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Schmoller, Gustav: Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Bd. 1. Leipzig, 1900.

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Zweites Buch. Die gesellschaftliche Verfassung der Volkswirtschaft.
Landwirtschaft und der Zwischenhandel blieben nicht zurück und organisierten sich in
ähnlicher Weise. Wo schwache Ministerien bestanden, die sich vor diesen Organisationen
fürchteten, da traten sie um so kräftiger auf. Auch die amtlichen Interessenvertretungen,
die man schuf, Handels-, Landwirtschafts-, Handwerkerkammern verstärkten die Bewegung.
In Deutschland hat man zum Zweck der Unfallversicherung alle großen gewerblichen
Unternehmer in Berufsgenossenschaften mit Unterverbänden gegliedert.

Wo die Arbeiter sich in Gewerkschaften verbunden hatten, war die notwendige
Folge, daß die Unternehmer zu Gegenverbänden zusammentraten. Kurz, auf allen
Gebieten hatte sich langsam und schüchtern von 1840--75, immer stärker seit 1875 eine
neue Vereins- und Verbandsorganisation der Unternehmer und der Geschäfte hergestellt.
Sie verfolgten vielfach die legitimsten Zwecke, zeigten sich nützlich und förderlich für die
Interessen der Mitglieder. Von der Preis-, Absatz- und Konkurrenzregulierung hatten
sie sich meist noch zurückgehalten, teils weil die Gesetzgebung dagegen war, teils weil
es dem Geiste der Zeit widersprach, ein sehr dringliches praktisches Bedürfnis noch
nicht vorlag.

Das wurde nach der großen Aufschwungsperiode von 1850--73 und der ihr
folgenden jahrelangen Stockung anders. Die Märkte schienen allerwärts verteilt und
überführt, ein neuer Aufschwung wollte lange nicht kommen; der übermäßige Konkurrenz-
druck hielt jahrelang an. Warum sollte man nicht versuchen, statt allgemein über
Fachinteressen zu debattieren, den entscheidenden Punkt gemeinsam anzufassen: die Absatz-
und Konkurrenzregulierung, die gemeinsame Preisfestsetzung, die Sorge für auskömmlichen
Gewinn, für genügende Verzinsung des Kapitals, für gleichmäßige Beschäftigung der
Arbeiter. Man wußte nichts davon, daß Derartiges früher oft in großem Maßstabe
geschehen war. Man hatte ein dunkeles Gefühl, daß man mit solchem Beginnen, Mono-
pole schaffend, ein Unrecht thue; man hüllte sich möglichst in den Schleier des Geheim-
nisses. Aber die Not drängte. Man handelte.

So sind hauptsächlich von 1875 an die Kartelle, Konventionen, Ringe, Trusts
entstanden und haben sich allmählich eine festere Verfassung gegeben. Die vorstehend
geschilderten fachlichen Vereinigungen haben sie in der Regel nicht direkt gebildet, wohl
aber sie vorbereitet; auch die leitenden Bankkreise, die ihre finanzielle Seite geordnet,
oft sie ins Leben gerufen haben, sind nicht mit ihnen identisch. Wir verstehen unter
den heutigen Kartellen die durch besondere, auf bestimmte Zeit geschlossene Verträge
zwischen einer größeren Zahl von gleichartigen Unternehmungen hergestellten Ver-
bände; sie haben den Zweck, durch Vereinbarung über Angebot, Preise und Verkaufs-
bedingungen die Größe der Produktion, den Markt und den Gewinn zu beherrschen.
Wir rechnen die verwandten Gebilde, z. B. die Spekulantenringe, welche während kurzer
Zeit durch Aufkauf und Zurückhaltung einer Ware den Preis bestimmen wollen, die
Syndikate von Banken zu Gründungen und Anlehensunterbringung nicht dazu. Die
Kartelle wollen dauernd die Warenproduktion beherrschen und unter eine gewisse ein-
heitliche Kontrolle bringen; sie stellen dauernde organische Einrichtungen der Volks-
wirtschaft dar. Sie unterschieden sich von älteren analogen Anläufen, z. B. den Zünften,
den organisierten Verlegern, den regulierten Compagnien dadurch, daß es sich heute
nicht um Kaufleute und Kleinmeister, sondern um Großbetriebe mit Maschinenanwendung,
meist um Aktiengesellschaften mit sehr großen Kapitalien und um sehr viel größere Märkte,
um die Märkte ganzer Großstaaten oder Weltteile handelt.

Die Kartellbildung beginnt mit teilweise harmlosen Verabredungen über Lieferungs-
bedingungen und endigt zuletzt da und dort mit vollständiger Fusion, mit der Entstehung
von Riesenaktiengesellschaften, welche einige Dutzend bisher selbständiger Geschäfte in sich
vereinigen. Dazwischen liegen die verschiedensten Phasen des Kartells mit wachsender Bin-
dung und Centralisierung der Leitung. Da es sich zunächst um verschiedene Interessenkreise,
um eine Reihe selbständiger Personen, um große und kleine, gut und schlecht eingerichtete
Werke handelt, da der Vorteil für die einzelnen sehr verschieden ist, die ganz großen
Geschäfte die Stütze des Kartells häufig nicht nötig haben, da mit dem Bruch der
Verabredungen für einzelne Geschäfte oft große Gewinne sich ergeben, so ist klar, wie

Zweites Buch. Die geſellſchaftliche Verfaſſung der Volkswirtſchaft.
Landwirtſchaft und der Zwiſchenhandel blieben nicht zurück und organiſierten ſich in
ähnlicher Weiſe. Wo ſchwache Miniſterien beſtanden, die ſich vor dieſen Organiſationen
fürchteten, da traten ſie um ſo kräftiger auf. Auch die amtlichen Intereſſenvertretungen,
die man ſchuf, Handels-, Landwirtſchafts-, Handwerkerkammern verſtärkten die Bewegung.
In Deutſchland hat man zum Zweck der Unfallverſicherung alle großen gewerblichen
Unternehmer in Berufsgenoſſenſchaften mit Unterverbänden gegliedert.

Wo die Arbeiter ſich in Gewerkſchaften verbunden hatten, war die notwendige
Folge, daß die Unternehmer zu Gegenverbänden zuſammentraten. Kurz, auf allen
Gebieten hatte ſich langſam und ſchüchtern von 1840—75, immer ſtärker ſeit 1875 eine
neue Vereins- und Verbandsorganiſation der Unternehmer und der Geſchäfte hergeſtellt.
Sie verfolgten vielfach die legitimſten Zwecke, zeigten ſich nützlich und förderlich für die
Intereſſen der Mitglieder. Von der Preis-, Abſatz- und Konkurrenzregulierung hatten
ſie ſich meiſt noch zurückgehalten, teils weil die Geſetzgebung dagegen war, teils weil
es dem Geiſte der Zeit widerſprach, ein ſehr dringliches praktiſches Bedürfnis noch
nicht vorlag.

Das wurde nach der großen Aufſchwungsperiode von 1850—73 und der ihr
folgenden jahrelangen Stockung anders. Die Märkte ſchienen allerwärts verteilt und
überführt, ein neuer Aufſchwung wollte lange nicht kommen; der übermäßige Konkurrenz-
druck hielt jahrelang an. Warum ſollte man nicht verſuchen, ſtatt allgemein über
Fachintereſſen zu debattieren, den entſcheidenden Punkt gemeinſam anzufaſſen: die Abſatz-
und Konkurrenzregulierung, die gemeinſame Preisfeſtſetzung, die Sorge für auskömmlichen
Gewinn, für genügende Verzinſung des Kapitals, für gleichmäßige Beſchäftigung der
Arbeiter. Man wußte nichts davon, daß Derartiges früher oft in großem Maßſtabe
geſchehen war. Man hatte ein dunkeles Gefühl, daß man mit ſolchem Beginnen, Mono-
pole ſchaffend, ein Unrecht thue; man hüllte ſich möglichſt in den Schleier des Geheim-
niſſes. Aber die Not drängte. Man handelte.

So ſind hauptſächlich von 1875 an die Kartelle, Konventionen, Ringe, Truſts
entſtanden und haben ſich allmählich eine feſtere Verfaſſung gegeben. Die vorſtehend
geſchilderten fachlichen Vereinigungen haben ſie in der Regel nicht direkt gebildet, wohl
aber ſie vorbereitet; auch die leitenden Bankkreiſe, die ihre finanzielle Seite geordnet,
oft ſie ins Leben gerufen haben, ſind nicht mit ihnen identiſch. Wir verſtehen unter
den heutigen Kartellen die durch beſondere, auf beſtimmte Zeit geſchloſſene Verträge
zwiſchen einer größeren Zahl von gleichartigen Unternehmungen hergeſtellten Ver-
bände; ſie haben den Zweck, durch Vereinbarung über Angebot, Preiſe und Verkaufs-
bedingungen die Größe der Produktion, den Markt und den Gewinn zu beherrſchen.
Wir rechnen die verwandten Gebilde, z. B. die Spekulantenringe, welche während kurzer
Zeit durch Aufkauf und Zurückhaltung einer Ware den Preis beſtimmen wollen, die
Syndikate von Banken zu Gründungen und Anlehensunterbringung nicht dazu. Die
Kartelle wollen dauernd die Warenproduktion beherrſchen und unter eine gewiſſe ein-
heitliche Kontrolle bringen; ſie ſtellen dauernde organiſche Einrichtungen der Volks-
wirtſchaft dar. Sie unterſchieden ſich von älteren analogen Anläufen, z. B. den Zünften,
den organiſierten Verlegern, den regulierten Compagnien dadurch, daß es ſich heute
nicht um Kaufleute und Kleinmeiſter, ſondern um Großbetriebe mit Maſchinenanwendung,
meiſt um Aktiengeſellſchaften mit ſehr großen Kapitalien und um ſehr viel größere Märkte,
um die Märkte ganzer Großſtaaten oder Weltteile handelt.

Die Kartellbildung beginnt mit teilweiſe harmloſen Verabredungen über Lieferungs-
bedingungen und endigt zuletzt da und dort mit vollſtändiger Fuſion, mit der Entſtehung
von Rieſenaktiengeſellſchaften, welche einige Dutzend bisher ſelbſtändiger Geſchäfte in ſich
vereinigen. Dazwiſchen liegen die verſchiedenſten Phaſen des Kartells mit wachſender Bin-
dung und Centraliſierung der Leitung. Da es ſich zunächſt um verſchiedene Intereſſenkreiſe,
um eine Reihe ſelbſtändiger Perſonen, um große und kleine, gut und ſchlecht eingerichtete
Werke handelt, da der Vorteil für die einzelnen ſehr verſchieden iſt, die ganz großen
Geſchäfte die Stütze des Kartells häufig nicht nötig haben, da mit dem Bruch der
Verabredungen für einzelne Geſchäfte oft große Gewinne ſich ergeben, ſo iſt klar, wie

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[450/0466] Zweites Buch. Die geſellſchaftliche Verfaſſung der Volkswirtſchaft. Landwirtſchaft und der Zwiſchenhandel blieben nicht zurück und organiſierten ſich in ähnlicher Weiſe. Wo ſchwache Miniſterien beſtanden, die ſich vor dieſen Organiſationen fürchteten, da traten ſie um ſo kräftiger auf. Auch die amtlichen Intereſſenvertretungen, die man ſchuf, Handels-, Landwirtſchafts-, Handwerkerkammern verſtärkten die Bewegung. In Deutſchland hat man zum Zweck der Unfallverſicherung alle großen gewerblichen Unternehmer in Berufsgenoſſenſchaften mit Unterverbänden gegliedert. Wo die Arbeiter ſich in Gewerkſchaften verbunden hatten, war die notwendige Folge, daß die Unternehmer zu Gegenverbänden zuſammentraten. Kurz, auf allen Gebieten hatte ſich langſam und ſchüchtern von 1840—75, immer ſtärker ſeit 1875 eine neue Vereins- und Verbandsorganiſation der Unternehmer und der Geſchäfte hergeſtellt. Sie verfolgten vielfach die legitimſten Zwecke, zeigten ſich nützlich und förderlich für die Intereſſen der Mitglieder. Von der Preis-, Abſatz- und Konkurrenzregulierung hatten ſie ſich meiſt noch zurückgehalten, teils weil die Geſetzgebung dagegen war, teils weil es dem Geiſte der Zeit widerſprach, ein ſehr dringliches praktiſches Bedürfnis noch nicht vorlag. Das wurde nach der großen Aufſchwungsperiode von 1850—73 und der ihr folgenden jahrelangen Stockung anders. Die Märkte ſchienen allerwärts verteilt und überführt, ein neuer Aufſchwung wollte lange nicht kommen; der übermäßige Konkurrenz- druck hielt jahrelang an. Warum ſollte man nicht verſuchen, ſtatt allgemein über Fachintereſſen zu debattieren, den entſcheidenden Punkt gemeinſam anzufaſſen: die Abſatz- und Konkurrenzregulierung, die gemeinſame Preisfeſtſetzung, die Sorge für auskömmlichen Gewinn, für genügende Verzinſung des Kapitals, für gleichmäßige Beſchäftigung der Arbeiter. Man wußte nichts davon, daß Derartiges früher oft in großem Maßſtabe geſchehen war. Man hatte ein dunkeles Gefühl, daß man mit ſolchem Beginnen, Mono- pole ſchaffend, ein Unrecht thue; man hüllte ſich möglichſt in den Schleier des Geheim- niſſes. Aber die Not drängte. Man handelte. So ſind hauptſächlich von 1875 an die Kartelle, Konventionen, Ringe, Truſts entſtanden und haben ſich allmählich eine feſtere Verfaſſung gegeben. Die vorſtehend geſchilderten fachlichen Vereinigungen haben ſie in der Regel nicht direkt gebildet, wohl aber ſie vorbereitet; auch die leitenden Bankkreiſe, die ihre finanzielle Seite geordnet, oft ſie ins Leben gerufen haben, ſind nicht mit ihnen identiſch. Wir verſtehen unter den heutigen Kartellen die durch beſondere, auf beſtimmte Zeit geſchloſſene Verträge zwiſchen einer größeren Zahl von gleichartigen Unternehmungen hergeſtellten Ver- bände; ſie haben den Zweck, durch Vereinbarung über Angebot, Preiſe und Verkaufs- bedingungen die Größe der Produktion, den Markt und den Gewinn zu beherrſchen. Wir rechnen die verwandten Gebilde, z. B. die Spekulantenringe, welche während kurzer Zeit durch Aufkauf und Zurückhaltung einer Ware den Preis beſtimmen wollen, die Syndikate von Banken zu Gründungen und Anlehensunterbringung nicht dazu. Die Kartelle wollen dauernd die Warenproduktion beherrſchen und unter eine gewiſſe ein- heitliche Kontrolle bringen; ſie ſtellen dauernde organiſche Einrichtungen der Volks- wirtſchaft dar. Sie unterſchieden ſich von älteren analogen Anläufen, z. B. den Zünften, den organiſierten Verlegern, den regulierten Compagnien dadurch, daß es ſich heute nicht um Kaufleute und Kleinmeiſter, ſondern um Großbetriebe mit Maſchinenanwendung, meiſt um Aktiengeſellſchaften mit ſehr großen Kapitalien und um ſehr viel größere Märkte, um die Märkte ganzer Großſtaaten oder Weltteile handelt. Die Kartellbildung beginnt mit teilweiſe harmloſen Verabredungen über Lieferungs- bedingungen und endigt zuletzt da und dort mit vollſtändiger Fuſion, mit der Entſtehung von Rieſenaktiengeſellſchaften, welche einige Dutzend bisher ſelbſtändiger Geſchäfte in ſich vereinigen. Dazwiſchen liegen die verſchiedenſten Phaſen des Kartells mit wachſender Bin- dung und Centraliſierung der Leitung. Da es ſich zunächſt um verſchiedene Intereſſenkreiſe, um eine Reihe ſelbſtändiger Perſonen, um große und kleine, gut und ſchlecht eingerichtete Werke handelt, da der Vorteil für die einzelnen ſehr verſchieden iſt, die ganz großen Geſchäfte die Stütze des Kartells häufig nicht nötig haben, da mit dem Bruch der Verabredungen für einzelne Geſchäfte oft große Gewinne ſich ergeben, ſo iſt klar, wie

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Bd. 1. Leipzig, 1900, S. 450. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_grundriss01_1900/466>, abgerufen am 29.03.2024.