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Schmoller, Gustav: Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Bd. 1. Leipzig, 1900.

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Zweites Buch. Die gesellschaftliche Verfassung der Volkswirtschaft.
bildung und Leistungsfähigkeit der finanziellen Organisation; aber sie bieten doch zur
Vergleichung einen festen Anhalt, so schwankend auch der Geldwert, so zweifelhaft viel-
fach die Umrechnung älterer Münzen auf die heutige deutsche Mark sein mag; wir haben
für die ältere Zeit nur Zahlen über die verfügbaren reinen Überschüsse der Central-
regierung (Nettoeinnahmen), für spätere meist Angaben über die gesamten Staats-
einnahmen (Bruttobudgets). Besser als keine Angaben sind die Zahlen doch.

Die Ausbeute an Nachrichten für die älteren Zeiten ist sehr gering. Attika hatte
2653 Geviertkilometer und 250000 Seelen beim Ausbruche des peloponnesischen Krieges;
Xenophon giebt ihm für diesen Zeitpunkt 1000 Talente (5 Mill. Mark) Staatseinnahme,
wovon aber 600 auf die Tribute der unterworfenen und bündischen Städtegebiete fielen,
deren Hunderte gezählt wurden; die Einnahmen stiegen dann auf 2000 Talente, und
sie sollen später unter der sparsamen Verwaltung Lykurgs ohne Tribute wieder 1200
betragen haben. Rom hatte am Ende der Königsherrschaft ein Gebiet von 983,
340 v. Chr. von 3096, vor dem zweiten Samniterkriege von 6039 Geviertkilometern
und nicht mehr als 1/2--1 Mill. Seelen. Seine finanzielle und militärische Kraft
ruhte damals auch schon auf den Bundesverhältnissen, obwohl es erst so groß war wie
ein kleiner preußischer Regierungsbezirk, obwohl es, noch wie Attika in seiner älteren
Zeit, einer heutigen großen Kommune näher als einem heutigen Staate stand; seine
Hauptausgaben waren, wie in jener, die für Bauten; aber freilich die eigene Politik
und die selbständigen Kriege unterscheiden beide von heutigen Großstädten oder Kan-
tonen. Ägypten hatte schon vor der griechischen Herrschaft hochentwickelte Finanzen; es
war in seiner besten Zeit ein Land mit 3--7 Mill. Menschen, die auf etwa 27000 Geviert-
kilometern kulturfähigen Landes, auf einer Fläche wie die der Rheinprovinz saßen; es hatte
unter den griechischen Herrschern eine jährliche Regierungseinnahme von 8--14000 Ta-
lenten, d. h. 29--50 Mill. Mark. Auch darunter steckten sicher viele Tribute, die von
auswärts kamen. Immer war es ein einheitlicheres Reich als etwa Persien unter
Dareios, das nach M. Duncker 46,5 Mill. Mark Grundsteuer einnahm, einen Hofhalt
hatte, der 66 Mill. Mark kostete. Das römische Reich, das beim Tode von August
3,3 Mill. Geviertkilometer und 54 Mill. Einwohner umfaßte, soll in der Zeit von
Augustus bis Konstantin nach den einen nur etwa 30, nach den anderen bis 360 Mill.
Mark jährlich an Reichsausgaben gehabt haben. Aber es hätte, wenn es eine einheitliche
Volks- und Staatswirtschaft wie unsere modernen Staaten dargestellt hätte, nicht viel-
mehr ein Civitäten- und Provinzenbund mit führender Spitze gewesen wäre, auch mit
der zehnfach größeren Summe nicht gereicht. Die auswärtige Politik, die großen Straßen,
die Armee, die Grenzverteidigung, die Oberleitung der Provinzen und gewisse Steuern
waren im römischen Reiche einheitlich, alles übrige politisch-wirtschaftliche Leben war
Sache der Stadtbezirke und der Städtebündnisse.

Im Mittelalter sind es die größeren Städte einerseits, die fürstlichen Territorien
andererseits, von denen wir zuerst wieder Gebietsgröße, Menschenzahl und Finanzkraft
einigermaßen fest erfassen können. Die Städte haben meist ein viel kleineres Gebiet als
im Altertume; 100--500 Geviertkilometer sind schon viel; aber sie haben mit 10 oder
20, höchstens 40--50000 Seelen durch ihre Geld- und Kreditwirtschaft bereits einen
außerordentlichen Einfluß; Basel giebt im 15. Jahrhundert jährlich in Friedenszeiten
100--160000, in kriegerischen 200--260000 Mark aus, Hamburg 1350 35000, 1400
102000 Mark, Köln 1370 114000, 1392 44139 Mark (Stieda); Hamburgs Aus-
gaben steigen im 16. Jahrhundert einmal schon pro Jahr auf 759000 Mark. Venedig
hat bei mäßigem italienischem, freilich großem Kolonialgebiet 1423 1 Mill. Dukaten
Staatseinnahmen (also etwa 10 Mill. Mark), der Papst gegen 1450 0,5--0,6, Mailand
0,6, Florenz 0,3 Mill. Dukaten. Die deutschen Kurfürsten werden im 13. Jahrhundert
bei Gebieten von etwa 5500--27000 Geviertkilometern mit Seelenzahlen von wahr-
scheinlich keiner halben Million auf 3000--50000 damalige Mark Einkommen geschätzt;
das sind je nach der Gewichts- oder Zählmark (a 33 oder 16,5 heutige Mark) 50 oder
100000 bis 0,8 oder 1,6 Mill. Mark. Die kleineren Kurfürsten stehen also unter den Städten.
Alle gut regierten Staaten vom 13.--17. Jahrhundert waren Territorialgebiete, Klein-

Zweites Buch. Die geſellſchaftliche Verfaſſung der Volkswirtſchaft.
bildung und Leiſtungsfähigkeit der finanziellen Organiſation; aber ſie bieten doch zur
Vergleichung einen feſten Anhalt, ſo ſchwankend auch der Geldwert, ſo zweifelhaft viel-
fach die Umrechnung älterer Münzen auf die heutige deutſche Mark ſein mag; wir haben
für die ältere Zeit nur Zahlen über die verfügbaren reinen Überſchüſſe der Central-
regierung (Nettoeinnahmen), für ſpätere meiſt Angaben über die geſamten Staats-
einnahmen (Bruttobudgets). Beſſer als keine Angaben ſind die Zahlen doch.

Die Ausbeute an Nachrichten für die älteren Zeiten iſt ſehr gering. Attika hatte
2653 Geviertkilometer und 250000 Seelen beim Ausbruche des peloponneſiſchen Krieges;
Xenophon giebt ihm für dieſen Zeitpunkt 1000 Talente (5 Mill. Mark) Staatseinnahme,
wovon aber 600 auf die Tribute der unterworfenen und bündiſchen Städtegebiete fielen,
deren Hunderte gezählt wurden; die Einnahmen ſtiegen dann auf 2000 Talente, und
ſie ſollen ſpäter unter der ſparſamen Verwaltung Lykurgs ohne Tribute wieder 1200
betragen haben. Rom hatte am Ende der Königsherrſchaft ein Gebiet von 983,
340 v. Chr. von 3096, vor dem zweiten Samniterkriege von 6039 Geviertkilometern
und nicht mehr als ½—1 Mill. Seelen. Seine finanzielle und militäriſche Kraft
ruhte damals auch ſchon auf den Bundesverhältniſſen, obwohl es erſt ſo groß war wie
ein kleiner preußiſcher Regierungsbezirk, obwohl es, noch wie Attika in ſeiner älteren
Zeit, einer heutigen großen Kommune näher als einem heutigen Staate ſtand; ſeine
Hauptausgaben waren, wie in jener, die für Bauten; aber freilich die eigene Politik
und die ſelbſtändigen Kriege unterſcheiden beide von heutigen Großſtädten oder Kan-
tonen. Ägypten hatte ſchon vor der griechiſchen Herrſchaft hochentwickelte Finanzen; es
war in ſeiner beſten Zeit ein Land mit 3—7 Mill. Menſchen, die auf etwa 27000 Geviert-
kilometern kulturfähigen Landes, auf einer Fläche wie die der Rheinprovinz ſaßen; es hatte
unter den griechiſchen Herrſchern eine jährliche Regierungseinnahme von 8—14000 Ta-
lenten, d. h. 29—50 Mill. Mark. Auch darunter ſteckten ſicher viele Tribute, die von
auswärts kamen. Immer war es ein einheitlicheres Reich als etwa Perſien unter
Dareios, das nach M. Duncker 46,5 Mill. Mark Grundſteuer einnahm, einen Hofhalt
hatte, der 66 Mill. Mark koſtete. Das römiſche Reich, das beim Tode von Auguſt
3,3 Mill. Geviertkilometer und 54 Mill. Einwohner umfaßte, ſoll in der Zeit von
Auguſtus bis Konſtantin nach den einen nur etwa 30, nach den anderen bis 360 Mill.
Mark jährlich an Reichsausgaben gehabt haben. Aber es hätte, wenn es eine einheitliche
Volks- und Staatswirtſchaft wie unſere modernen Staaten dargeſtellt hätte, nicht viel-
mehr ein Civitäten- und Provinzenbund mit führender Spitze geweſen wäre, auch mit
der zehnfach größeren Summe nicht gereicht. Die auswärtige Politik, die großen Straßen,
die Armee, die Grenzverteidigung, die Oberleitung der Provinzen und gewiſſe Steuern
waren im römiſchen Reiche einheitlich, alles übrige politiſch-wirtſchaftliche Leben war
Sache der Stadtbezirke und der Städtebündniſſe.

Im Mittelalter ſind es die größeren Städte einerſeits, die fürſtlichen Territorien
andererſeits, von denen wir zuerſt wieder Gebietsgröße, Menſchenzahl und Finanzkraft
einigermaßen feſt erfaſſen können. Die Städte haben meiſt ein viel kleineres Gebiet als
im Altertume; 100—500 Geviertkilometer ſind ſchon viel; aber ſie haben mit 10 oder
20, höchſtens 40—50000 Seelen durch ihre Geld- und Kreditwirtſchaft bereits einen
außerordentlichen Einfluß; Baſel giebt im 15. Jahrhundert jährlich in Friedenszeiten
100—160000, in kriegeriſchen 200—260000 Mark aus, Hamburg 1350 35000, 1400
102000 Mark, Köln 1370 114000, 1392 44139 Mark (Stieda); Hamburgs Aus-
gaben ſteigen im 16. Jahrhundert einmal ſchon pro Jahr auf 759000 Mark. Venedig
hat bei mäßigem italieniſchem, freilich großem Kolonialgebiet 1423 1 Mill. Dukaten
Staatseinnahmen (alſo etwa 10 Mill. Mark), der Papſt gegen 1450 0,5—0,6, Mailand
0,6, Florenz 0,3 Mill. Dukaten. Die deutſchen Kurfürſten werden im 13. Jahrhundert
bei Gebieten von etwa 5500—27000 Geviertkilometern mit Seelenzahlen von wahr-
ſcheinlich keiner halben Million auf 3000—50000 damalige Mark Einkommen geſchätzt;
das ſind je nach der Gewichts- oder Zählmark (à 33 oder 16,5 heutige Mark) 50 oder
100000 bis 0,8 oder 1,6 Mill. Mark. Die kleineren Kurfürſten ſtehen alſo unter den Städten.
Alle gut regierten Staaten vom 13.—17. Jahrhundert waren Territorialgebiete, Klein-

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[282/0298] Zweites Buch. Die geſellſchaftliche Verfaſſung der Volkswirtſchaft. bildung und Leiſtungsfähigkeit der finanziellen Organiſation; aber ſie bieten doch zur Vergleichung einen feſten Anhalt, ſo ſchwankend auch der Geldwert, ſo zweifelhaft viel- fach die Umrechnung älterer Münzen auf die heutige deutſche Mark ſein mag; wir haben für die ältere Zeit nur Zahlen über die verfügbaren reinen Überſchüſſe der Central- regierung (Nettoeinnahmen), für ſpätere meiſt Angaben über die geſamten Staats- einnahmen (Bruttobudgets). Beſſer als keine Angaben ſind die Zahlen doch. Die Ausbeute an Nachrichten für die älteren Zeiten iſt ſehr gering. Attika hatte 2653 Geviertkilometer und 250000 Seelen beim Ausbruche des peloponneſiſchen Krieges; Xenophon giebt ihm für dieſen Zeitpunkt 1000 Talente (5 Mill. Mark) Staatseinnahme, wovon aber 600 auf die Tribute der unterworfenen und bündiſchen Städtegebiete fielen, deren Hunderte gezählt wurden; die Einnahmen ſtiegen dann auf 2000 Talente, und ſie ſollen ſpäter unter der ſparſamen Verwaltung Lykurgs ohne Tribute wieder 1200 betragen haben. Rom hatte am Ende der Königsherrſchaft ein Gebiet von 983, 340 v. Chr. von 3096, vor dem zweiten Samniterkriege von 6039 Geviertkilometern und nicht mehr als ½—1 Mill. Seelen. Seine finanzielle und militäriſche Kraft ruhte damals auch ſchon auf den Bundesverhältniſſen, obwohl es erſt ſo groß war wie ein kleiner preußiſcher Regierungsbezirk, obwohl es, noch wie Attika in ſeiner älteren Zeit, einer heutigen großen Kommune näher als einem heutigen Staate ſtand; ſeine Hauptausgaben waren, wie in jener, die für Bauten; aber freilich die eigene Politik und die ſelbſtändigen Kriege unterſcheiden beide von heutigen Großſtädten oder Kan- tonen. Ägypten hatte ſchon vor der griechiſchen Herrſchaft hochentwickelte Finanzen; es war in ſeiner beſten Zeit ein Land mit 3—7 Mill. Menſchen, die auf etwa 27000 Geviert- kilometern kulturfähigen Landes, auf einer Fläche wie die der Rheinprovinz ſaßen; es hatte unter den griechiſchen Herrſchern eine jährliche Regierungseinnahme von 8—14000 Ta- lenten, d. h. 29—50 Mill. Mark. Auch darunter ſteckten ſicher viele Tribute, die von auswärts kamen. Immer war es ein einheitlicheres Reich als etwa Perſien unter Dareios, das nach M. Duncker 46,5 Mill. Mark Grundſteuer einnahm, einen Hofhalt hatte, der 66 Mill. Mark koſtete. Das römiſche Reich, das beim Tode von Auguſt 3,3 Mill. Geviertkilometer und 54 Mill. Einwohner umfaßte, ſoll in der Zeit von Auguſtus bis Konſtantin nach den einen nur etwa 30, nach den anderen bis 360 Mill. Mark jährlich an Reichsausgaben gehabt haben. Aber es hätte, wenn es eine einheitliche Volks- und Staatswirtſchaft wie unſere modernen Staaten dargeſtellt hätte, nicht viel- mehr ein Civitäten- und Provinzenbund mit führender Spitze geweſen wäre, auch mit der zehnfach größeren Summe nicht gereicht. Die auswärtige Politik, die großen Straßen, die Armee, die Grenzverteidigung, die Oberleitung der Provinzen und gewiſſe Steuern waren im römiſchen Reiche einheitlich, alles übrige politiſch-wirtſchaftliche Leben war Sache der Stadtbezirke und der Städtebündniſſe. Im Mittelalter ſind es die größeren Städte einerſeits, die fürſtlichen Territorien andererſeits, von denen wir zuerſt wieder Gebietsgröße, Menſchenzahl und Finanzkraft einigermaßen feſt erfaſſen können. Die Städte haben meiſt ein viel kleineres Gebiet als im Altertume; 100—500 Geviertkilometer ſind ſchon viel; aber ſie haben mit 10 oder 20, höchſtens 40—50000 Seelen durch ihre Geld- und Kreditwirtſchaft bereits einen außerordentlichen Einfluß; Baſel giebt im 15. Jahrhundert jährlich in Friedenszeiten 100—160000, in kriegeriſchen 200—260000 Mark aus, Hamburg 1350 35000, 1400 102000 Mark, Köln 1370 114000, 1392 44139 Mark (Stieda); Hamburgs Aus- gaben ſteigen im 16. Jahrhundert einmal ſchon pro Jahr auf 759000 Mark. Venedig hat bei mäßigem italieniſchem, freilich großem Kolonialgebiet 1423 1 Mill. Dukaten Staatseinnahmen (alſo etwa 10 Mill. Mark), der Papſt gegen 1450 0,5—0,6, Mailand 0,6, Florenz 0,3 Mill. Dukaten. Die deutſchen Kurfürſten werden im 13. Jahrhundert bei Gebieten von etwa 5500—27000 Geviertkilometern mit Seelenzahlen von wahr- ſcheinlich keiner halben Million auf 3000—50000 damalige Mark Einkommen geſchätzt; das ſind je nach der Gewichts- oder Zählmark (à 33 oder 16,5 heutige Mark) 50 oder 100000 bis 0,8 oder 1,6 Mill. Mark. Die kleineren Kurfürſten ſtehen alſo unter den Städten. Alle gut regierten Staaten vom 13.—17. Jahrhundert waren Territorialgebiete, Klein-

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Bd. 1. Leipzig, 1900, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_grundriss01_1900/298>, abgerufen am 20.04.2024.