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Schmoller, Gustav: Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Bd. 1. Leipzig, 1900.

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Würdigung der Genossenschaften. Ältere kartellartige Bildungen.
sympathischen Gefühlen, auch je nach Zeit- und Geschäftslage einerseits mit einander
konkurriert, andererseits Anläufe gemacht, sich zu verabreden und zu verbinden, um die
Konkurrenz zu ermäßigen, sich gute Preise zu sichern, fremde Konkurrenz, wenn es ging,
fern zu halten. Schon der älteste Karawanenhandel zeigt solche Züge. In Ostasien wird die
unzweifelhafte partielle Überlegenheit des Chinesen über den Europäer darauf zurückgeführt,
daß ersterer fast stets, letzterer selten in geschlossenen Organisationen auf dem Markte
auftritt. Der ältere Handel zur See in gemeinsamen Flotten führte fast stets zu einem
gemeinsamen gildenartigen Auftreten; wo Händler im Auslande Stationen und Nieder-
lagen erwarben, wie die Italiener des Mittelalters im Orient, die Hansen im Norden
Europas, da haben sie Verabredungen getroffen, den Markt nicht zu überführen. Die
mehr erwähnten regulierten Compagnien, welche vom 14.--17. Jahrhundert thätig waren,
wie die englische Staplergesellschaft, die wagenden Kaufleute und viele andere, waren
Gesellschaften von Händlern und Reedern, deren jeder für sich Geschäfte machte, die
aber mit ihren Vorständen, Abgaben, Aufnahmeerschwerungen wesentlich eine Konkurrenz-
regulierung erstrebten, oft sogar die Gewinne der einzelnen Geschäfte ausglichen,
Gefahren auf die gemeinsame Kasse übernahmen; sie waren etwas ganz Ähnliches wie
heute die Kartelle; sie haben teilweise, wie die holländische und englische ostindische
Compagnie, zuletzt ihre Kapitalien zusammengelegt, sich fusioniert wie die heutigen hoch-
ausgebildeten Kartelle.

Daß auch die Zünfte eine örtliche Konkurrenzregulierung, Preishaltung, Be-
schränkung des Angebotes erstrebten, haben wir gesehen, ebenso daß die Salinen eine
solche Verfassung hatten; jahrhundertelang hat der Salzgraf in Halle a./S. jeden
Sonnabend die Pfänner versammelt, um zu beschließen, welches Quantum Salz jeder
die folgende Woche sieden dürfe. Auch die ähnlichen Bestrebungen der organisierten
Verleger der Hausindustrie haben wir kennen gelernt. An die Monopole, Preis-
erhöhungen, engherzigen Ausschließungstendenzen aller dieser älteren Bildungen dachte
A. Smith, als er wehklagend von den Verschwörungen der Unternehmer gegen das
Publikum sprach, an sie dachte die ganze individualistische Aufklärung, als sie Beseitigung
aller dieser Verbände und Korporationen forderte und durchsetzte. Ihre früheren guten Seiten
kannte man nicht mehr. Man sah von 1750--1870 nur, daß sie, aus älteren technischen,
socialen und Verkehrsverhältnissen stammend, die aufstrebenden Talente abhielten, neue
größere und technisch vollkommenere Unternehmungen zu schaffen. Freie Bewegung und freie
Konkurrenz war damals vor allem nötig. Und was im Moment richtig war, hielt man
für die ewig richtige Rechtsbasis und Verfassung der Volkswirtschaft. Sah man doch, daß
die neuen am besten geleiteten Unternehmungen, Handels- und Kreditgeschäfte in leben-
digem inneren und äußeren Konkurrenzkampf emporkamen. Ihn zu fördern, jede Ver-
bindung von Händlern und Produzenten zu erschweren oder zu verbieten, schien von
1789--1870 der volkswirtschaftlichen Weisheit letzter Schluß; hatte doch schon das
römische Recht und seither oftmals die Gesetzgebung alle Preisverabredungen zu ver-
bieten gesucht.

Man erreichte mit dieser Gesetzgebung, was zunächst den Verhältnissen entsprach,
eine Belebung der Konkurrenz, des Unternehmungsgeistes, aber nicht ein vollständiges
Verschwinden aller gemeinsamer Marktverabredungen. Hatten sich doch die alten Innungen
nur da aufgelöst, wo man sie verboten oder ihr Vermögen den Mitgliedern zur
Plünderung überwiesen hatte. In Frankreich ließ man die Bäcker- und Fleischer-
innungen bald wieder als kartellartige Institute der Konkurrenzregulierung zu. Die
französischen Syndikate der Unternehmer wuchsen 1840--84 schon in großer Zahl, seit
ihrer gesetzlichen Zulassung 1884 zu Hunderten. In Deutschland setzte seit 1879 eine
neue Innungsbewegung ein, die in provinziellen und staatlichen Innungsverbänden
gipfelte, und ihr parallel entwickelten sich die Verbände der einzelnen Großindustrien,
welche ebenfalls in provinziellen und centralen Gesamtorganisationen sich zusammenfaßten:
Generalsekretäre, große Büreaus, Fachzeitschriften, Beeinflussung der Presse, der Handels-
kammern, der Parlamente, der Regierungen, große öffentliche Tagungen, das waren die
Mittel, mit denen man für die wirtschaftlichen Sonderinteressen der Gruppe wirkte. Die

Schmoller, Grundriß der Volkswirtschaftslehre. I. 29

Würdigung der Genoſſenſchaften. Ältere kartellartige Bildungen.
ſympathiſchen Gefühlen, auch je nach Zeit- und Geſchäftslage einerſeits mit einander
konkurriert, andererſeits Anläufe gemacht, ſich zu verabreden und zu verbinden, um die
Konkurrenz zu ermäßigen, ſich gute Preiſe zu ſichern, fremde Konkurrenz, wenn es ging,
fern zu halten. Schon der älteſte Karawanenhandel zeigt ſolche Züge. In Oſtaſien wird die
unzweifelhafte partielle Überlegenheit des Chineſen über den Europäer darauf zurückgeführt,
daß erſterer faſt ſtets, letzterer ſelten in geſchloſſenen Organiſationen auf dem Markte
auftritt. Der ältere Handel zur See in gemeinſamen Flotten führte faſt ſtets zu einem
gemeinſamen gildenartigen Auftreten; wo Händler im Auslande Stationen und Nieder-
lagen erwarben, wie die Italiener des Mittelalters im Orient, die Hanſen im Norden
Europas, da haben ſie Verabredungen getroffen, den Markt nicht zu überführen. Die
mehr erwähnten regulierten Compagnien, welche vom 14.—17. Jahrhundert thätig waren,
wie die engliſche Staplergeſellſchaft, die wagenden Kaufleute und viele andere, waren
Geſellſchaften von Händlern und Reedern, deren jeder für ſich Geſchäfte machte, die
aber mit ihren Vorſtänden, Abgaben, Aufnahmeerſchwerungen weſentlich eine Konkurrenz-
regulierung erſtrebten, oft ſogar die Gewinne der einzelnen Geſchäfte ausglichen,
Gefahren auf die gemeinſame Kaſſe übernahmen; ſie waren etwas ganz Ähnliches wie
heute die Kartelle; ſie haben teilweiſe, wie die holländiſche und engliſche oſtindiſche
Compagnie, zuletzt ihre Kapitalien zuſammengelegt, ſich fuſioniert wie die heutigen hoch-
ausgebildeten Kartelle.

Daß auch die Zünfte eine örtliche Konkurrenzregulierung, Preishaltung, Be-
ſchränkung des Angebotes erſtrebten, haben wir geſehen, ebenſo daß die Salinen eine
ſolche Verfaſſung hatten; jahrhundertelang hat der Salzgraf in Halle a./S. jeden
Sonnabend die Pfänner verſammelt, um zu beſchließen, welches Quantum Salz jeder
die folgende Woche ſieden dürfe. Auch die ähnlichen Beſtrebungen der organiſierten
Verleger der Hausinduſtrie haben wir kennen gelernt. An die Monopole, Preis-
erhöhungen, engherzigen Ausſchließungstendenzen aller dieſer älteren Bildungen dachte
A. Smith, als er wehklagend von den Verſchwörungen der Unternehmer gegen das
Publikum ſprach, an ſie dachte die ganze individualiſtiſche Aufklärung, als ſie Beſeitigung
aller dieſer Verbände und Korporationen forderte und durchſetzte. Ihre früheren guten Seiten
kannte man nicht mehr. Man ſah von 1750—1870 nur, daß ſie, aus älteren techniſchen,
ſocialen und Verkehrsverhältniſſen ſtammend, die aufſtrebenden Talente abhielten, neue
größere und techniſch vollkommenere Unternehmungen zu ſchaffen. Freie Bewegung und freie
Konkurrenz war damals vor allem nötig. Und was im Moment richtig war, hielt man
für die ewig richtige Rechtsbaſis und Verfaſſung der Volkswirtſchaft. Sah man doch, daß
die neuen am beſten geleiteten Unternehmungen, Handels- und Kreditgeſchäfte in leben-
digem inneren und äußeren Konkurrenzkampf emporkamen. Ihn zu fördern, jede Ver-
bindung von Händlern und Produzenten zu erſchweren oder zu verbieten, ſchien von
1789—1870 der volkswirtſchaftlichen Weisheit letzter Schluß; hatte doch ſchon das
römiſche Recht und ſeither oftmals die Geſetzgebung alle Preisverabredungen zu ver-
bieten geſucht.

Man erreichte mit dieſer Geſetzgebung, was zunächſt den Verhältniſſen entſprach,
eine Belebung der Konkurrenz, des Unternehmungsgeiſtes, aber nicht ein vollſtändiges
Verſchwinden aller gemeinſamer Marktverabredungen. Hatten ſich doch die alten Innungen
nur da aufgelöſt, wo man ſie verboten oder ihr Vermögen den Mitgliedern zur
Plünderung überwieſen hatte. In Frankreich ließ man die Bäcker- und Fleiſcher-
innungen bald wieder als kartellartige Inſtitute der Konkurrenzregulierung zu. Die
franzöſiſchen Syndikate der Unternehmer wuchſen 1840—84 ſchon in großer Zahl, ſeit
ihrer geſetzlichen Zulaſſung 1884 zu Hunderten. In Deutſchland ſetzte ſeit 1879 eine
neue Innungsbewegung ein, die in provinziellen und ſtaatlichen Innungsverbänden
gipfelte, und ihr parallel entwickelten ſich die Verbände der einzelnen Großinduſtrien,
welche ebenfalls in provinziellen und centralen Geſamtorganiſationen ſich zuſammenfaßten:
Generalſekretäre, große Büreaus, Fachzeitſchriften, Beeinfluſſung der Preſſe, der Handels-
kammern, der Parlamente, der Regierungen, große öffentliche Tagungen, das waren die
Mittel, mit denen man für die wirtſchaftlichen Sonderintereſſen der Gruppe wirkte. Die

Schmoller, Grundriß der Volkswirtſchaftslehre. I. 29
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[449/0465] Würdigung der Genoſſenſchaften. Ältere kartellartige Bildungen. ſympathiſchen Gefühlen, auch je nach Zeit- und Geſchäftslage einerſeits mit einander konkurriert, andererſeits Anläufe gemacht, ſich zu verabreden und zu verbinden, um die Konkurrenz zu ermäßigen, ſich gute Preiſe zu ſichern, fremde Konkurrenz, wenn es ging, fern zu halten. Schon der älteſte Karawanenhandel zeigt ſolche Züge. In Oſtaſien wird die unzweifelhafte partielle Überlegenheit des Chineſen über den Europäer darauf zurückgeführt, daß erſterer faſt ſtets, letzterer ſelten in geſchloſſenen Organiſationen auf dem Markte auftritt. Der ältere Handel zur See in gemeinſamen Flotten führte faſt ſtets zu einem gemeinſamen gildenartigen Auftreten; wo Händler im Auslande Stationen und Nieder- lagen erwarben, wie die Italiener des Mittelalters im Orient, die Hanſen im Norden Europas, da haben ſie Verabredungen getroffen, den Markt nicht zu überführen. Die mehr erwähnten regulierten Compagnien, welche vom 14.—17. Jahrhundert thätig waren, wie die engliſche Staplergeſellſchaft, die wagenden Kaufleute und viele andere, waren Geſellſchaften von Händlern und Reedern, deren jeder für ſich Geſchäfte machte, die aber mit ihren Vorſtänden, Abgaben, Aufnahmeerſchwerungen weſentlich eine Konkurrenz- regulierung erſtrebten, oft ſogar die Gewinne der einzelnen Geſchäfte ausglichen, Gefahren auf die gemeinſame Kaſſe übernahmen; ſie waren etwas ganz Ähnliches wie heute die Kartelle; ſie haben teilweiſe, wie die holländiſche und engliſche oſtindiſche Compagnie, zuletzt ihre Kapitalien zuſammengelegt, ſich fuſioniert wie die heutigen hoch- ausgebildeten Kartelle. Daß auch die Zünfte eine örtliche Konkurrenzregulierung, Preishaltung, Be- ſchränkung des Angebotes erſtrebten, haben wir geſehen, ebenſo daß die Salinen eine ſolche Verfaſſung hatten; jahrhundertelang hat der Salzgraf in Halle a./S. jeden Sonnabend die Pfänner verſammelt, um zu beſchließen, welches Quantum Salz jeder die folgende Woche ſieden dürfe. Auch die ähnlichen Beſtrebungen der organiſierten Verleger der Hausinduſtrie haben wir kennen gelernt. An die Monopole, Preis- erhöhungen, engherzigen Ausſchließungstendenzen aller dieſer älteren Bildungen dachte A. Smith, als er wehklagend von den Verſchwörungen der Unternehmer gegen das Publikum ſprach, an ſie dachte die ganze individualiſtiſche Aufklärung, als ſie Beſeitigung aller dieſer Verbände und Korporationen forderte und durchſetzte. Ihre früheren guten Seiten kannte man nicht mehr. Man ſah von 1750—1870 nur, daß ſie, aus älteren techniſchen, ſocialen und Verkehrsverhältniſſen ſtammend, die aufſtrebenden Talente abhielten, neue größere und techniſch vollkommenere Unternehmungen zu ſchaffen. Freie Bewegung und freie Konkurrenz war damals vor allem nötig. Und was im Moment richtig war, hielt man für die ewig richtige Rechtsbaſis und Verfaſſung der Volkswirtſchaft. Sah man doch, daß die neuen am beſten geleiteten Unternehmungen, Handels- und Kreditgeſchäfte in leben- digem inneren und äußeren Konkurrenzkampf emporkamen. Ihn zu fördern, jede Ver- bindung von Händlern und Produzenten zu erſchweren oder zu verbieten, ſchien von 1789—1870 der volkswirtſchaftlichen Weisheit letzter Schluß; hatte doch ſchon das römiſche Recht und ſeither oftmals die Geſetzgebung alle Preisverabredungen zu ver- bieten geſucht. Man erreichte mit dieſer Geſetzgebung, was zunächſt den Verhältniſſen entſprach, eine Belebung der Konkurrenz, des Unternehmungsgeiſtes, aber nicht ein vollſtändiges Verſchwinden aller gemeinſamer Marktverabredungen. Hatten ſich doch die alten Innungen nur da aufgelöſt, wo man ſie verboten oder ihr Vermögen den Mitgliedern zur Plünderung überwieſen hatte. In Frankreich ließ man die Bäcker- und Fleiſcher- innungen bald wieder als kartellartige Inſtitute der Konkurrenzregulierung zu. Die franzöſiſchen Syndikate der Unternehmer wuchſen 1840—84 ſchon in großer Zahl, ſeit ihrer geſetzlichen Zulaſſung 1884 zu Hunderten. In Deutſchland ſetzte ſeit 1879 eine neue Innungsbewegung ein, die in provinziellen und ſtaatlichen Innungsverbänden gipfelte, und ihr parallel entwickelten ſich die Verbände der einzelnen Großinduſtrien, welche ebenfalls in provinziellen und centralen Geſamtorganiſationen ſich zuſammenfaßten: Generalſekretäre, große Büreaus, Fachzeitſchriften, Beeinfluſſung der Preſſe, der Handels- kammern, der Parlamente, der Regierungen, große öffentliche Tagungen, das waren die Mittel, mit denen man für die wirtſchaftlichen Sonderintereſſen der Gruppe wirkte. Die Schmoller, Grundriß der Volkswirtſchaftslehre. I. 29

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Bd. 1. Leipzig, 1900, S. 449. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_grundriss01_1900/465>, abgerufen am 28.03.2024.