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Schmoller, Gustav: Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Bd. 1. Leipzig, 1900.

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Die Auflösung der staatlichen Naturalwirtschaft. Die Domänenwirtschaft.
und die modischen Theorien von der Vorzüglichkeit des privaten Eigentums zu neuen
großen Veräußerungen des Domänenbesitzes, der staatlichen Forsten, Bergwerke und
Salinen da und dort führten, so haben doch auch heute noch manche, zumal viele
deutsche Staaten einen großen, durch das Staatseisenbahnsystem wieder sehr gesteigerten
Domänen- und fiskalischen Besitz, der die finanzielle Stärke der betreffenden Staaten
ausmacht, dieselbe gegenüber England, Frankreich, Österreich und ähnlichen, von solchem
Eigentume fast ganz entblößten Staaten sehr erhöht.

Im preußischen Etat von 1900 mit 2326 Mill. Mark Brutto- und 1275 Mill. Mark
Nettoeinnahme stehen die Domänen und Forsten mit 45 Mill., die Einnahmen aus
Gewerbebetrieben und Eisenbahnen mit 552 Mill., die Steuern und steuerartigen Ein-
nahmen mit 225 Mill. Mark Nettoeinnahme. Im französischen Etat für 1890 stehen
die Steuern mit 2564, die Staatsmonopole mit 691, die Domänen und Forsten mit
64 Mill. Francs, bei einer Gesamteinnahme von 3423 Mill. Der preußische Staat
würde noch einige Dutzend, vielleicht gar hundert Millionen Mark mehr aus dem alten
Obereigentums- und Regalrecht an den Kohlen- und Erzschätzen des Grund und Bodens
einnehmen, wenn er bei Erlaß der liberalen neuen Berggesetzgebung, welche allerdings
unsere glänzende große Aktien- und Gewerkschaftsentwickelung im Bergwesen schuf, etwas
vorsichtiger die fiskalischen Interessen gewahrt hätte. --

Die alte Naturaldienstverfassung war mehr öffentlichrechtlicher, die Domänen-
wirtschaft mehr privatrechtlicher Natur; doch wurde auch die letztere teilweise durch
staatliche Vorrechte (Regalien, staatliche Monopole für einzelne fiskalische Betriebe, wie
die Post) halb öffentlichrechtlicher Natur. Bei der Auflösung der beiden alten Ein-
richtungen hat der Staat vielfach sich nicht anders zu helfen gewußt, als indem er für
eine steigende Zahl wirtschaftlicher Betriebe, die er in Händen hatte, sich solche Vorrechte
der Verfügungsgewalt, der Produktion, des Absatzes (Regalien, Monopole etc.) beilegte.
Man hat deshalb gesagt, den Übergang von der älteren Finanzwirtschaft zur neueren
Steuerwirtschaft bilde die Epoche der Regalwirtschaft; sie hat zu vielen Mißbräuchen,
z. B. dem Ämterverkauf, der Verpachtung der staatlichen Vorrechte auf einzelne Gewerbe-
betriebe, zu einer übertriebenen, oft harten Konkurrenz des Staates mit den Privat-
wirtschaften Anlaß gegeben.

Die ältere Naturaldienstverfassung griff dadurch in alles volkswirtschaftliche Leben
aufs tiefste ein, daß sie durch ihre Ordnungen und Forderungen gleichsam täglich und
stündlich jede freie Verfügung aller privaten Wirtschaft hinderte; die Volkswirtschaft
und die Grundeigentumsverteilung solcher Zeiten und Gebiete war bestimmt durch die
Kriegs- und Dienstverfassung. Die ältere Domänenwirtschaft, und was an fiskalischem
Besitz und Betrieb an sie sich anschloß, erzeugte einen volkswirtschaftlichen Zustand,
wobei ein Teil des wirtschaftlichen Lebens, das Kammergut, in sehr viel größere Ab-
hängigkeit von der Regierung kam, der übrige Teil aber einer freien Bewegung überlassen
wurde. Im Preußen des 18. Jahrhunderts war 1/3 --1/4 des Staatsgebietes Kammergut,
der Rest war grund- und gutsherrlich oder städtisch. Machte das Domanium einen
noch größeren Teil des Landes aus, so bekam die ganze Volkswirtschaft einen grund-
herrlich-fiskalischen Charakter. Die größten socialen und politischen Kämpfe knüpften
sich da und dort an die rechtliche Natur des Kammergutes, an seine Teilung zwischen
Kirche und Staat, Adel und Fürstentum, Staat und Fürstenfamilie an.

Heute sind diese Zustände im ganzen überwunden. Die Geldwirtschaft, die moderne
Erwerbsordnung, die Steuerwirtschaft haben das freie Getriebe der Privatwirtschaften
und den Staatshaushalt unabhängiger nebeneinander gestellt. Soweit Domänen, Staats-
gewerbe, staatliche Eisenbahnen heute vorhanden sind, ist ihr erster Zweck nicht der
fiskalische, sondern ein allgemein volkswirtschaftlicher. Man glaubt, daß die staatliche
Verwaltung das technisch und wirtschaftlich Bessere sei.

Unbezahlte oder halbbezahlte Zwangsdienste, Naturalabgaben und -leistungen sind
mit der allgemeinen Wehrpflicht, der neuen Selbstverwaltung, der Ordnung des Ein-
quartierungs- und Mobilmachungswesens, dem Feuerlöschwesen, der Ordnung des Schutzes

Schmoller, Grundriß der Volkswirtschaftslehre. I. 20

Die Auflöſung der ſtaatlichen Naturalwirtſchaft. Die Domänenwirtſchaft.
und die modiſchen Theorien von der Vorzüglichkeit des privaten Eigentums zu neuen
großen Veräußerungen des Domänenbeſitzes, der ſtaatlichen Forſten, Bergwerke und
Salinen da und dort führten, ſo haben doch auch heute noch manche, zumal viele
deutſche Staaten einen großen, durch das Staatseiſenbahnſyſtem wieder ſehr geſteigerten
Domänen- und fiskaliſchen Beſitz, der die finanzielle Stärke der betreffenden Staaten
ausmacht, dieſelbe gegenüber England, Frankreich, Öſterreich und ähnlichen, von ſolchem
Eigentume faſt ganz entblößten Staaten ſehr erhöht.

Im preußiſchen Etat von 1900 mit 2326 Mill. Mark Brutto- und 1275 Mill. Mark
Nettoeinnahme ſtehen die Domänen und Forſten mit 45 Mill., die Einnahmen aus
Gewerbebetrieben und Eiſenbahnen mit 552 Mill., die Steuern und ſteuerartigen Ein-
nahmen mit 225 Mill. Mark Nettoeinnahme. Im franzöſiſchen Etat für 1890 ſtehen
die Steuern mit 2564, die Staatsmonopole mit 691, die Domänen und Forſten mit
64 Mill. Francs, bei einer Geſamteinnahme von 3423 Mill. Der preußiſche Staat
würde noch einige Dutzend, vielleicht gar hundert Millionen Mark mehr aus dem alten
Obereigentums- und Regalrecht an den Kohlen- und Erzſchätzen des Grund und Bodens
einnehmen, wenn er bei Erlaß der liberalen neuen Berggeſetzgebung, welche allerdings
unſere glänzende große Aktien- und Gewerkſchaftsentwickelung im Bergweſen ſchuf, etwas
vorſichtiger die fiskaliſchen Intereſſen gewahrt hätte. —

Die alte Naturaldienſtverfaſſung war mehr öffentlichrechtlicher, die Domänen-
wirtſchaft mehr privatrechtlicher Natur; doch wurde auch die letztere teilweiſe durch
ſtaatliche Vorrechte (Regalien, ſtaatliche Monopole für einzelne fiskaliſche Betriebe, wie
die Poſt) halb öffentlichrechtlicher Natur. Bei der Auflöſung der beiden alten Ein-
richtungen hat der Staat vielfach ſich nicht anders zu helfen gewußt, als indem er für
eine ſteigende Zahl wirtſchaftlicher Betriebe, die er in Händen hatte, ſich ſolche Vorrechte
der Verfügungsgewalt, der Produktion, des Abſatzes (Regalien, Monopole ꝛc.) beilegte.
Man hat deshalb geſagt, den Übergang von der älteren Finanzwirtſchaft zur neueren
Steuerwirtſchaft bilde die Epoche der Regalwirtſchaft; ſie hat zu vielen Mißbräuchen,
z. B. dem Ämterverkauf, der Verpachtung der ſtaatlichen Vorrechte auf einzelne Gewerbe-
betriebe, zu einer übertriebenen, oft harten Konkurrenz des Staates mit den Privat-
wirtſchaften Anlaß gegeben.

Die ältere Naturaldienſtverfaſſung griff dadurch in alles volkswirtſchaftliche Leben
aufs tiefſte ein, daß ſie durch ihre Ordnungen und Forderungen gleichſam täglich und
ſtündlich jede freie Verfügung aller privaten Wirtſchaft hinderte; die Volkswirtſchaft
und die Grundeigentumsverteilung ſolcher Zeiten und Gebiete war beſtimmt durch die
Kriegs- und Dienſtverfaſſung. Die ältere Domänenwirtſchaft, und was an fiskaliſchem
Beſitz und Betrieb an ſie ſich anſchloß, erzeugte einen volkswirtſchaftlichen Zuſtand,
wobei ein Teil des wirtſchaftlichen Lebens, das Kammergut, in ſehr viel größere Ab-
hängigkeit von der Regierung kam, der übrige Teil aber einer freien Bewegung überlaſſen
wurde. Im Preußen des 18. Jahrhunderts war ⅓—¼ des Staatsgebietes Kammergut,
der Reſt war grund- und gutsherrlich oder ſtädtiſch. Machte das Domanium einen
noch größeren Teil des Landes aus, ſo bekam die ganze Volkswirtſchaft einen grund-
herrlich-fiskaliſchen Charakter. Die größten ſocialen und politiſchen Kämpfe knüpften
ſich da und dort an die rechtliche Natur des Kammergutes, an ſeine Teilung zwiſchen
Kirche und Staat, Adel und Fürſtentum, Staat und Fürſtenfamilie an.

Heute ſind dieſe Zuſtände im ganzen überwunden. Die Geldwirtſchaft, die moderne
Erwerbsordnung, die Steuerwirtſchaft haben das freie Getriebe der Privatwirtſchaften
und den Staatshaushalt unabhängiger nebeneinander geſtellt. Soweit Domänen, Staats-
gewerbe, ſtaatliche Eiſenbahnen heute vorhanden ſind, iſt ihr erſter Zweck nicht der
fiskaliſche, ſondern ein allgemein volkswirtſchaftlicher. Man glaubt, daß die ſtaatliche
Verwaltung das techniſch und wirtſchaftlich Beſſere ſei.

Unbezahlte oder halbbezahlte Zwangsdienſte, Naturalabgaben und -leiſtungen ſind
mit der allgemeinen Wehrpflicht, der neuen Selbſtverwaltung, der Ordnung des Ein-
quartierungs- und Mobilmachungsweſens, dem Feuerlöſchweſen, der Ordnung des Schutzes

Schmoller, Grundriß der Volkswirtſchaftslehre. I. 20
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[305/0321] Die Auflöſung der ſtaatlichen Naturalwirtſchaft. Die Domänenwirtſchaft. und die modiſchen Theorien von der Vorzüglichkeit des privaten Eigentums zu neuen großen Veräußerungen des Domänenbeſitzes, der ſtaatlichen Forſten, Bergwerke und Salinen da und dort führten, ſo haben doch auch heute noch manche, zumal viele deutſche Staaten einen großen, durch das Staatseiſenbahnſyſtem wieder ſehr geſteigerten Domänen- und fiskaliſchen Beſitz, der die finanzielle Stärke der betreffenden Staaten ausmacht, dieſelbe gegenüber England, Frankreich, Öſterreich und ähnlichen, von ſolchem Eigentume faſt ganz entblößten Staaten ſehr erhöht. Im preußiſchen Etat von 1900 mit 2326 Mill. Mark Brutto- und 1275 Mill. Mark Nettoeinnahme ſtehen die Domänen und Forſten mit 45 Mill., die Einnahmen aus Gewerbebetrieben und Eiſenbahnen mit 552 Mill., die Steuern und ſteuerartigen Ein- nahmen mit 225 Mill. Mark Nettoeinnahme. Im franzöſiſchen Etat für 1890 ſtehen die Steuern mit 2564, die Staatsmonopole mit 691, die Domänen und Forſten mit 64 Mill. Francs, bei einer Geſamteinnahme von 3423 Mill. Der preußiſche Staat würde noch einige Dutzend, vielleicht gar hundert Millionen Mark mehr aus dem alten Obereigentums- und Regalrecht an den Kohlen- und Erzſchätzen des Grund und Bodens einnehmen, wenn er bei Erlaß der liberalen neuen Berggeſetzgebung, welche allerdings unſere glänzende große Aktien- und Gewerkſchaftsentwickelung im Bergweſen ſchuf, etwas vorſichtiger die fiskaliſchen Intereſſen gewahrt hätte. — Die alte Naturaldienſtverfaſſung war mehr öffentlichrechtlicher, die Domänen- wirtſchaft mehr privatrechtlicher Natur; doch wurde auch die letztere teilweiſe durch ſtaatliche Vorrechte (Regalien, ſtaatliche Monopole für einzelne fiskaliſche Betriebe, wie die Poſt) halb öffentlichrechtlicher Natur. Bei der Auflöſung der beiden alten Ein- richtungen hat der Staat vielfach ſich nicht anders zu helfen gewußt, als indem er für eine ſteigende Zahl wirtſchaftlicher Betriebe, die er in Händen hatte, ſich ſolche Vorrechte der Verfügungsgewalt, der Produktion, des Abſatzes (Regalien, Monopole ꝛc.) beilegte. Man hat deshalb geſagt, den Übergang von der älteren Finanzwirtſchaft zur neueren Steuerwirtſchaft bilde die Epoche der Regalwirtſchaft; ſie hat zu vielen Mißbräuchen, z. B. dem Ämterverkauf, der Verpachtung der ſtaatlichen Vorrechte auf einzelne Gewerbe- betriebe, zu einer übertriebenen, oft harten Konkurrenz des Staates mit den Privat- wirtſchaften Anlaß gegeben. Die ältere Naturaldienſtverfaſſung griff dadurch in alles volkswirtſchaftliche Leben aufs tiefſte ein, daß ſie durch ihre Ordnungen und Forderungen gleichſam täglich und ſtündlich jede freie Verfügung aller privaten Wirtſchaft hinderte; die Volkswirtſchaft und die Grundeigentumsverteilung ſolcher Zeiten und Gebiete war beſtimmt durch die Kriegs- und Dienſtverfaſſung. Die ältere Domänenwirtſchaft, und was an fiskaliſchem Beſitz und Betrieb an ſie ſich anſchloß, erzeugte einen volkswirtſchaftlichen Zuſtand, wobei ein Teil des wirtſchaftlichen Lebens, das Kammergut, in ſehr viel größere Ab- hängigkeit von der Regierung kam, der übrige Teil aber einer freien Bewegung überlaſſen wurde. Im Preußen des 18. Jahrhunderts war ⅓—¼ des Staatsgebietes Kammergut, der Reſt war grund- und gutsherrlich oder ſtädtiſch. Machte das Domanium einen noch größeren Teil des Landes aus, ſo bekam die ganze Volkswirtſchaft einen grund- herrlich-fiskaliſchen Charakter. Die größten ſocialen und politiſchen Kämpfe knüpften ſich da und dort an die rechtliche Natur des Kammergutes, an ſeine Teilung zwiſchen Kirche und Staat, Adel und Fürſtentum, Staat und Fürſtenfamilie an. Heute ſind dieſe Zuſtände im ganzen überwunden. Die Geldwirtſchaft, die moderne Erwerbsordnung, die Steuerwirtſchaft haben das freie Getriebe der Privatwirtſchaften und den Staatshaushalt unabhängiger nebeneinander geſtellt. Soweit Domänen, Staats- gewerbe, ſtaatliche Eiſenbahnen heute vorhanden ſind, iſt ihr erſter Zweck nicht der fiskaliſche, ſondern ein allgemein volkswirtſchaftlicher. Man glaubt, daß die ſtaatliche Verwaltung das techniſch und wirtſchaftlich Beſſere ſei. Unbezahlte oder halbbezahlte Zwangsdienſte, Naturalabgaben und -leiſtungen ſind mit der allgemeinen Wehrpflicht, der neuen Selbſtverwaltung, der Ordnung des Ein- quartierungs- und Mobilmachungsweſens, dem Feuerlöſchweſen, der Ordnung des Schutzes Schmoller, Grundriß der Volkswirtſchaftslehre. I. 20

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Bd. 1. Leipzig, 1900, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_grundriss01_1900/321>, abgerufen am 24.04.2024.