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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

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schrieben es so gleich, nebst ihm, meine Commilito-
nes,
wie auch noch andere dabey sitzende, in ihre
Schreib-Tafeln, weßwegen unsere Widersacher
aus Bosheit mit den Zähnen knirscheten, da sie aber
selbiges Orts keinen kräfftigen Beystand wußten,
liessen sich die Buben, ihre Rachgier auf frischer
Farth auszuüben, vor diesesmahl vergehen, und
schlichen gantz stillschweigend davon.

Unser Rector hatte folgendes Tages diesen
Streich nicht so bald vernommen, als er mich nebst
den andern Gymnasiasten, die mit auf der Hochzeit
musiciret hatten, zu sich rufen ließ. Nach seinem
Befragen, geschahe von uns allen ein offenhertziges
Bekänntniß dessen, was vorgegangen war. Er schrieb
mein Distichon in sein Diarium, schüttelte hernach-
mahls den Kopf und sagte: Mein Sohn! euer gu-
tes Ingenium ist so wenig zu tadeln als das herrliche
Naturell zur Poesie; allein gebraucht dasselbe künff-
tig hin mit größter Vorsicht, zumahl an solchen Or-
ten, wo gewisser massen Ecclesia pressa ist. Die
Herren Jesuiten sind so wohl, als ihre Schüler sehr
rachgierige Leute, solchergestalt köntet ihr gar leicht
euch, und uns allen, grossen Verdruß und Unglück
über den Hals ziehen. Wer weiß, was sie dieser
Affaire wegen zusammen schmieden werden, in-
dessen ist mein getreuer Rath: daß ihr euch auf der
Strasse, und sonderlich bey Abends-Zeit, sehr wohl
in acht nehmet, um ihren Schülern nicht in die
Krallen zu gerathen.

Mein Principal nebst andern Patronen und guten
Freunden, gab mir eben dergleichen guten Rath und
Warnung zu vernehmen, immittelst ward mein Di-

stichon

ſchrieben es ſo gleich, nebſt ihm, meine Commilito-
nes,
wie auch noch andere dabey ſitzende, in ihre
Schreib-Tafeln, weßwegen unſere Widerſacher
aus Bosheit mit den Zaͤhnen knirſcheten, da ſie aber
ſelbiges Orts keinen kraͤfftigen Beyſtand wußten,
lieſſen ſich die Buben, ihre Rachgier auf friſcher
Farth auszuuͤben, vor dieſesmahl vergehen, und
ſchlichen gantz ſtillſchweigend davon.

Unſer Rector hatte folgendes Tages dieſen
Streich nicht ſo bald vernommen, als er mich nebſt
den andern Gymnaſiaſten, die mit auf der Hochzeit
muſiciret hatten, zu ſich rufen ließ. Nach ſeinem
Befragen, geſchahe von uns allen ein offenhertziges
Bekaͤñtniß deſſen, was vorgegangen war. Er ſchrieb
mein Diſtichon in ſein Diarium, ſchuͤttelte hernach-
mahls den Kopf und ſagte: Mein Sohn! euer gu-
tes Ingenium iſt ſo wenig zu tadeln als das herrliche
Naturell zur Poëſie; allein gebraucht daſſelbe kuͤnff-
tig hin mit groͤßter Vorſicht, zumahl an ſolchen Or-
ten, wo gewiſſer maſſen Eccleſia preſſa iſt. Die
Herren Jeſuiten ſind ſo wohl, als ihre Schuͤler ſehr
rachgierige Leute, ſolchergeſtalt koͤntet ihr gar leicht
euch, und uns allen, groſſen Verdruß und Ungluͤck
uͤber den Hals ziehen. Wer weiß, was ſie dieſer
Affaire wegen zuſammen ſchmieden werden, in-
deſſen iſt mein getreuer Rath: daß ihr euch auf der
Straſſe, und ſonderlich bey Abends-Zeit, ſehr wohl
in acht nehmet, um ihren Schuͤlern nicht in die
Krallen zu gerathen.

Mein Principal nebſt andern Patronen und guten
Freunden, gab mir eben dergleichen guten Rath und
Warnung zu vernehmen, immittelſt ward mein Di-

ſtichon
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[15/0029] ſchrieben es ſo gleich, nebſt ihm, meine Commilito- nes, wie auch noch andere dabey ſitzende, in ihre Schreib-Tafeln, weßwegen unſere Widerſacher aus Bosheit mit den Zaͤhnen knirſcheten, da ſie aber ſelbiges Orts keinen kraͤfftigen Beyſtand wußten, lieſſen ſich die Buben, ihre Rachgier auf friſcher Farth auszuuͤben, vor dieſesmahl vergehen, und ſchlichen gantz ſtillſchweigend davon. Unſer Rector hatte folgendes Tages dieſen Streich nicht ſo bald vernommen, als er mich nebſt den andern Gymnaſiaſten, die mit auf der Hochzeit muſiciret hatten, zu ſich rufen ließ. Nach ſeinem Befragen, geſchahe von uns allen ein offenhertziges Bekaͤñtniß deſſen, was vorgegangen war. Er ſchrieb mein Diſtichon in ſein Diarium, ſchuͤttelte hernach- mahls den Kopf und ſagte: Mein Sohn! euer gu- tes Ingenium iſt ſo wenig zu tadeln als das herrliche Naturell zur Poëſie; allein gebraucht daſſelbe kuͤnff- tig hin mit groͤßter Vorſicht, zumahl an ſolchen Or- ten, wo gewiſſer maſſen Eccleſia preſſa iſt. Die Herren Jeſuiten ſind ſo wohl, als ihre Schuͤler ſehr rachgierige Leute, ſolchergeſtalt koͤntet ihr gar leicht euch, und uns allen, groſſen Verdruß und Ungluͤck uͤber den Hals ziehen. Wer weiß, was ſie dieſer Affaire wegen zuſammen ſchmieden werden, in- deſſen iſt mein getreuer Rath: daß ihr euch auf der Straſſe, und ſonderlich bey Abends-Zeit, ſehr wohl in acht nehmet, um ihren Schuͤlern nicht in die Krallen zu gerathen. Mein Principal nebſt andern Patronen und guten Freunden, gab mir eben dergleichen guten Rath und Warnung zu vernehmen, immittelſt ward mein Di- ſtichon

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/29>, abgerufen am 19.04.2024.