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Schmoller, Gustav: Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Bd. 1. Leipzig, 1900.

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Zweites Buch. Die gesellschaftliche Verfassung der Volkswirtschaft.
mit abhängt. Notstandsarbeiten im Winter können große Städte viel besser in die
Hand nehmen als der Staat. Wir kommen auf das Armenwesen unten zurück. Für
die Versorgung der Irren und Blinden, für den Bau der Armen-, der Kranken-, der
Waisenhäuser hat man neuerdings meist große Kommunalverbände geschaffen, weil die
einzelne Gemeinde zu klein, zu arm ist, solche Anstalten in zu kleinem Maßstabe anlegen
müßte. Teilweise hat man auch die Feuer-, Hagel-, die Viehversicherung Gemeinden
oder größeren Kommunalkörpern in die Hand gegeben. Die Krankenversicherung, wie
sie neuerdings in vielen Ländern gesetzlich erzwungen wurde, liegt teils in Gemeinde-
händen, teils in den Händen lokaler Kassen, die von der Gemeinde und dem Staate
kontrolliert werden. Auch die Kreditorganisationen für die ärmeren Klassen, die Spar-
kassen, die Pfandleihanstalten, da und dort auch Banken und Pfandbriefinstitute sind
vielfach mit Erfolg in Gemeindehänden.

An einzelnen Punkten hat man die Leistungen der Gemeinde teils heute schon
unentgeltlich gemacht, teils die Unentgeltlichkeit verlangt: man hat da und dort schon
freien Unterricht in der Volksschule gewährt, hauptsächlich im Gesamtbildungsinteresse
der Nation; diskutierte Fragen sind die Unentgeltlichkeit der Lehrmittel, des warmen
Frühstücks und der Bäder für die Schulkinder, dann die des Ärztedienstes und der
Arzneimittel, der Beerdigung für alle; ferner die der Rechtsbelehrung in besonderen
Bureaus, des Arbeitsnachweises. Es handelt sich dabei um kleine sociale Hülfen für die
Ärmeren, um eine Bedürfnisbefriedigung, welche erwünscht ist und doch unterbleibt
oder sehr schwer drückt, sobald direkte Bezahlung gefordert wird. Immer werden solch'
unbezahlte Gemeindedienste nicht sehr weit gehen dürfen, wenn sie nicht die Selbst-
thätigkeit und Selbstverantwortung lähmen sollen.

Wo die Gemeinde, wie jetzt in rasch zunehmender Weise in England und sonst,
Elektricitäts-, Wasser-, Gaswerke, Pferdebahnen in eigener Regie unterhält, wo sie, wie
vereinzelt geschieht, auf Gemeinderechnung Bäckerei, Milch- und Kohlenhandel, Lager-
häuser, Apotheken, Volksküchen betreibt, Wohnungen baut, große vorstädtische Land-
strecken zum Zwecke der Beherrschung des Baugeschäftes kauft, da läßt sie sich mindestens
die Kosten ersetzen und muß das, weil hier der Vorteil für die Benutzer klar und einfach
zu berechnen ist, eine Unterhaltung aus Steuermitteln ungerecht wäre, kommunistische
Begehrlichkeit erzeugte, Fleiß und Sparsamkeit vernichtete. Die Ursache, daß die Ge-
meinde auf den erstgenannten Gebieten vordringt, ist einfach; sie bedient alle gerechter;
sie sucht nicht Wucher- und Monopolgewinne zu machen; sie arbeitet durch centralisierten
Großbetrieb billiger als eine Anzahl konkurrierender Werke; es handelt sich meist um
Unternehmungen, die auch beim Aktienbetrieb des schwerfälligen Apparates zahlreicher
Beamten bedürfen, deren Eigeninteresse teilweise durch Tantiemen belebt werden kann.
Den an zweiter Stelle genannten Zwecken werden sich die Gemeinden nur ausnahms-
weise, wenn besondere Not vorliegt, zuwenden.

b) Die Zwecke und wirtschaftlichen Anstalten, die in Staatshänden ruhen,
sind teils die alten der Macht-, Rechts- und Friedensorganisation mit dem baulichen
und persönlichen Apparat, welcher dazu gehört, teils die neueren der Kultur- und
Wohlfahrtsförderung.

Freilich auch die ersteren wurden nicht immer von den Regierungen auf sich
genommen: erst langsam erwuchs aus Blutrache und Fehde das Gericht, aus dem ört-
lichen das staatliche, aus dem vom Kläger bezahlten der staatlich besoldete Richter; man
hat von einer Verstaatlichung des Gerichtswesens in Preußen gesprochen, die von der
Schaffung des Kammergerichtes bis 1850 gedauert habe. Der Schutz nach außen war
lange nur Sache des Fürsten, da und dort dann solche von privaten Söldnerbanden,
die jedem dienten, der sie bezahlte. Die Entstehung der heutigen Heere, 1650--1870,
hat man auch als Verstaatlichung des Kriegshandwerkes bezeichnet. Der Schutz nach
außen durch Armee und Flotte, nach innen durch Justiz und Polizei kommt so sehr der
Gesamtheit und all' ihrem Leben zu Gute, daß die Kosten durch Steuern aufgebracht
werden müssen; und unter denselben Gesichtspunkten stehen der Finanzdienst, das meiste
staatliche Bauwesen, die Festungen, die Ordnung der Flußläufe und Ähnliches.

Zweites Buch. Die geſellſchaftliche Verfaſſung der Volkswirtſchaft.
mit abhängt. Notſtandsarbeiten im Winter können große Städte viel beſſer in die
Hand nehmen als der Staat. Wir kommen auf das Armenweſen unten zurück. Für
die Verſorgung der Irren und Blinden, für den Bau der Armen-, der Kranken-, der
Waiſenhäuſer hat man neuerdings meiſt große Kommunalverbände geſchaffen, weil die
einzelne Gemeinde zu klein, zu arm iſt, ſolche Anſtalten in zu kleinem Maßſtabe anlegen
müßte. Teilweiſe hat man auch die Feuer-, Hagel-, die Viehverſicherung Gemeinden
oder größeren Kommunalkörpern in die Hand gegeben. Die Krankenverſicherung, wie
ſie neuerdings in vielen Ländern geſetzlich erzwungen wurde, liegt teils in Gemeinde-
händen, teils in den Händen lokaler Kaſſen, die von der Gemeinde und dem Staate
kontrolliert werden. Auch die Kreditorganiſationen für die ärmeren Klaſſen, die Spar-
kaſſen, die Pfandleihanſtalten, da und dort auch Banken und Pfandbriefinſtitute ſind
vielfach mit Erfolg in Gemeindehänden.

An einzelnen Punkten hat man die Leiſtungen der Gemeinde teils heute ſchon
unentgeltlich gemacht, teils die Unentgeltlichkeit verlangt: man hat da und dort ſchon
freien Unterricht in der Volksſchule gewährt, hauptſächlich im Geſamtbildungsintereſſe
der Nation; diskutierte Fragen ſind die Unentgeltlichkeit der Lehrmittel, des warmen
Frühſtücks und der Bäder für die Schulkinder, dann die des Ärztedienſtes und der
Arzneimittel, der Beerdigung für alle; ferner die der Rechtsbelehrung in beſonderen
Bureaus, des Arbeitsnachweiſes. Es handelt ſich dabei um kleine ſociale Hülfen für die
Ärmeren, um eine Bedürfnisbefriedigung, welche erwünſcht iſt und doch unterbleibt
oder ſehr ſchwer drückt, ſobald direkte Bezahlung gefordert wird. Immer werden ſolch’
unbezahlte Gemeindedienſte nicht ſehr weit gehen dürfen, wenn ſie nicht die Selbſt-
thätigkeit und Selbſtverantwortung lähmen ſollen.

Wo die Gemeinde, wie jetzt in raſch zunehmender Weiſe in England und ſonſt,
Elektricitäts-, Waſſer-, Gaswerke, Pferdebahnen in eigener Regie unterhält, wo ſie, wie
vereinzelt geſchieht, auf Gemeinderechnung Bäckerei, Milch- und Kohlenhandel, Lager-
häuſer, Apotheken, Volksküchen betreibt, Wohnungen baut, große vorſtädtiſche Land-
ſtrecken zum Zwecke der Beherrſchung des Baugeſchäftes kauft, da läßt ſie ſich mindeſtens
die Koſten erſetzen und muß das, weil hier der Vorteil für die Benutzer klar und einfach
zu berechnen iſt, eine Unterhaltung aus Steuermitteln ungerecht wäre, kommuniſtiſche
Begehrlichkeit erzeugte, Fleiß und Sparſamkeit vernichtete. Die Urſache, daß die Ge-
meinde auf den erſtgenannten Gebieten vordringt, iſt einfach; ſie bedient alle gerechter;
ſie ſucht nicht Wucher- und Monopolgewinne zu machen; ſie arbeitet durch centraliſierten
Großbetrieb billiger als eine Anzahl konkurrierender Werke; es handelt ſich meiſt um
Unternehmungen, die auch beim Aktienbetrieb des ſchwerfälligen Apparates zahlreicher
Beamten bedürfen, deren Eigenintereſſe teilweiſe durch Tantiemen belebt werden kann.
Den an zweiter Stelle genannten Zwecken werden ſich die Gemeinden nur ausnahms-
weiſe, wenn beſondere Not vorliegt, zuwenden.

b) Die Zwecke und wirtſchaftlichen Anſtalten, die in Staatshänden ruhen,
ſind teils die alten der Macht-, Rechts- und Friedensorganiſation mit dem baulichen
und perſönlichen Apparat, welcher dazu gehört, teils die neueren der Kultur- und
Wohlfahrtsförderung.

Freilich auch die erſteren wurden nicht immer von den Regierungen auf ſich
genommen: erſt langſam erwuchs aus Blutrache und Fehde das Gericht, aus dem ört-
lichen das ſtaatliche, aus dem vom Kläger bezahlten der ſtaatlich beſoldete Richter; man
hat von einer Verſtaatlichung des Gerichtsweſens in Preußen geſprochen, die von der
Schaffung des Kammergerichtes bis 1850 gedauert habe. Der Schutz nach außen war
lange nur Sache des Fürſten, da und dort dann ſolche von privaten Söldnerbanden,
die jedem dienten, der ſie bezahlte. Die Entſtehung der heutigen Heere, 1650—1870,
hat man auch als Verſtaatlichung des Kriegshandwerkes bezeichnet. Der Schutz nach
außen durch Armee und Flotte, nach innen durch Juſtiz und Polizei kommt ſo ſehr der
Geſamtheit und all’ ihrem Leben zu Gute, daß die Koſten durch Steuern aufgebracht
werden müſſen; und unter denſelben Geſichtspunkten ſtehen der Finanzdienſt, das meiſte
ſtaatliche Bauweſen, die Feſtungen, die Ordnung der Flußläufe und Ähnliches.

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[320/0336] Zweites Buch. Die geſellſchaftliche Verfaſſung der Volkswirtſchaft. mit abhängt. Notſtandsarbeiten im Winter können große Städte viel beſſer in die Hand nehmen als der Staat. Wir kommen auf das Armenweſen unten zurück. Für die Verſorgung der Irren und Blinden, für den Bau der Armen-, der Kranken-, der Waiſenhäuſer hat man neuerdings meiſt große Kommunalverbände geſchaffen, weil die einzelne Gemeinde zu klein, zu arm iſt, ſolche Anſtalten in zu kleinem Maßſtabe anlegen müßte. Teilweiſe hat man auch die Feuer-, Hagel-, die Viehverſicherung Gemeinden oder größeren Kommunalkörpern in die Hand gegeben. Die Krankenverſicherung, wie ſie neuerdings in vielen Ländern geſetzlich erzwungen wurde, liegt teils in Gemeinde- händen, teils in den Händen lokaler Kaſſen, die von der Gemeinde und dem Staate kontrolliert werden. Auch die Kreditorganiſationen für die ärmeren Klaſſen, die Spar- kaſſen, die Pfandleihanſtalten, da und dort auch Banken und Pfandbriefinſtitute ſind vielfach mit Erfolg in Gemeindehänden. An einzelnen Punkten hat man die Leiſtungen der Gemeinde teils heute ſchon unentgeltlich gemacht, teils die Unentgeltlichkeit verlangt: man hat da und dort ſchon freien Unterricht in der Volksſchule gewährt, hauptſächlich im Geſamtbildungsintereſſe der Nation; diskutierte Fragen ſind die Unentgeltlichkeit der Lehrmittel, des warmen Frühſtücks und der Bäder für die Schulkinder, dann die des Ärztedienſtes und der Arzneimittel, der Beerdigung für alle; ferner die der Rechtsbelehrung in beſonderen Bureaus, des Arbeitsnachweiſes. Es handelt ſich dabei um kleine ſociale Hülfen für die Ärmeren, um eine Bedürfnisbefriedigung, welche erwünſcht iſt und doch unterbleibt oder ſehr ſchwer drückt, ſobald direkte Bezahlung gefordert wird. Immer werden ſolch’ unbezahlte Gemeindedienſte nicht ſehr weit gehen dürfen, wenn ſie nicht die Selbſt- thätigkeit und Selbſtverantwortung lähmen ſollen. Wo die Gemeinde, wie jetzt in raſch zunehmender Weiſe in England und ſonſt, Elektricitäts-, Waſſer-, Gaswerke, Pferdebahnen in eigener Regie unterhält, wo ſie, wie vereinzelt geſchieht, auf Gemeinderechnung Bäckerei, Milch- und Kohlenhandel, Lager- häuſer, Apotheken, Volksküchen betreibt, Wohnungen baut, große vorſtädtiſche Land- ſtrecken zum Zwecke der Beherrſchung des Baugeſchäftes kauft, da läßt ſie ſich mindeſtens die Koſten erſetzen und muß das, weil hier der Vorteil für die Benutzer klar und einfach zu berechnen iſt, eine Unterhaltung aus Steuermitteln ungerecht wäre, kommuniſtiſche Begehrlichkeit erzeugte, Fleiß und Sparſamkeit vernichtete. Die Urſache, daß die Ge- meinde auf den erſtgenannten Gebieten vordringt, iſt einfach; ſie bedient alle gerechter; ſie ſucht nicht Wucher- und Monopolgewinne zu machen; ſie arbeitet durch centraliſierten Großbetrieb billiger als eine Anzahl konkurrierender Werke; es handelt ſich meiſt um Unternehmungen, die auch beim Aktienbetrieb des ſchwerfälligen Apparates zahlreicher Beamten bedürfen, deren Eigenintereſſe teilweiſe durch Tantiemen belebt werden kann. Den an zweiter Stelle genannten Zwecken werden ſich die Gemeinden nur ausnahms- weiſe, wenn beſondere Not vorliegt, zuwenden. b) Die Zwecke und wirtſchaftlichen Anſtalten, die in Staatshänden ruhen, ſind teils die alten der Macht-, Rechts- und Friedensorganiſation mit dem baulichen und perſönlichen Apparat, welcher dazu gehört, teils die neueren der Kultur- und Wohlfahrtsförderung. Freilich auch die erſteren wurden nicht immer von den Regierungen auf ſich genommen: erſt langſam erwuchs aus Blutrache und Fehde das Gericht, aus dem ört- lichen das ſtaatliche, aus dem vom Kläger bezahlten der ſtaatlich beſoldete Richter; man hat von einer Verſtaatlichung des Gerichtsweſens in Preußen geſprochen, die von der Schaffung des Kammergerichtes bis 1850 gedauert habe. Der Schutz nach außen war lange nur Sache des Fürſten, da und dort dann ſolche von privaten Söldnerbanden, die jedem dienten, der ſie bezahlte. Die Entſtehung der heutigen Heere, 1650—1870, hat man auch als Verſtaatlichung des Kriegshandwerkes bezeichnet. Der Schutz nach außen durch Armee und Flotte, nach innen durch Juſtiz und Polizei kommt ſo ſehr der Geſamtheit und all’ ihrem Leben zu Gute, daß die Koſten durch Steuern aufgebracht werden müſſen; und unter denſelben Geſichtspunkten ſtehen der Finanzdienſt, das meiſte ſtaatliche Bauweſen, die Feſtungen, die Ordnung der Flußläufe und Ähnliches.

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Bd. 1. Leipzig, 1900, S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_grundriss01_1900/336>, abgerufen am 19.04.2024.