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Schmoller, Gustav: Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Bd. 1. Leipzig, 1900.

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Zweites Buch. Die gesellschaftliche Verfassung der Volkswirtschaft.
natürlichen und die volkswirtschaftlichen Ursachen die ganze Bevölkerungsverteilung im
Raume beherrschen, zumal wo eine gute, moderne Gemeindegesetzgebung und eine gute
Bau-, Gesundheits- und Niederlassungspolizei jeder gesunden lokalen Wirtschaftsentwicke-
lung gleichmäßig Luft und Licht zum Gedeihen sicherte, während im 18. Jahrhundert
zwar die von fürstlicher Politik besonders begünstigten Residenzen, Handels- und Manu-
fakturstädte sich vergrößert hatten, aber in allen anderen Städten und auf dem platten
Lande das starre Herkommen kaum eine Änderung gestattet hatte.

Die Ausbildung der Statistik setzt uns in den Stand, die seit 100 Jahren
erfolgten Umbildungen und den ganzen heutigen Zustand des Siedlungswesens anders
zu verfolgen als alle früheren Verhältnisse. Doch sei, wenn wir einige der wichtigsten
Zahlen in dieser Beziehung nun anführen, vorher kurz auch der Schwierigkeiten und
Schranken unserer diesbezüglichen Erkenntnis gedacht. Als Städte zählt man in Preußen
noch heute die Orte, die verwaltungsrechtlich unter der Städteordnung stehen, obwohl
gegen 1850 über 1/3 derselben, 1890 1/4 nicht 2000 Einwohner hatten. Es wird oft-
mals in der Statistik Großstadt und Landstädtchen in einen Topf geworfen, obwohl sie
mindestens so verschieden sind wie Stadt und Land überhaupt. Auch wenn man, wie
jetzt die Statistiker allgemein pflegen, alle Orte über 2000 Seelen als Städte aussondert,
bleibt wirtschaftlich und socialpolitisch sehr Verschiedenes zusammengeworfen. Dann geben
uns die Zählungen in den meisten Ländern nur eine Statistik der Größe der politischen
Gemeinden, nicht der Wohnplätze: 500 auf 50 Höfen und 500 in einem Dorfe zusammen
Wohnende sind dabei oft statistisch nicht zu unterscheiden, während sie wirtschaftlich und
socialpolitisch mindestens so große Gegensätze darstellen wie Stadt und Land, Großstadt
und Landstädtchen. In Preußen werden umgekehrt die so vielfach örtlich ganz zusammen
wohnenden Insassen eines Dorfes und des dazu gehörigen Gutsbezirkes als zwei gesonderte
Kommunaleinheiten gezählt. Wo man versuchte, die Nebenwohnplätze zu zählen, hat
man, wenigstens in Preußen, doch nicht ihre Bevölkerung erhoben, und außerdem un-
sichere Ergebnisse erhalten: im Jahre 1864 hatten die 1000 preußischen Städte 4357,
die 30243 ländlichen Gemeinden 21990, die 15619 selbständigen Gutsbezirke 7027
Nebenwohnplätze; man erhielt über 80000 Wohnplätze, während man 1861 71742
gezählt hatte. Was ist auch ein besonderer Wohnplatz: jedes Bahnwärterhaus, jedes
einzeln stehende Wirtshaus? Von Württemberg wissen wir, daß man dort 1822 und
1880 folgende Wohnplätze zählte:

[Tabelle]
Aber wir wissen die zugehörige Bevölkerung nicht und müssen zweifeln, ob die Zahl
der einzelnen Häuser richtig ist; einzig die Zunahme der Weiler, d. h. der Gemeinde-
parzellen von mehreren Wohnhäusern, erscheint als ein wahrscheinliches Resultat der
veränderten Verhältnisse. Den Gegensatz des Dorf- und Hofsystems können wir indirekt
zahlenmäßig durch geographische Vergleichung der württembergischen Ergebnisse etwas
verfolgen. Die Höfe und Weiler liegen hauptsächlich in Oberschwaben, d. h. im Donau-
kreise; im Unterland, d. h. im Neckarkreise, bestehen fast nur Dörfer; daher verteilen
sich die 623000 Einwohner des Neckarkreises (1880) auf 1217, die 468000 des Donau-
kreises auf 4308 Wohnplätze. Welch' großer Gegensatz!

Für Bayern haben wir (1871) eine Berechnung der durchschnittlichen Bevölkerung
der Gemeinden und der Ortschaften, wobei mit Ausschluß der unmittelbaren Städte
folgende Zahlen sich ergeben, welche andeuten, wo Höfe und Weiler, wo größere Dörfer
vorherrschen. Es lebten in den folgenden Regierungsbezirken Einwohner:

[Tabelle]

Zweites Buch. Die geſellſchaftliche Verfaſſung der Volkswirtſchaft.
natürlichen und die volkswirtſchaftlichen Urſachen die ganze Bevölkerungsverteilung im
Raume beherrſchen, zumal wo eine gute, moderne Gemeindegeſetzgebung und eine gute
Bau-, Geſundheits- und Niederlaſſungspolizei jeder geſunden lokalen Wirtſchaftsentwicke-
lung gleichmäßig Luft und Licht zum Gedeihen ſicherte, während im 18. Jahrhundert
zwar die von fürſtlicher Politik beſonders begünſtigten Reſidenzen, Handels- und Manu-
fakturſtädte ſich vergrößert hatten, aber in allen anderen Städten und auf dem platten
Lande das ſtarre Herkommen kaum eine Änderung geſtattet hatte.

Die Ausbildung der Statiſtik ſetzt uns in den Stand, die ſeit 100 Jahren
erfolgten Umbildungen und den ganzen heutigen Zuſtand des Siedlungsweſens anders
zu verfolgen als alle früheren Verhältniſſe. Doch ſei, wenn wir einige der wichtigſten
Zahlen in dieſer Beziehung nun anführen, vorher kurz auch der Schwierigkeiten und
Schranken unſerer diesbezüglichen Erkenntnis gedacht. Als Städte zählt man in Preußen
noch heute die Orte, die verwaltungsrechtlich unter der Städteordnung ſtehen, obwohl
gegen 1850 über ⅓ derſelben, 1890 ¼ nicht 2000 Einwohner hatten. Es wird oft-
mals in der Statiſtik Großſtadt und Landſtädtchen in einen Topf geworfen, obwohl ſie
mindeſtens ſo verſchieden ſind wie Stadt und Land überhaupt. Auch wenn man, wie
jetzt die Statiſtiker allgemein pflegen, alle Orte über 2000 Seelen als Städte ausſondert,
bleibt wirtſchaftlich und ſocialpolitiſch ſehr Verſchiedenes zuſammengeworfen. Dann geben
uns die Zählungen in den meiſten Ländern nur eine Statiſtik der Größe der politiſchen
Gemeinden, nicht der Wohnplätze: 500 auf 50 Höfen und 500 in einem Dorfe zuſammen
Wohnende ſind dabei oft ſtatiſtiſch nicht zu unterſcheiden, während ſie wirtſchaftlich und
ſocialpolitiſch mindeſtens ſo große Gegenſätze darſtellen wie Stadt und Land, Großſtadt
und Landſtädtchen. In Preußen werden umgekehrt die ſo vielfach örtlich ganz zuſammen
wohnenden Inſaſſen eines Dorfes und des dazu gehörigen Gutsbezirkes als zwei geſonderte
Kommunaleinheiten gezählt. Wo man verſuchte, die Nebenwohnplätze zu zählen, hat
man, wenigſtens in Preußen, doch nicht ihre Bevölkerung erhoben, und außerdem un-
ſichere Ergebniſſe erhalten: im Jahre 1864 hatten die 1000 preußiſchen Städte 4357,
die 30243 ländlichen Gemeinden 21990, die 15619 ſelbſtändigen Gutsbezirke 7027
Nebenwohnplätze; man erhielt über 80000 Wohnplätze, während man 1861 71742
gezählt hatte. Was iſt auch ein beſonderer Wohnplatz: jedes Bahnwärterhaus, jedes
einzeln ſtehende Wirtshaus? Von Württemberg wiſſen wir, daß man dort 1822 und
1880 folgende Wohnplätze zählte:

[Tabelle]
Aber wir wiſſen die zugehörige Bevölkerung nicht und müſſen zweifeln, ob die Zahl
der einzelnen Häuſer richtig iſt; einzig die Zunahme der Weiler, d. h. der Gemeinde-
parzellen von mehreren Wohnhäuſern, erſcheint als ein wahrſcheinliches Reſultat der
veränderten Verhältniſſe. Den Gegenſatz des Dorf- und Hofſyſtems können wir indirekt
zahlenmäßig durch geographiſche Vergleichung der württembergiſchen Ergebniſſe etwas
verfolgen. Die Höfe und Weiler liegen hauptſächlich in Oberſchwaben, d. h. im Donau-
kreiſe; im Unterland, d. h. im Neckarkreiſe, beſtehen faſt nur Dörfer; daher verteilen
ſich die 623000 Einwohner des Neckarkreiſes (1880) auf 1217, die 468000 des Donau-
kreiſes auf 4308 Wohnplätze. Welch’ großer Gegenſatz!

Für Bayern haben wir (1871) eine Berechnung der durchſchnittlichen Bevölkerung
der Gemeinden und der Ortſchaften, wobei mit Ausſchluß der unmittelbaren Städte
folgende Zahlen ſich ergeben, welche andeuten, wo Höfe und Weiler, wo größere Dörfer
vorherrſchen. Es lebten in den folgenden Regierungsbezirken Einwohner:

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[268/0284] Zweites Buch. Die geſellſchaftliche Verfaſſung der Volkswirtſchaft. natürlichen und die volkswirtſchaftlichen Urſachen die ganze Bevölkerungsverteilung im Raume beherrſchen, zumal wo eine gute, moderne Gemeindegeſetzgebung und eine gute Bau-, Geſundheits- und Niederlaſſungspolizei jeder geſunden lokalen Wirtſchaftsentwicke- lung gleichmäßig Luft und Licht zum Gedeihen ſicherte, während im 18. Jahrhundert zwar die von fürſtlicher Politik beſonders begünſtigten Reſidenzen, Handels- und Manu- fakturſtädte ſich vergrößert hatten, aber in allen anderen Städten und auf dem platten Lande das ſtarre Herkommen kaum eine Änderung geſtattet hatte. Die Ausbildung der Statiſtik ſetzt uns in den Stand, die ſeit 100 Jahren erfolgten Umbildungen und den ganzen heutigen Zuſtand des Siedlungsweſens anders zu verfolgen als alle früheren Verhältniſſe. Doch ſei, wenn wir einige der wichtigſten Zahlen in dieſer Beziehung nun anführen, vorher kurz auch der Schwierigkeiten und Schranken unſerer diesbezüglichen Erkenntnis gedacht. Als Städte zählt man in Preußen noch heute die Orte, die verwaltungsrechtlich unter der Städteordnung ſtehen, obwohl gegen 1850 über ⅓ derſelben, 1890 ¼ nicht 2000 Einwohner hatten. Es wird oft- mals in der Statiſtik Großſtadt und Landſtädtchen in einen Topf geworfen, obwohl ſie mindeſtens ſo verſchieden ſind wie Stadt und Land überhaupt. Auch wenn man, wie jetzt die Statiſtiker allgemein pflegen, alle Orte über 2000 Seelen als Städte ausſondert, bleibt wirtſchaftlich und ſocialpolitiſch ſehr Verſchiedenes zuſammengeworfen. Dann geben uns die Zählungen in den meiſten Ländern nur eine Statiſtik der Größe der politiſchen Gemeinden, nicht der Wohnplätze: 500 auf 50 Höfen und 500 in einem Dorfe zuſammen Wohnende ſind dabei oft ſtatiſtiſch nicht zu unterſcheiden, während ſie wirtſchaftlich und ſocialpolitiſch mindeſtens ſo große Gegenſätze darſtellen wie Stadt und Land, Großſtadt und Landſtädtchen. In Preußen werden umgekehrt die ſo vielfach örtlich ganz zuſammen wohnenden Inſaſſen eines Dorfes und des dazu gehörigen Gutsbezirkes als zwei geſonderte Kommunaleinheiten gezählt. Wo man verſuchte, die Nebenwohnplätze zu zählen, hat man, wenigſtens in Preußen, doch nicht ihre Bevölkerung erhoben, und außerdem un- ſichere Ergebniſſe erhalten: im Jahre 1864 hatten die 1000 preußiſchen Städte 4357, die 30243 ländlichen Gemeinden 21990, die 15619 ſelbſtändigen Gutsbezirke 7027 Nebenwohnplätze; man erhielt über 80000 Wohnplätze, während man 1861 71742 gezählt hatte. Was iſt auch ein beſonderer Wohnplatz: jedes Bahnwärterhaus, jedes einzeln ſtehende Wirtshaus? Von Württemberg wiſſen wir, daß man dort 1822 und 1880 folgende Wohnplätze zählte: Aber wir wiſſen die zugehörige Bevölkerung nicht und müſſen zweifeln, ob die Zahl der einzelnen Häuſer richtig iſt; einzig die Zunahme der Weiler, d. h. der Gemeinde- parzellen von mehreren Wohnhäuſern, erſcheint als ein wahrſcheinliches Reſultat der veränderten Verhältniſſe. Den Gegenſatz des Dorf- und Hofſyſtems können wir indirekt zahlenmäßig durch geographiſche Vergleichung der württembergiſchen Ergebniſſe etwas verfolgen. Die Höfe und Weiler liegen hauptſächlich in Oberſchwaben, d. h. im Donau- kreiſe; im Unterland, d. h. im Neckarkreiſe, beſtehen faſt nur Dörfer; daher verteilen ſich die 623000 Einwohner des Neckarkreiſes (1880) auf 1217, die 468000 des Donau- kreiſes auf 4308 Wohnplätze. Welch’ großer Gegenſatz! Für Bayern haben wir (1871) eine Berechnung der durchſchnittlichen Bevölkerung der Gemeinden und der Ortſchaften, wobei mit Ausſchluß der unmittelbaren Städte folgende Zahlen ſich ergeben, welche andeuten, wo Höfe und Weiler, wo größere Dörfer vorherrſchen. Es lebten in den folgenden Regierungsbezirken Einwohner:

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Bd. 1. Leipzig, 1900, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_grundriss01_1900/284>, abgerufen am 25.04.2024.