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Schmoller, Gustav: Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Bd. 1. Leipzig, 1900.

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Zweites Buch. Die gesellschaftliche Verfassung der Volkswirtschaft.
nicht das Gewöhnliche. Bei ihnen sehen wir aus diesen ältesten periodischen Nutzungs-
rechten an Ackerstellen und dem älteren Stammes- oder Gentileigentum an dem übrigen
Lande verschiedene Formen des Gentil-, Gemeinde- und Familieneigentums entstehen,
die erst nach einer Entwickelung von Jahrhunderten in ein überwiegend individuelles,
freies Eigentum übergehen. Es sind immer gewisse gemeinsame Thätigkeiten, gesell-
schaftliche Organisationen, die das bedingen. Das Kollektiveigentum wird für lange
Zeiten das wesentliche Instrument höherer politischer und socialer Organisation, das
Mittel socialer Zucht. Gemeinbesitz und Feldgemeinschaft sind für lange die begleitenden
Erscheinungen des Häuptlings- und Königtums, der Militärverfassung, des besseren
Ackerbaues und der höheren Kultur überhaupt.

Hauptsächlich an die Geschlechterverfassung und die aus ihr folgenden genossen-
schaftlichen Einrichtungen schließt sich das kollektive Grundeigentum an. Die Männer
einer Gens roden den Weibern ihrer Sippe, die das Feld bestellen wollen, im voraus,
ehe der Wohnsitz weiter verlegt wird, die künftigen Felder gemeinsam, wie sie gemeinsam
die Jagd, den Schiffsbau, den Hausbau betreiben. Die Weiber bestellen das Feld
teils isoliert, teils unter gegenseitiger Hülfe und in Gemeinschaft. Kriegerische Stämme
oder deren Gentes sammeln vor den Kriegszügen gemeinsame Vorräte; damit ver-
knüpft sich teilweise gemeinsame Bestellung und Ackerarbeit der Männer, teilweise gleich-
mäßiger Zwang zum Anbau, um bestimmte Teile der Ernte in die Vorratshäuser
des Stammes liefern zu können. Gemeinsame Mahle nach der Ernte, aber auch fürs
ganze Jahr knüpfen sich teils an die gemeinsame Bestellung, teils an die Natural-
abgaben der Einzelwirtschaft. Bei manchen Stämmen ist die gemeinsame Bestellung
und Ernte mit einer gleichen oder nach Rang und Würde sich vollziehenden Teilung
nach der Ernte verbunden. Wo die gemeinsame Bestellung üblich wird, da erscheint
der so bestellte Acker als Eigentum der Gens, des Dorfes, unter Umständen, bei
gesteigerter Centralgewalt, als Eigentum des Häuptlinges oder des ganzen Stammes.
Wo der Zwang zu Abgabenlieferung sich ausbildet, da wird es Sitte, daß der Häuptling
den einzelnen die Lose zuweist, je nach der getriebenen Wirtschaft in jährlichem oder
mehrjährigem Wechsel. Für alle diese Fälle lassen sich bei Waitz, Klemm, Dargun,
Laveleye-Bücher, Ratzel und anderen zahlreiche Beispiele anführen. Die von Cäsar
geschilderte Ackerbestellung der Sueben, wobei jährlich die Hälfte der Männer in den
Krieg zieht, die andere den Acker bestellt, gehört hieher, wie die ähnliche Einrichtung
der Böhmen in den Hussitenkriegen. Wo aus solchen Verhältnissen heraus eine
kriegerische Despotie sich ausbildete, konnte bei einer gewissen Kulturhöhe der Gedanke
eines allgemeinen Staats- oder Stammeseigentums siegen. Ein Beispiel hiefür scheint
die peruanische Bodenverfassung zu sein, welche mit der alten ägyptischen, soweit wir
sie kennen, Ähnlichkeit hat. Von dem peruanischen Lande war ein Drittel dem Volke,
ein Drittel den Tempeln und ein Drittel dem Herrscherhause der Inka zugewiesen; das
Heer wurde von den Inkas unterhalten, die zwei Drittel öffentlichen Eigentums (das
Tempel- und das Königsgut) wurden ebenfalls vom Volke in Fronarbeit bestellt; den
einzelnen Familien wurde ihr Landanteil in jährlicher Neuverteilung nach der Zahl
der Kinder zugewiesen.

Am leichtesten konnte der allgemeine Gedanke, daß das Grundeigentum der
Gesamtheit gehöre, daß es in ihrem Interesse verteilt werden müsse, daß der Staat
stets wieder durch Neueingriffe die richtige Verteilung herbeizuführen habe, siegen:
1. in gemeindeartigen Kleinstaaten von wenigen Quadratmeilen, 2. in Bezug auf
eroberten Grund und Boden, und 3. gegenüber relativ gleichartigen Bodenflächen, deren
wesentlicher Wert von gemeinsam hergestellten Bewässerungen abhing, wie in Ägypten.
In Rom hat Generationen hindurch die Bauernpolitik der plebs rustica es durchgesetzt,
daß auf dem eroberten Boden jedem jüngeren Sohne eine Hufe zugewiesen wurde. Auch
die so oft im Altertum aufgestellte Forderung neuer Landteilungen und gewisser
Schranken des privaten Landbesitzes und des auf die Gemeinweide zu treibenden Viehes
gehört hieher. Doch ist bekannt, daß diese Wünsche bei intensiverer Landwirtschaft,
höherer Kultur und Kapitalverwendung, in den größeren Staaten mit komplizierter

Zweites Buch. Die geſellſchaftliche Verfaſſung der Volkswirtſchaft.
nicht das Gewöhnliche. Bei ihnen ſehen wir aus dieſen älteſten periodiſchen Nutzungs-
rechten an Ackerſtellen und dem älteren Stammes- oder Gentileigentum an dem übrigen
Lande verſchiedene Formen des Gentil-, Gemeinde- und Familieneigentums entſtehen,
die erſt nach einer Entwickelung von Jahrhunderten in ein überwiegend individuelles,
freies Eigentum übergehen. Es ſind immer gewiſſe gemeinſame Thätigkeiten, geſell-
ſchaftliche Organiſationen, die das bedingen. Das Kollektiveigentum wird für lange
Zeiten das weſentliche Inſtrument höherer politiſcher und ſocialer Organiſation, das
Mittel ſocialer Zucht. Gemeinbeſitz und Feldgemeinſchaft ſind für lange die begleitenden
Erſcheinungen des Häuptlings- und Königtums, der Militärverfaſſung, des beſſeren
Ackerbaues und der höheren Kultur überhaupt.

Hauptſächlich an die Geſchlechterverfaſſung und die aus ihr folgenden genoſſen-
ſchaftlichen Einrichtungen ſchließt ſich das kollektive Grundeigentum an. Die Männer
einer Gens roden den Weibern ihrer Sippe, die das Feld beſtellen wollen, im voraus,
ehe der Wohnſitz weiter verlegt wird, die künftigen Felder gemeinſam, wie ſie gemeinſam
die Jagd, den Schiffsbau, den Hausbau betreiben. Die Weiber beſtellen das Feld
teils iſoliert, teils unter gegenſeitiger Hülfe und in Gemeinſchaft. Kriegeriſche Stämme
oder deren Gentes ſammeln vor den Kriegszügen gemeinſame Vorräte; damit ver-
knüpft ſich teilweiſe gemeinſame Beſtellung und Ackerarbeit der Männer, teilweiſe gleich-
mäßiger Zwang zum Anbau, um beſtimmte Teile der Ernte in die Vorratshäuſer
des Stammes liefern zu können. Gemeinſame Mahle nach der Ernte, aber auch fürs
ganze Jahr knüpfen ſich teils an die gemeinſame Beſtellung, teils an die Natural-
abgaben der Einzelwirtſchaft. Bei manchen Stämmen iſt die gemeinſame Beſtellung
und Ernte mit einer gleichen oder nach Rang und Würde ſich vollziehenden Teilung
nach der Ernte verbunden. Wo die gemeinſame Beſtellung üblich wird, da erſcheint
der ſo beſtellte Acker als Eigentum der Gens, des Dorfes, unter Umſtänden, bei
geſteigerter Centralgewalt, als Eigentum des Häuptlinges oder des ganzen Stammes.
Wo der Zwang zu Abgabenlieferung ſich ausbildet, da wird es Sitte, daß der Häuptling
den einzelnen die Loſe zuweiſt, je nach der getriebenen Wirtſchaft in jährlichem oder
mehrjährigem Wechſel. Für alle dieſe Fälle laſſen ſich bei Waitz, Klemm, Dargun,
Laveleye-Bücher, Ratzel und anderen zahlreiche Beiſpiele anführen. Die von Cäſar
geſchilderte Ackerbeſtellung der Sueben, wobei jährlich die Hälfte der Männer in den
Krieg zieht, die andere den Acker beſtellt, gehört hieher, wie die ähnliche Einrichtung
der Böhmen in den Huſſitenkriegen. Wo aus ſolchen Verhältniſſen heraus eine
kriegeriſche Despotie ſich ausbildete, konnte bei einer gewiſſen Kulturhöhe der Gedanke
eines allgemeinen Staats- oder Stammeseigentums ſiegen. Ein Beiſpiel hiefür ſcheint
die peruaniſche Bodenverfaſſung zu ſein, welche mit der alten ägyptiſchen, ſoweit wir
ſie kennen, Ähnlichkeit hat. Von dem peruaniſchen Lande war ein Drittel dem Volke,
ein Drittel den Tempeln und ein Drittel dem Herrſcherhauſe der Inka zugewieſen; das
Heer wurde von den Inkas unterhalten, die zwei Drittel öffentlichen Eigentums (das
Tempel- und das Königsgut) wurden ebenfalls vom Volke in Fronarbeit beſtellt; den
einzelnen Familien wurde ihr Landanteil in jährlicher Neuverteilung nach der Zahl
der Kinder zugewieſen.

Am leichteſten konnte der allgemeine Gedanke, daß das Grundeigentum der
Geſamtheit gehöre, daß es in ihrem Intereſſe verteilt werden müſſe, daß der Staat
ſtets wieder durch Neueingriffe die richtige Verteilung herbeizuführen habe, ſiegen:
1. in gemeindeartigen Kleinſtaaten von wenigen Quadratmeilen, 2. in Bezug auf
eroberten Grund und Boden, und 3. gegenüber relativ gleichartigen Bodenflächen, deren
weſentlicher Wert von gemeinſam hergeſtellten Bewäſſerungen abhing, wie in Ägypten.
In Rom hat Generationen hindurch die Bauernpolitik der plebs rustica es durchgeſetzt,
daß auf dem eroberten Boden jedem jüngeren Sohne eine Hufe zugewieſen wurde. Auch
die ſo oft im Altertum aufgeſtellte Forderung neuer Landteilungen und gewiſſer
Schranken des privaten Landbeſitzes und des auf die Gemeinweide zu treibenden Viehes
gehört hieher. Doch iſt bekannt, daß dieſe Wünſche bei intenſiverer Landwirtſchaft,
höherer Kultur und Kapitalverwendung, in den größeren Staaten mit komplizierter

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[372/0388] Zweites Buch. Die geſellſchaftliche Verfaſſung der Volkswirtſchaft. nicht das Gewöhnliche. Bei ihnen ſehen wir aus dieſen älteſten periodiſchen Nutzungs- rechten an Ackerſtellen und dem älteren Stammes- oder Gentileigentum an dem übrigen Lande verſchiedene Formen des Gentil-, Gemeinde- und Familieneigentums entſtehen, die erſt nach einer Entwickelung von Jahrhunderten in ein überwiegend individuelles, freies Eigentum übergehen. Es ſind immer gewiſſe gemeinſame Thätigkeiten, geſell- ſchaftliche Organiſationen, die das bedingen. Das Kollektiveigentum wird für lange Zeiten das weſentliche Inſtrument höherer politiſcher und ſocialer Organiſation, das Mittel ſocialer Zucht. Gemeinbeſitz und Feldgemeinſchaft ſind für lange die begleitenden Erſcheinungen des Häuptlings- und Königtums, der Militärverfaſſung, des beſſeren Ackerbaues und der höheren Kultur überhaupt. Hauptſächlich an die Geſchlechterverfaſſung und die aus ihr folgenden genoſſen- ſchaftlichen Einrichtungen ſchließt ſich das kollektive Grundeigentum an. Die Männer einer Gens roden den Weibern ihrer Sippe, die das Feld beſtellen wollen, im voraus, ehe der Wohnſitz weiter verlegt wird, die künftigen Felder gemeinſam, wie ſie gemeinſam die Jagd, den Schiffsbau, den Hausbau betreiben. Die Weiber beſtellen das Feld teils iſoliert, teils unter gegenſeitiger Hülfe und in Gemeinſchaft. Kriegeriſche Stämme oder deren Gentes ſammeln vor den Kriegszügen gemeinſame Vorräte; damit ver- knüpft ſich teilweiſe gemeinſame Beſtellung und Ackerarbeit der Männer, teilweiſe gleich- mäßiger Zwang zum Anbau, um beſtimmte Teile der Ernte in die Vorratshäuſer des Stammes liefern zu können. Gemeinſame Mahle nach der Ernte, aber auch fürs ganze Jahr knüpfen ſich teils an die gemeinſame Beſtellung, teils an die Natural- abgaben der Einzelwirtſchaft. Bei manchen Stämmen iſt die gemeinſame Beſtellung und Ernte mit einer gleichen oder nach Rang und Würde ſich vollziehenden Teilung nach der Ernte verbunden. Wo die gemeinſame Beſtellung üblich wird, da erſcheint der ſo beſtellte Acker als Eigentum der Gens, des Dorfes, unter Umſtänden, bei geſteigerter Centralgewalt, als Eigentum des Häuptlinges oder des ganzen Stammes. Wo der Zwang zu Abgabenlieferung ſich ausbildet, da wird es Sitte, daß der Häuptling den einzelnen die Loſe zuweiſt, je nach der getriebenen Wirtſchaft in jährlichem oder mehrjährigem Wechſel. Für alle dieſe Fälle laſſen ſich bei Waitz, Klemm, Dargun, Laveleye-Bücher, Ratzel und anderen zahlreiche Beiſpiele anführen. Die von Cäſar geſchilderte Ackerbeſtellung der Sueben, wobei jährlich die Hälfte der Männer in den Krieg zieht, die andere den Acker beſtellt, gehört hieher, wie die ähnliche Einrichtung der Böhmen in den Huſſitenkriegen. Wo aus ſolchen Verhältniſſen heraus eine kriegeriſche Despotie ſich ausbildete, konnte bei einer gewiſſen Kulturhöhe der Gedanke eines allgemeinen Staats- oder Stammeseigentums ſiegen. Ein Beiſpiel hiefür ſcheint die peruaniſche Bodenverfaſſung zu ſein, welche mit der alten ägyptiſchen, ſoweit wir ſie kennen, Ähnlichkeit hat. Von dem peruaniſchen Lande war ein Drittel dem Volke, ein Drittel den Tempeln und ein Drittel dem Herrſcherhauſe der Inka zugewieſen; das Heer wurde von den Inkas unterhalten, die zwei Drittel öffentlichen Eigentums (das Tempel- und das Königsgut) wurden ebenfalls vom Volke in Fronarbeit beſtellt; den einzelnen Familien wurde ihr Landanteil in jährlicher Neuverteilung nach der Zahl der Kinder zugewieſen. Am leichteſten konnte der allgemeine Gedanke, daß das Grundeigentum der Geſamtheit gehöre, daß es in ihrem Intereſſe verteilt werden müſſe, daß der Staat ſtets wieder durch Neueingriffe die richtige Verteilung herbeizuführen habe, ſiegen: 1. in gemeindeartigen Kleinſtaaten von wenigen Quadratmeilen, 2. in Bezug auf eroberten Grund und Boden, und 3. gegenüber relativ gleichartigen Bodenflächen, deren weſentlicher Wert von gemeinſam hergeſtellten Bewäſſerungen abhing, wie in Ägypten. In Rom hat Generationen hindurch die Bauernpolitik der plebs rustica es durchgeſetzt, daß auf dem eroberten Boden jedem jüngeren Sohne eine Hufe zugewieſen wurde. Auch die ſo oft im Altertum aufgeſtellte Forderung neuer Landteilungen und gewiſſer Schranken des privaten Landbeſitzes und des auf die Gemeinweide zu treibenden Viehes gehört hieher. Doch iſt bekannt, daß dieſe Wünſche bei intenſiverer Landwirtſchaft, höherer Kultur und Kapitalverwendung, in den größeren Staaten mit komplizierter

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Bd. 1. Leipzig, 1900, S. 372. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_grundriss01_1900/388>, abgerufen am 20.04.2024.