſtlicher Kleinlichkeit oder manirirten Weſens.

Dieſes Urtheil gilt nicht nur von dieſen, ſon-
dern von allen Werken Hemlings, nur die Jünger
von Emaus, in dieſer Reihefolge von Gemälden,
machen hierin eine Ausnahme. Dieſe ſind ſchwach,
und tragen keine Spur ſeiner gewohnten Meiſter-
ſchaft. Wahrſcheinlich wurden ſie von Hemling nur
angelegt, und er mußte vielleicht bei ſeiner ſchnellen
Abreiſe von Löwen nach Spanien das Bild unvollen-
det laſſen, welches dann einem andern Künſtler zur
Vollendung übergeben ward.

Freilich läßt es ſich nicht mit Gewißheit behaup-
ten, daß Hemling in einem ſchon ziemlich hohen
Alter nach Spanien gereiſet ſey, und dort das Ende
ſeiner Tage gefunden habe, doch ſind viele Gründe
vorhanden, die es als höchſt wahrſcheinlich anſehen
laſſen, und ich kenne keinen einzigen, der dieſe
Wahrſcheinlichkeit widerlegte. Den bedeutendſten
Beweis für Hemlings Aufenthalt in Spanien gewährt

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[171/0183] gemäß, die Schatten ſind klar und verſchmolzen; die Ausführung gleicht in allen Einzelheiten der feinſten Miniatur, und nirgend zeigt ſich eine Spur ängſtlicher Kleinlichkeit oder manirirten Weſens. Dieſes Urtheil gilt nicht nur von dieſen, ſon- dern von allen Werken Hemlings, nur die Jünger von Emaus, in dieſer Reihefolge von Gemälden, machen hierin eine Ausnahme. Dieſe ſind ſchwach, und tragen keine Spur ſeiner gewohnten Meiſter- ſchaft. Wahrſcheinlich wurden ſie von Hemling nur angelegt, und er mußte vielleicht bei ſeiner ſchnellen Abreiſe von Löwen nach Spanien das Bild unvollen- det laſſen, welches dann einem andern Künſtler zur Vollendung übergeben ward. Freilich läßt es ſich nicht mit Gewißheit behaup- ten, daß Hemling in einem ſchon ziemlich hohen Alter nach Spanien gereiſet ſey, und dort das Ende ſeiner Tage gefunden habe, doch ſind viele Gründe vorhanden, die es als höchſt wahrſcheinlich anſehen laſſen, und ich kenne keinen einzigen, der dieſe Wahrſcheinlichkeit widerlegte. Den bedeutendſten Beweis für Hemlings Aufenthalt in Spanien gewährt

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Zitationshilfe: Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1822, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck01_1822/183>, abgerufen am 23.04.2024.