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Schmoller, Gustav: Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Bd. 1. Leipzig, 1900.

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Berufsstatistik. Agrar- und Industriestaat.
100 Einwohnern überhaupt sind nach einer Berechnung von Jannasch eigentliche gewerblich
Thätige (1870--80) in Ungarn 4, in Frankreich und Österreich 11--12, in Deutschland
14--15, in der Schweiz und Belgien 18--19, in England 22.

Die Zahl der gewerblichen Bevölkerung ist also heute eine geringe, wo sie 11--18 %
erfaßt, eine mittlere, wo es sich um 19--36 handelt, eine starke, wo sie bis 57 % an-
steigt. Deutschland erreicht Belgien und die Schweiz noch nicht, England entfernt nicht.

Die Personen, welche dem Handel und Verkehr ihre Thätigkeit widmen, machen
nebst ihren Angehörigen in den großen europäischen Ländern der Gegenwart wohl nirgends
unter 3--5 % und über 11--13 % aus; in Berlin freilich 22, in Hamburg 31; sie
sind aber als Städte nicht mit größeren Gebieten vergleichbar. Zur Illustration mag
beigefügt werden, daß in Frankfurt a. M. 1440 die Gewerbe 58, Handel und Verkehr
13, im Jahre 1882 erstere 35, letztere 31--32 % der selbständigen Erwerbsthätigen
beanspruchten. Nach der deutschen Berufszählung von 1882, welche Eisenbahnen und
Posten nicht mit umfaßt, haben fast alle Provinzen und Länder über 7--8 %, Hessen-
Nassau, Rheinprovinz, Schleswig-Holstein, Sachsen, Braunschweig steigen über 10 %.

Die liberalen Berufe schwanken, soweit wir Nachrichten haben, zwischen 2 und 8,
in der deutschen Berufszählung zwischen 3 und 8 %; in den großen Städten machen
sie 11--12 %. Für genauere Vergleiche bestimmter Teile fehlen meist die Zusammen-
stellungen, so lehrreich sie wären; Bodio hat einige geliefert, die uns z. B. zeigen, daß
in den Vereinigten Staaten dreimal soviel Advokaten sind als in England, in Italien
zwei- bis dreimal soviel Geistliche als in Deutschland.

Es geht in diesem Punkte wie oft mit der Statistik; gerade wo sie uns die
lehrreichsten Ausblicke eröffnen sollte, verläßt uns das Instrument, weil es noch zu roh,
zu wenig entwickelt, und weil auch das von ihr gelieferte Rohmaterial zu wenig
bearbeitet ist. -- Wir müssen uns hier mit diesen wenigen Zahlen und Andeutungen
begnügen, die nur den Zweck haben, einen summarischen Einblick in die Gesamtresultate
der heutigen Berufs- und Arbeitsteilung zu geben.

121. Die Ursachen und Bedingungen der Arbeitsteilung haben
wir schon in der Einleitung andeutungsweise berührt, wir haben jetzt auf Grund des
vorgeführten Thatsachenmaterials zu versuchen, sie präcis und möglichst erschöpfend zu
formulieren.

Die Arbeitsteilung entspringt der feineren und specialisierten Ausbildung aller
menschlichen Thätigkeit; es entstehen Einzelaufgaben, denen nicht jeder gleich gewachsen
ist, die gut nur der bemeistern kann, der hiezu besondere körperliche und geistige Fähig-
keiten hat, der hiezu angelernt ist, dieser Aufgabe sein Leben widmet.

Wie der einzelne Mensch aus seiner Thätigkeit ein zusammenhängendes, durch-
dachtes System macht und so rationeller, arbeitsparender seine Bedürfnisse befriedigt, so
kommt die Gesellschaft durch rationelle Specialisierung der Thätigkeit ihrer Glieder, durch
Zuweisung der geteilten Arbeit an die hiefür Passenden zu immer größeren Erfolgen. Die
Arbeitsteilung setzt, wie wir von Anfang an erwähnt, eine sociale Gemeinschaft voraus:
wir fügen jetzt bei: sie setzt eine Berührung und Verständigung der zur Anpassung an
specialisierte Arbeit und zur Organisation fähigen Personen voraus. Wie sie möglich
ist in der patriarchalischen Hauswirtschaft, so gelingt sie zwischen Stadt und Land,
zwischen zwei Welten, die häufigen Dampfschiffahrtsverkehr haben. Eine immer dichtere
Bevölkerung, größere Gemeinwesen und Staaten, höhere Staatengemeinschaft wird ihr
günstig sein, ebenso wie alle Verbesserung der Verkehrsmittel. Sie wird auch unter
diesen Voraussetzungen nur gelingen, wenn eine kluge, zum Fortschritt geneigte Bevölke-
rung sie benützt, wenn nicht starre Sitten und Rechtsinstitutionen, wie da und dort das
Kasten- und Zunftwesen, die Änderung hindern. Aber es müssen außerdem noch gewisse
Bedingungen erfüllt sein, um sie möglich zu machen: die specialisierte Funktion muß in
der Regel dauernd, gleichmäßig ausgeführt werden können, die Teiloperationen müssen
zeitlich zugleich verrichtet werden, die Zusammenwirkenden müssen örtlich und geschäftlich
richtig nebeneinander gestellt, in Verbindung gebracht werden können. Es muß ein
gewisses Verständnis für die erwachsende Ersparnis an Kräften, für die so erzielte bessere

Berufsſtatiſtik. Agrar- und Induſtrieſtaat.
100 Einwohnern überhaupt ſind nach einer Berechnung von Jannaſch eigentliche gewerblich
Thätige (1870—80) in Ungarn 4, in Frankreich und Öſterreich 11—12, in Deutſchland
14—15, in der Schweiz und Belgien 18—19, in England 22.

Die Zahl der gewerblichen Bevölkerung iſt alſo heute eine geringe, wo ſie 11—18 %
erfaßt, eine mittlere, wo es ſich um 19—36 handelt, eine ſtarke, wo ſie bis 57 % an-
ſteigt. Deutſchland erreicht Belgien und die Schweiz noch nicht, England entfernt nicht.

Die Perſonen, welche dem Handel und Verkehr ihre Thätigkeit widmen, machen
nebſt ihren Angehörigen in den großen europäiſchen Ländern der Gegenwart wohl nirgends
unter 3—5 % und über 11—13 % aus; in Berlin freilich 22, in Hamburg 31; ſie
ſind aber als Städte nicht mit größeren Gebieten vergleichbar. Zur Illuſtration mag
beigefügt werden, daß in Frankfurt a. M. 1440 die Gewerbe 58, Handel und Verkehr
13, im Jahre 1882 erſtere 35, letztere 31—32 % der ſelbſtändigen Erwerbsthätigen
beanſpruchten. Nach der deutſchen Berufszählung von 1882, welche Eiſenbahnen und
Poſten nicht mit umfaßt, haben faſt alle Provinzen und Länder über 7—8 %, Heſſen-
Naſſau, Rheinprovinz, Schleswig-Holſtein, Sachſen, Braunſchweig ſteigen über 10 %.

Die liberalen Berufe ſchwanken, ſoweit wir Nachrichten haben, zwiſchen 2 und 8,
in der deutſchen Berufszählung zwiſchen 3 und 8 %; in den großen Städten machen
ſie 11—12 %. Für genauere Vergleiche beſtimmter Teile fehlen meiſt die Zuſammen-
ſtellungen, ſo lehrreich ſie wären; Bodio hat einige geliefert, die uns z. B. zeigen, daß
in den Vereinigten Staaten dreimal ſoviel Advokaten ſind als in England, in Italien
zwei- bis dreimal ſoviel Geiſtliche als in Deutſchland.

Es geht in dieſem Punkte wie oft mit der Statiſtik; gerade wo ſie uns die
lehrreichſten Ausblicke eröffnen ſollte, verläßt uns das Inſtrument, weil es noch zu roh,
zu wenig entwickelt, und weil auch das von ihr gelieferte Rohmaterial zu wenig
bearbeitet iſt. — Wir müſſen uns hier mit dieſen wenigen Zahlen und Andeutungen
begnügen, die nur den Zweck haben, einen ſummariſchen Einblick in die Geſamtreſultate
der heutigen Berufs- und Arbeitsteilung zu geben.

121. Die Urſachen und Bedingungen der Arbeitsteilung haben
wir ſchon in der Einleitung andeutungsweiſe berührt, wir haben jetzt auf Grund des
vorgeführten Thatſachenmaterials zu verſuchen, ſie präcis und möglichſt erſchöpfend zu
formulieren.

Die Arbeitsteilung entſpringt der feineren und ſpecialiſierten Ausbildung aller
menſchlichen Thätigkeit; es entſtehen Einzelaufgaben, denen nicht jeder gleich gewachſen
iſt, die gut nur der bemeiſtern kann, der hiezu beſondere körperliche und geiſtige Fähig-
keiten hat, der hiezu angelernt iſt, dieſer Aufgabe ſein Leben widmet.

Wie der einzelne Menſch aus ſeiner Thätigkeit ein zuſammenhängendes, durch-
dachtes Syſtem macht und ſo rationeller, arbeitſparender ſeine Bedürfniſſe befriedigt, ſo
kommt die Geſellſchaft durch rationelle Specialiſierung der Thätigkeit ihrer Glieder, durch
Zuweiſung der geteilten Arbeit an die hiefür Paſſenden zu immer größeren Erfolgen. Die
Arbeitsteilung ſetzt, wie wir von Anfang an erwähnt, eine ſociale Gemeinſchaft voraus:
wir fügen jetzt bei: ſie ſetzt eine Berührung und Verſtändigung der zur Anpaſſung an
ſpecialiſierte Arbeit und zur Organiſation fähigen Perſonen voraus. Wie ſie möglich
iſt in der patriarchaliſchen Hauswirtſchaft, ſo gelingt ſie zwiſchen Stadt und Land,
zwiſchen zwei Welten, die häufigen Dampfſchiffahrtsverkehr haben. Eine immer dichtere
Bevölkerung, größere Gemeinweſen und Staaten, höhere Staatengemeinſchaft wird ihr
günſtig ſein, ebenſo wie alle Verbeſſerung der Verkehrsmittel. Sie wird auch unter
dieſen Vorausſetzungen nur gelingen, wenn eine kluge, zum Fortſchritt geneigte Bevölke-
rung ſie benützt, wenn nicht ſtarre Sitten und Rechtsinſtitutionen, wie da und dort das
Kaſten- und Zunftweſen, die Änderung hindern. Aber es müſſen außerdem noch gewiſſe
Bedingungen erfüllt ſein, um ſie möglich zu machen: die ſpecialiſierte Funktion muß in
der Regel dauernd, gleichmäßig ausgeführt werden können, die Teiloperationen müſſen
zeitlich zugleich verrichtet werden, die Zuſammenwirkenden müſſen örtlich und geſchäftlich
richtig nebeneinander geſtellt, in Verbindung gebracht werden können. Es muß ein
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[359/0375] Berufsſtatiſtik. Agrar- und Induſtrieſtaat. 100 Einwohnern überhaupt ſind nach einer Berechnung von Jannaſch eigentliche gewerblich Thätige (1870—80) in Ungarn 4, in Frankreich und Öſterreich 11—12, in Deutſchland 14—15, in der Schweiz und Belgien 18—19, in England 22. Die Zahl der gewerblichen Bevölkerung iſt alſo heute eine geringe, wo ſie 11—18 % erfaßt, eine mittlere, wo es ſich um 19—36 handelt, eine ſtarke, wo ſie bis 57 % an- ſteigt. Deutſchland erreicht Belgien und die Schweiz noch nicht, England entfernt nicht. Die Perſonen, welche dem Handel und Verkehr ihre Thätigkeit widmen, machen nebſt ihren Angehörigen in den großen europäiſchen Ländern der Gegenwart wohl nirgends unter 3—5 % und über 11—13 % aus; in Berlin freilich 22, in Hamburg 31; ſie ſind aber als Städte nicht mit größeren Gebieten vergleichbar. Zur Illuſtration mag beigefügt werden, daß in Frankfurt a. M. 1440 die Gewerbe 58, Handel und Verkehr 13, im Jahre 1882 erſtere 35, letztere 31—32 % der ſelbſtändigen Erwerbsthätigen beanſpruchten. Nach der deutſchen Berufszählung von 1882, welche Eiſenbahnen und Poſten nicht mit umfaßt, haben faſt alle Provinzen und Länder über 7—8 %, Heſſen- Naſſau, Rheinprovinz, Schleswig-Holſtein, Sachſen, Braunſchweig ſteigen über 10 %. Die liberalen Berufe ſchwanken, ſoweit wir Nachrichten haben, zwiſchen 2 und 8, in der deutſchen Berufszählung zwiſchen 3 und 8 %; in den großen Städten machen ſie 11—12 %. Für genauere Vergleiche beſtimmter Teile fehlen meiſt die Zuſammen- ſtellungen, ſo lehrreich ſie wären; Bodio hat einige geliefert, die uns z. B. zeigen, daß in den Vereinigten Staaten dreimal ſoviel Advokaten ſind als in England, in Italien zwei- bis dreimal ſoviel Geiſtliche als in Deutſchland. Es geht in dieſem Punkte wie oft mit der Statiſtik; gerade wo ſie uns die lehrreichſten Ausblicke eröffnen ſollte, verläßt uns das Inſtrument, weil es noch zu roh, zu wenig entwickelt, und weil auch das von ihr gelieferte Rohmaterial zu wenig bearbeitet iſt. — Wir müſſen uns hier mit dieſen wenigen Zahlen und Andeutungen begnügen, die nur den Zweck haben, einen ſummariſchen Einblick in die Geſamtreſultate der heutigen Berufs- und Arbeitsteilung zu geben. 121. Die Urſachen und Bedingungen der Arbeitsteilung haben wir ſchon in der Einleitung andeutungsweiſe berührt, wir haben jetzt auf Grund des vorgeführten Thatſachenmaterials zu verſuchen, ſie präcis und möglichſt erſchöpfend zu formulieren. Die Arbeitsteilung entſpringt der feineren und ſpecialiſierten Ausbildung aller menſchlichen Thätigkeit; es entſtehen Einzelaufgaben, denen nicht jeder gleich gewachſen iſt, die gut nur der bemeiſtern kann, der hiezu beſondere körperliche und geiſtige Fähig- keiten hat, der hiezu angelernt iſt, dieſer Aufgabe ſein Leben widmet. Wie der einzelne Menſch aus ſeiner Thätigkeit ein zuſammenhängendes, durch- dachtes Syſtem macht und ſo rationeller, arbeitſparender ſeine Bedürfniſſe befriedigt, ſo kommt die Geſellſchaft durch rationelle Specialiſierung der Thätigkeit ihrer Glieder, durch Zuweiſung der geteilten Arbeit an die hiefür Paſſenden zu immer größeren Erfolgen. Die Arbeitsteilung ſetzt, wie wir von Anfang an erwähnt, eine ſociale Gemeinſchaft voraus: wir fügen jetzt bei: ſie ſetzt eine Berührung und Verſtändigung der zur Anpaſſung an ſpecialiſierte Arbeit und zur Organiſation fähigen Perſonen voraus. Wie ſie möglich iſt in der patriarchaliſchen Hauswirtſchaft, ſo gelingt ſie zwiſchen Stadt und Land, zwiſchen zwei Welten, die häufigen Dampfſchiffahrtsverkehr haben. Eine immer dichtere Bevölkerung, größere Gemeinweſen und Staaten, höhere Staatengemeinſchaft wird ihr günſtig ſein, ebenſo wie alle Verbeſſerung der Verkehrsmittel. Sie wird auch unter dieſen Vorausſetzungen nur gelingen, wenn eine kluge, zum Fortſchritt geneigte Bevölke- rung ſie benützt, wenn nicht ſtarre Sitten und Rechtsinſtitutionen, wie da und dort das Kaſten- und Zunftweſen, die Änderung hindern. Aber es müſſen außerdem noch gewiſſe Bedingungen erfüllt ſein, um ſie möglich zu machen: die ſpecialiſierte Funktion muß in der Regel dauernd, gleichmäßig ausgeführt werden können, die Teiloperationen müſſen zeitlich zugleich verrichtet werden, die Zuſammenwirkenden müſſen örtlich und geſchäftlich richtig nebeneinander geſtellt, in Verbindung gebracht werden können. Es muß ein gewiſſes Verſtändnis für die erwachſende Erſparnis an Kräften, für die ſo erzielte beſſere

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Bd. 1. Leipzig, 1900, S. 359. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_grundriss01_1900/375>, abgerufen am 19.04.2024.