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Schmoller, Gustav: Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Bd. 1. Leipzig, 1900.

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Zweites Buch. Die gesellschaftliche Verfassung der Volkswirtschaft.

Nur bei einem sehr niedrigen Grade der wirtschaftlichen Kultur, bei kleinen
Stämmen, bei steter Bedrohung oder Wanderung konnten alle Männer Krieger sein.
Die wirtschaftliche Last des Unterhaltes fiel dabei überwiegend auf die Weiber, die
Jugend, die alten Leute, die Knechte. Als die höchste kriegerische Leistung rechnet man
heute, daß 25 % eines Stammes, die Gesamtheit der erwachsenen Männer, in den Krieg
zogen; für gewöhnlich werden 15--20 % schon eine außerordentlich große Leistung
gewesen sein. Jeder Fortschritt im Landbau und in der Seßhaftigkeit, jede friedliche
Kultur, jede Vergrößerung des Stammgebietes drängte zu einer Arbeitsteilung, welche
einen Teil der erwachsenen Männer vorübergehend oder dauernd von der kriegerischen
Arbeit entlastete. Es geschah in der Weise, daß kriegerische Stämme durch Eroberung
und Unterwerfung sich zum Kriegsadel eines größeren Gebietes machten, wie in Sparta,
oder so, daß nur die Besitzer größerer Landlose noch Kriegsdienste thaten, wie in Athen
oder in Deutschland mit Einführung des Reiterdienstes und Lehnswesens. Die indische,
ägyptische, japanische Kriegerkaste waren Ergebnisse einer ähnlichen Entwickelung. Wo
die Kriege seltener wurden, der Kriegsschauplatz ferner lag, auf die Grenzen sich beschränkte,
da genügte ein kleiner Teil des Volkes für die kriegerische Verteidigung. Aber es war
der angesehene, meist mit erheblichem Grundbesitz ausgestattete. Die Entwöhnung des
Bauern von der Führung des Schwertes bedeutete für ihn ein besseres wirtschaftliches
Fortkommen, aber allerdings auch eine tiefere sociale Stellung. Die Scheidung des
Volkes in einen kriegerischen und nicht kriegerischen Teil war zugleich eine solche in einen
befehlenden und einen gehorchenden; denn die Kriegeraristokratie kam neben den Priestern
ebenso an die Spitze des Staates, den sie allein nach außen verteidigte, wie lokal an
die Spitze der Selbstverwaltung, da sie allein Ruhe und Ordnung in jenen gewalt-
thätigen Zeiten aufrecht erhielt. Ein heroisches Zeitalter ritterlicher Kultur knüpft sich
an die Tage ihrer Herrschaft: für Jahrhunderte zerfielen die Völker in die drei Haupt-
gruppen der Priester, der Krieger, der Bauern und Bürger, wobei jedoch die zwei ersten
herrschenden Klassen nur einen mäßigen Bruchteil ausmachten, die Masse des übrigen
Volkes häufig in eine untergeordnete, abhängige Stellung kam.

Mit der Zeit aber geht ein wachsender Teil der Amtsgeschäfte der Kriegeraristokratie
auf das Beamtentum, ein immer größerer Teil ihrer militärischen Thätigkeit auf die
mittleren und unteren Klassen über. Die größeren technischen Ansprüche in beiderlei
Richtung erzwingen diese weiteren Schritte der Arbeitsteilung. Mit dem Vordringen
der Geldwirtschaft und des beweglichen Besitzes, mit der dichteren Bevölkerung, die ihren
Unterhalt auf dem besetzten Boden immer schwieriger findet, mit der Umwandlung des
Kriegsadels in einen Grundbesitz- und Amtsadel, mit der Schwierigkeit, die Ritterschaft stets
schlagfertig und kriegstüchtig zu erhalten, sie auf entferntere Kriegsschauplätze zu führen,
beginnt der Kriegsdienst gegen Geldsold, in den erst die Söhne der Ritter und die ver-
armten Adeligen, dann die unteren Klassen des eigenen Volkes, endlich Fremde, zuletzt
die besitzlosen Proletarier von überallher eintreten. An den dauernden Solddienst knüpfen
sich die großen technisch-militärischen Fortschritte: das Heer wird stehend, der Soldaten-
beruf ein ausschließlicher Lebensberuf. Nicht nach Familie, Heimat, Grundbesitz werden
die Leute mehr gruppiert, sondern nach Fähigkeit, Bewaffnung und Ausbildung; es
entstehen die administrativen und taktischen Einheiten des Heeres, die Waffenspecialitäten,
die hierarchische Ordnung von Ober-, Unteroffizieren und Mannschaften. Ein gut
geschultes stehendes Heer von wenigen Prozenten der Bevölkerung reicht jetzt für die
größten Staaten aus. Die stehenden Heere machen heute (nach Zahn) zwischen 0,1 %
(Vereinigte Staaten) und 3,4 % (Frankreich) der Erwerbsthätigen aus; in Groß-
britannien sind es 1 %, in Deutschland 2,8 %. Von der Gesamtbevölkerung wären es
noch wesentlich niedrigere Bruchteile. So ist der historische Fortschritt, welcher in der
Einschränkung des Waffendienstes in den letzten 2--3000 Jahren liegt, etwa in dem
Zahlenverhältnis auszudrücken: wo einst 25 % der Bevölkerung, 35--40 % der Erwerbs-
thätigen, zum kriegerischen Schutze nötig waren, da reichen heute etwa 0,4--1,12 % der
Bevölkerung, 1--3 % der Erwerbsthätigen aus.

Zweites Buch. Die geſellſchaftliche Verfaſſung der Volkswirtſchaft.

Nur bei einem ſehr niedrigen Grade der wirtſchaftlichen Kultur, bei kleinen
Stämmen, bei ſteter Bedrohung oder Wanderung konnten alle Männer Krieger ſein.
Die wirtſchaftliche Laſt des Unterhaltes fiel dabei überwiegend auf die Weiber, die
Jugend, die alten Leute, die Knechte. Als die höchſte kriegeriſche Leiſtung rechnet man
heute, daß 25 % eines Stammes, die Geſamtheit der erwachſenen Männer, in den Krieg
zogen; für gewöhnlich werden 15—20 % ſchon eine außerordentlich große Leiſtung
geweſen ſein. Jeder Fortſchritt im Landbau und in der Seßhaftigkeit, jede friedliche
Kultur, jede Vergrößerung des Stammgebietes drängte zu einer Arbeitsteilung, welche
einen Teil der erwachſenen Männer vorübergehend oder dauernd von der kriegeriſchen
Arbeit entlaſtete. Es geſchah in der Weiſe, daß kriegeriſche Stämme durch Eroberung
und Unterwerfung ſich zum Kriegsadel eines größeren Gebietes machten, wie in Sparta,
oder ſo, daß nur die Beſitzer größerer Landloſe noch Kriegsdienſte thaten, wie in Athen
oder in Deutſchland mit Einführung des Reiterdienſtes und Lehnsweſens. Die indiſche,
ägyptiſche, japaniſche Kriegerkaſte waren Ergebniſſe einer ähnlichen Entwickelung. Wo
die Kriege ſeltener wurden, der Kriegsſchauplatz ferner lag, auf die Grenzen ſich beſchränkte,
da genügte ein kleiner Teil des Volkes für die kriegeriſche Verteidigung. Aber es war
der angeſehene, meiſt mit erheblichem Grundbeſitz ausgeſtattete. Die Entwöhnung des
Bauern von der Führung des Schwertes bedeutete für ihn ein beſſeres wirtſchaftliches
Fortkommen, aber allerdings auch eine tiefere ſociale Stellung. Die Scheidung des
Volkes in einen kriegeriſchen und nicht kriegeriſchen Teil war zugleich eine ſolche in einen
befehlenden und einen gehorchenden; denn die Kriegerariſtokratie kam neben den Prieſtern
ebenſo an die Spitze des Staates, den ſie allein nach außen verteidigte, wie lokal an
die Spitze der Selbſtverwaltung, da ſie allein Ruhe und Ordnung in jenen gewalt-
thätigen Zeiten aufrecht erhielt. Ein heroiſches Zeitalter ritterlicher Kultur knüpft ſich
an die Tage ihrer Herrſchaft: für Jahrhunderte zerfielen die Völker in die drei Haupt-
gruppen der Prieſter, der Krieger, der Bauern und Bürger, wobei jedoch die zwei erſten
herrſchenden Klaſſen nur einen mäßigen Bruchteil ausmachten, die Maſſe des übrigen
Volkes häufig in eine untergeordnete, abhängige Stellung kam.

Mit der Zeit aber geht ein wachſender Teil der Amtsgeſchäfte der Kriegerariſtokratie
auf das Beamtentum, ein immer größerer Teil ihrer militäriſchen Thätigkeit auf die
mittleren und unteren Klaſſen über. Die größeren techniſchen Anſprüche in beiderlei
Richtung erzwingen dieſe weiteren Schritte der Arbeitsteilung. Mit dem Vordringen
der Geldwirtſchaft und des beweglichen Beſitzes, mit der dichteren Bevölkerung, die ihren
Unterhalt auf dem beſetzten Boden immer ſchwieriger findet, mit der Umwandlung des
Kriegsadels in einen Grundbeſitz- und Amtsadel, mit der Schwierigkeit, die Ritterſchaft ſtets
ſchlagfertig und kriegstüchtig zu erhalten, ſie auf entferntere Kriegsſchauplätze zu führen,
beginnt der Kriegsdienſt gegen Geldſold, in den erſt die Söhne der Ritter und die ver-
armten Adeligen, dann die unteren Klaſſen des eigenen Volkes, endlich Fremde, zuletzt
die beſitzloſen Proletarier von überallher eintreten. An den dauernden Solddienſt knüpfen
ſich die großen techniſch-militäriſchen Fortſchritte: das Heer wird ſtehend, der Soldaten-
beruf ein ausſchließlicher Lebensberuf. Nicht nach Familie, Heimat, Grundbeſitz werden
die Leute mehr gruppiert, ſondern nach Fähigkeit, Bewaffnung und Ausbildung; es
entſtehen die adminiſtrativen und taktiſchen Einheiten des Heeres, die Waffenſpecialitäten,
die hierarchiſche Ordnung von Ober-, Unteroffizieren und Mannſchaften. Ein gut
geſchultes ſtehendes Heer von wenigen Prozenten der Bevölkerung reicht jetzt für die
größten Staaten aus. Die ſtehenden Heere machen heute (nach Zahn) zwiſchen 0,1 %
(Vereinigte Staaten) und 3,4 % (Frankreich) der Erwerbsthätigen aus; in Groß-
britannien ſind es 1 %, in Deutſchland 2,8 %. Von der Geſamtbevölkerung wären es
noch weſentlich niedrigere Bruchteile. So iſt der hiſtoriſche Fortſchritt, welcher in der
Einſchränkung des Waffendienſtes in den letzten 2—3000 Jahren liegt, etwa in dem
Zahlenverhältnis auszudrücken: wo einſt 25 % der Bevölkerung, 35—40 % der Erwerbs-
thätigen, zum kriegeriſchen Schutze nötig waren, da reichen heute etwa 0,4—1,12 % der
Bevölkerung, 1—3 % der Erwerbsthätigen aus.

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[332/0348] Zweites Buch. Die geſellſchaftliche Verfaſſung der Volkswirtſchaft. Nur bei einem ſehr niedrigen Grade der wirtſchaftlichen Kultur, bei kleinen Stämmen, bei ſteter Bedrohung oder Wanderung konnten alle Männer Krieger ſein. Die wirtſchaftliche Laſt des Unterhaltes fiel dabei überwiegend auf die Weiber, die Jugend, die alten Leute, die Knechte. Als die höchſte kriegeriſche Leiſtung rechnet man heute, daß 25 % eines Stammes, die Geſamtheit der erwachſenen Männer, in den Krieg zogen; für gewöhnlich werden 15—20 % ſchon eine außerordentlich große Leiſtung geweſen ſein. Jeder Fortſchritt im Landbau und in der Seßhaftigkeit, jede friedliche Kultur, jede Vergrößerung des Stammgebietes drängte zu einer Arbeitsteilung, welche einen Teil der erwachſenen Männer vorübergehend oder dauernd von der kriegeriſchen Arbeit entlaſtete. Es geſchah in der Weiſe, daß kriegeriſche Stämme durch Eroberung und Unterwerfung ſich zum Kriegsadel eines größeren Gebietes machten, wie in Sparta, oder ſo, daß nur die Beſitzer größerer Landloſe noch Kriegsdienſte thaten, wie in Athen oder in Deutſchland mit Einführung des Reiterdienſtes und Lehnsweſens. Die indiſche, ägyptiſche, japaniſche Kriegerkaſte waren Ergebniſſe einer ähnlichen Entwickelung. Wo die Kriege ſeltener wurden, der Kriegsſchauplatz ferner lag, auf die Grenzen ſich beſchränkte, da genügte ein kleiner Teil des Volkes für die kriegeriſche Verteidigung. Aber es war der angeſehene, meiſt mit erheblichem Grundbeſitz ausgeſtattete. Die Entwöhnung des Bauern von der Führung des Schwertes bedeutete für ihn ein beſſeres wirtſchaftliches Fortkommen, aber allerdings auch eine tiefere ſociale Stellung. Die Scheidung des Volkes in einen kriegeriſchen und nicht kriegeriſchen Teil war zugleich eine ſolche in einen befehlenden und einen gehorchenden; denn die Kriegerariſtokratie kam neben den Prieſtern ebenſo an die Spitze des Staates, den ſie allein nach außen verteidigte, wie lokal an die Spitze der Selbſtverwaltung, da ſie allein Ruhe und Ordnung in jenen gewalt- thätigen Zeiten aufrecht erhielt. Ein heroiſches Zeitalter ritterlicher Kultur knüpft ſich an die Tage ihrer Herrſchaft: für Jahrhunderte zerfielen die Völker in die drei Haupt- gruppen der Prieſter, der Krieger, der Bauern und Bürger, wobei jedoch die zwei erſten herrſchenden Klaſſen nur einen mäßigen Bruchteil ausmachten, die Maſſe des übrigen Volkes häufig in eine untergeordnete, abhängige Stellung kam. Mit der Zeit aber geht ein wachſender Teil der Amtsgeſchäfte der Kriegerariſtokratie auf das Beamtentum, ein immer größerer Teil ihrer militäriſchen Thätigkeit auf die mittleren und unteren Klaſſen über. Die größeren techniſchen Anſprüche in beiderlei Richtung erzwingen dieſe weiteren Schritte der Arbeitsteilung. Mit dem Vordringen der Geldwirtſchaft und des beweglichen Beſitzes, mit der dichteren Bevölkerung, die ihren Unterhalt auf dem beſetzten Boden immer ſchwieriger findet, mit der Umwandlung des Kriegsadels in einen Grundbeſitz- und Amtsadel, mit der Schwierigkeit, die Ritterſchaft ſtets ſchlagfertig und kriegstüchtig zu erhalten, ſie auf entferntere Kriegsſchauplätze zu führen, beginnt der Kriegsdienſt gegen Geldſold, in den erſt die Söhne der Ritter und die ver- armten Adeligen, dann die unteren Klaſſen des eigenen Volkes, endlich Fremde, zuletzt die beſitzloſen Proletarier von überallher eintreten. An den dauernden Solddienſt knüpfen ſich die großen techniſch-militäriſchen Fortſchritte: das Heer wird ſtehend, der Soldaten- beruf ein ausſchließlicher Lebensberuf. Nicht nach Familie, Heimat, Grundbeſitz werden die Leute mehr gruppiert, ſondern nach Fähigkeit, Bewaffnung und Ausbildung; es entſtehen die adminiſtrativen und taktiſchen Einheiten des Heeres, die Waffenſpecialitäten, die hierarchiſche Ordnung von Ober-, Unteroffizieren und Mannſchaften. Ein gut geſchultes ſtehendes Heer von wenigen Prozenten der Bevölkerung reicht jetzt für die größten Staaten aus. Die ſtehenden Heere machen heute (nach Zahn) zwiſchen 0,1 % (Vereinigte Staaten) und 3,4 % (Frankreich) der Erwerbsthätigen aus; in Groß- britannien ſind es 1 %, in Deutſchland 2,8 %. Von der Geſamtbevölkerung wären es noch weſentlich niedrigere Bruchteile. So iſt der hiſtoriſche Fortſchritt, welcher in der Einſchränkung des Waffendienſtes in den letzten 2—3000 Jahren liegt, etwa in dem Zahlenverhältnis auszudrücken: wo einſt 25 % der Bevölkerung, 35—40 % der Erwerbs- thätigen, zum kriegeriſchen Schutze nötig waren, da reichen heute etwa 0,4—1,12 % der Bevölkerung, 1—3 % der Erwerbsthätigen aus.

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Bd. 1. Leipzig, 1900, S. 332. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_grundriss01_1900/348>, abgerufen am 28.03.2024.