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Schmoller, Gustav: Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Bd. 1. Leipzig, 1900.

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Die neueren Fortschritte der Eisen- und Stahltechnik.
1,6, 1890 9,3, 1897 9,6 Mill. Tonnen). Die durchschnittliche jährliche Produktion der
immer riesenhafteren Hochöfen stieg 1889--90 in England auf 18408, in den Vereinigten
Staaten auf 27000 Tonnen; einzelne erhoben sich auf 45000. Die Stahlproduktion
hatte sich von 1867 bis 1890/91 in England von 0,1 auf 3,6, in Deutschland von
nicht ganz 0,089 auf 2,3 Mill. Tonnen gesteigert, während die Schweißeisenproduktion
in diesen Ländern stabil geblieben oder zurückgegangen war. Der Verbrauch von Eisen
und Stahl aller Art war in Deutschland 1840--47 12,5, 1861--65 26, 1890 99,
1896--98 131 kg auf den Kopf, in Großbritannien 1861--65 134, 1891--95
176 kg, in den Vereinigten Staaten in diesen Epochen 26 und 128,8 kg, während er
1890--95 in Frankreich noch auf 40, in Österreich auf 25, in Rußland auf 12, in
Ostindien wahrscheinlich auf 1--2 kg stand.

Der Eisen- und Stahlverbrauch, der früher und noch jetzt in den ärmeren Ländern
auf wenige Werkzeuge und Waffen beschränkt war, dient jetzt zu allem: wir belegen
die Straßen mit Eisen, bauen unsere Schiffe, einen großen Teil unserer Wohnungen
und Werkstätten aus Stahl und Eisen. Dabei ist der Rohstoff durch die verbesserte
Technik immer billiger geworden, während daneben die Veredelung und Verfeinerung
in immer komplizierteren Werkzeugen, Maschinen und Gegenständen aller Art demselben
einen immer größeren, teilweise hundert- und tausendfachen Wert verleiht.

Die modernsten Hütten-, Eisen- und Stahlwerke, wie die Kruppschen in Deutschland
mit ihren 44000 Arbeitern und Beamten, die Carnegie Steel-Company in Pennsylvanien
sind wohl die technisch vollendetsten der modernen Riesenanstalten, wo ein Stab wissen-
schaftlich-technischer Kräfte alle denkbaren Fortschritte der Chemie, der Physik, der
Mechanik auf die wirtschaftliche Produktion anwendet und zugleich bemüht ist, sie Tag
für Tag durch neue Versuche zu verbessern.

Nur etwa die heutigen Maschinen- und Werkzeugfabriken, die Eisenbahnwagen-
und Schiffsbauanstalten könnten technisch noch über sie gestellt werden, weil sie die
feinere Verarbeitung in Händen haben. Sie sind freilich nicht so riesenhaft wie jene
und im Detail ihres Arbeitsprozesses nicht so fein gegliedert wie die Textilindustrie. Ihre
Entwickelung aber ist das sicherste Symptom eines wirtschaftlich hoch entwickelten Landes
geworden. Sie verbreiten durch ihre Erzeugnisse die Wirkung der Maschinentechnik so
ziemlich auf alle Zweige wirtschaftlicher Thätigkeit.

Während es im 18. Jahrhundert nur handwerksmäßige Schlosser, Mühlen- und
Webstuhlbauer gab, entstand von 1790--1820 in England, 1815--40 in den kontinen-
talen Landen ihr Anfang. Auch in England gab es 1800--1810 nur -- wie Fairbairn
erzählt -- drei gute Maschinenfabriken, die kleine Dampfmaschinen von 3--50 Pferde-
kräften bauten; auch in Deutschland traf man 1840--60 noch wenig große und speciali-
sierte Maschinenfabriken; die heute mit 2--10000 Arbeitern thätigen Anstalten hatten
damals 50--200. Viele unserer größten und besten gehören erst den letzten 30 Jahren
an, wie auch unsere besten Schiffswerften, Lokomotiv- und Wagenbauanstalten.

Wir dürfen aber hierbei nicht verweilen, ebensowenig auf die großen technischen
Fortschritte in all den anderen Zweigen wirtschaftlicher Thätigkeit eingehen, welche
nirgends ganz fehlen, in manchen den hier angeführten Fortschritten der Textil- und
Eisengewerbe gleich kommen, z. B. in der chemischen, der Papier-, der Nahrungs-, Be-
leuchtungsindustrie, in den polygraphischen Gewerben, der Buchdruckerei, um von den
gesamten Verkehrsgewerben zu schweigen, deren technische Fortschritte jeder aus eigener
Erfahrung kennt. Nur über die älteste und wichtigste wirtschaftliche Thätigkeit, die
Landwirtschaft, sei noch ein Wort erlaubt.

Auch sie ist natürlich von den Fortschritten der Chemie und Mechanik nicht
unberührt geblieben. Die alte Dreifelderwirtschaft, welche nur 20--40 % des Areals
bebaute, den Rest als Brache und Weide nützte, hat seit 1770 an einzelnen Stellen,
seit 1850 allgemeiner in den dichtbevölkerten, wohlhabenden Gebieten dem Fruchtwechsel
Platz gemacht, der jährlich die ganze Flur beackert, die Viehnahrung durch Hack- und
Futterbau ermöglicht, die Bodenerschöpfung durch den jährlichen Wechsel der Früchte
verhindert, der die zehnfache Kapitalmenge, die zwei- bis dreifache Arbeit auf dieselbe

Die neueren Fortſchritte der Eiſen- und Stahltechnik.
1,6, 1890 9,3, 1897 9,6 Mill. Tonnen). Die durchſchnittliche jährliche Produktion der
immer rieſenhafteren Hochöfen ſtieg 1889—90 in England auf 18408, in den Vereinigten
Staaten auf 27000 Tonnen; einzelne erhoben ſich auf 45000. Die Stahlproduktion
hatte ſich von 1867 bis 1890/91 in England von 0,1 auf 3,6, in Deutſchland von
nicht ganz 0,089 auf 2,3 Mill. Tonnen geſteigert, während die Schweißeiſenproduktion
in dieſen Ländern ſtabil geblieben oder zurückgegangen war. Der Verbrauch von Eiſen
und Stahl aller Art war in Deutſchland 1840—47 12,5, 1861—65 26, 1890 99,
1896—98 131 kg auf den Kopf, in Großbritannien 1861—65 134, 1891—95
176 kg, in den Vereinigten Staaten in dieſen Epochen 26 und 128,8 kg, während er
1890—95 in Frankreich noch auf 40, in Öſterreich auf 25, in Rußland auf 12, in
Oſtindien wahrſcheinlich auf 1—2 kg ſtand.

Der Eiſen- und Stahlverbrauch, der früher und noch jetzt in den ärmeren Ländern
auf wenige Werkzeuge und Waffen beſchränkt war, dient jetzt zu allem: wir belegen
die Straßen mit Eiſen, bauen unſere Schiffe, einen großen Teil unſerer Wohnungen
und Werkſtätten aus Stahl und Eiſen. Dabei iſt der Rohſtoff durch die verbeſſerte
Technik immer billiger geworden, während daneben die Veredelung und Verfeinerung
in immer komplizierteren Werkzeugen, Maſchinen und Gegenſtänden aller Art demſelben
einen immer größeren, teilweiſe hundert- und tauſendfachen Wert verleiht.

Die modernſten Hütten-, Eiſen- und Stahlwerke, wie die Kruppſchen in Deutſchland
mit ihren 44000 Arbeitern und Beamten, die Carnegie Steel-Company in Pennſylvanien
ſind wohl die techniſch vollendetſten der modernen Rieſenanſtalten, wo ein Stab wiſſen-
ſchaftlich-techniſcher Kräfte alle denkbaren Fortſchritte der Chemie, der Phyſik, der
Mechanik auf die wirtſchaftliche Produktion anwendet und zugleich bemüht iſt, ſie Tag
für Tag durch neue Verſuche zu verbeſſern.

Nur etwa die heutigen Maſchinen- und Werkzeugfabriken, die Eiſenbahnwagen-
und Schiffsbauanſtalten könnten techniſch noch über ſie geſtellt werden, weil ſie die
feinere Verarbeitung in Händen haben. Sie ſind freilich nicht ſo rieſenhaft wie jene
und im Detail ihres Arbeitsprozeſſes nicht ſo fein gegliedert wie die Textilinduſtrie. Ihre
Entwickelung aber iſt das ſicherſte Symptom eines wirtſchaftlich hoch entwickelten Landes
geworden. Sie verbreiten durch ihre Erzeugniſſe die Wirkung der Maſchinentechnik ſo
ziemlich auf alle Zweige wirtſchaftlicher Thätigkeit.

Während es im 18. Jahrhundert nur handwerksmäßige Schloſſer, Mühlen- und
Webſtuhlbauer gab, entſtand von 1790—1820 in England, 1815—40 in den kontinen-
talen Landen ihr Anfang. Auch in England gab es 1800—1810 nur — wie Fairbairn
erzählt — drei gute Maſchinenfabriken, die kleine Dampfmaſchinen von 3—50 Pferde-
kräften bauten; auch in Deutſchland traf man 1840—60 noch wenig große und ſpeciali-
ſierte Maſchinenfabriken; die heute mit 2—10000 Arbeitern thätigen Anſtalten hatten
damals 50—200. Viele unſerer größten und beſten gehören erſt den letzten 30 Jahren
an, wie auch unſere beſten Schiffswerften, Lokomotiv- und Wagenbauanſtalten.

Wir dürfen aber hierbei nicht verweilen, ebenſowenig auf die großen techniſchen
Fortſchritte in all den anderen Zweigen wirtſchaftlicher Thätigkeit eingehen, welche
nirgends ganz fehlen, in manchen den hier angeführten Fortſchritten der Textil- und
Eiſengewerbe gleich kommen, z. B. in der chemiſchen, der Papier-, der Nahrungs-, Be-
leuchtungsinduſtrie, in den polygraphiſchen Gewerben, der Buchdruckerei, um von den
geſamten Verkehrsgewerben zu ſchweigen, deren techniſche Fortſchritte jeder aus eigener
Erfahrung kennt. Nur über die älteſte und wichtigſte wirtſchaftliche Thätigkeit, die
Landwirtſchaft, ſei noch ein Wort erlaubt.

Auch ſie iſt natürlich von den Fortſchritten der Chemie und Mechanik nicht
unberührt geblieben. Die alte Dreifelderwirtſchaft, welche nur 20—40 % des Areals
bebaute, den Reſt als Brache und Weide nützte, hat ſeit 1770 an einzelnen Stellen,
ſeit 1850 allgemeiner in den dichtbevölkerten, wohlhabenden Gebieten dem Fruchtwechſel
Platz gemacht, der jährlich die ganze Flur beackert, die Viehnahrung durch Hack- und
Futterbau ermöglicht, die Bodenerſchöpfung durch den jährlichen Wechſel der Früchte
verhindert, der die zehnfache Kapitalmenge, die zwei- bis dreifache Arbeit auf dieſelbe

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[217/0233] Die neueren Fortſchritte der Eiſen- und Stahltechnik. 1,6, 1890 9,3, 1897 9,6 Mill. Tonnen). Die durchſchnittliche jährliche Produktion der immer rieſenhafteren Hochöfen ſtieg 1889—90 in England auf 18408, in den Vereinigten Staaten auf 27000 Tonnen; einzelne erhoben ſich auf 45000. Die Stahlproduktion hatte ſich von 1867 bis 1890/91 in England von 0,1 auf 3,6, in Deutſchland von nicht ganz 0,089 auf 2,3 Mill. Tonnen geſteigert, während die Schweißeiſenproduktion in dieſen Ländern ſtabil geblieben oder zurückgegangen war. Der Verbrauch von Eiſen und Stahl aller Art war in Deutſchland 1840—47 12,5, 1861—65 26, 1890 99, 1896—98 131 kg auf den Kopf, in Großbritannien 1861—65 134, 1891—95 176 kg, in den Vereinigten Staaten in dieſen Epochen 26 und 128,8 kg, während er 1890—95 in Frankreich noch auf 40, in Öſterreich auf 25, in Rußland auf 12, in Oſtindien wahrſcheinlich auf 1—2 kg ſtand. Der Eiſen- und Stahlverbrauch, der früher und noch jetzt in den ärmeren Ländern auf wenige Werkzeuge und Waffen beſchränkt war, dient jetzt zu allem: wir belegen die Straßen mit Eiſen, bauen unſere Schiffe, einen großen Teil unſerer Wohnungen und Werkſtätten aus Stahl und Eiſen. Dabei iſt der Rohſtoff durch die verbeſſerte Technik immer billiger geworden, während daneben die Veredelung und Verfeinerung in immer komplizierteren Werkzeugen, Maſchinen und Gegenſtänden aller Art demſelben einen immer größeren, teilweiſe hundert- und tauſendfachen Wert verleiht. Die modernſten Hütten-, Eiſen- und Stahlwerke, wie die Kruppſchen in Deutſchland mit ihren 44000 Arbeitern und Beamten, die Carnegie Steel-Company in Pennſylvanien ſind wohl die techniſch vollendetſten der modernen Rieſenanſtalten, wo ein Stab wiſſen- ſchaftlich-techniſcher Kräfte alle denkbaren Fortſchritte der Chemie, der Phyſik, der Mechanik auf die wirtſchaftliche Produktion anwendet und zugleich bemüht iſt, ſie Tag für Tag durch neue Verſuche zu verbeſſern. Nur etwa die heutigen Maſchinen- und Werkzeugfabriken, die Eiſenbahnwagen- und Schiffsbauanſtalten könnten techniſch noch über ſie geſtellt werden, weil ſie die feinere Verarbeitung in Händen haben. Sie ſind freilich nicht ſo rieſenhaft wie jene und im Detail ihres Arbeitsprozeſſes nicht ſo fein gegliedert wie die Textilinduſtrie. Ihre Entwickelung aber iſt das ſicherſte Symptom eines wirtſchaftlich hoch entwickelten Landes geworden. Sie verbreiten durch ihre Erzeugniſſe die Wirkung der Maſchinentechnik ſo ziemlich auf alle Zweige wirtſchaftlicher Thätigkeit. Während es im 18. Jahrhundert nur handwerksmäßige Schloſſer, Mühlen- und Webſtuhlbauer gab, entſtand von 1790—1820 in England, 1815—40 in den kontinen- talen Landen ihr Anfang. Auch in England gab es 1800—1810 nur — wie Fairbairn erzählt — drei gute Maſchinenfabriken, die kleine Dampfmaſchinen von 3—50 Pferde- kräften bauten; auch in Deutſchland traf man 1840—60 noch wenig große und ſpeciali- ſierte Maſchinenfabriken; die heute mit 2—10000 Arbeitern thätigen Anſtalten hatten damals 50—200. Viele unſerer größten und beſten gehören erſt den letzten 30 Jahren an, wie auch unſere beſten Schiffswerften, Lokomotiv- und Wagenbauanſtalten. Wir dürfen aber hierbei nicht verweilen, ebenſowenig auf die großen techniſchen Fortſchritte in all den anderen Zweigen wirtſchaftlicher Thätigkeit eingehen, welche nirgends ganz fehlen, in manchen den hier angeführten Fortſchritten der Textil- und Eiſengewerbe gleich kommen, z. B. in der chemiſchen, der Papier-, der Nahrungs-, Be- leuchtungsinduſtrie, in den polygraphiſchen Gewerben, der Buchdruckerei, um von den geſamten Verkehrsgewerben zu ſchweigen, deren techniſche Fortſchritte jeder aus eigener Erfahrung kennt. Nur über die älteſte und wichtigſte wirtſchaftliche Thätigkeit, die Landwirtſchaft, ſei noch ein Wort erlaubt. Auch ſie iſt natürlich von den Fortſchritten der Chemie und Mechanik nicht unberührt geblieben. Die alte Dreifelderwirtſchaft, welche nur 20—40 % des Areals bebaute, den Reſt als Brache und Weide nützte, hat ſeit 1770 an einzelnen Stellen, ſeit 1850 allgemeiner in den dichtbevölkerten, wohlhabenden Gebieten dem Fruchtwechſel Platz gemacht, der jährlich die ganze Flur beackert, die Viehnahrung durch Hack- und Futterbau ermöglicht, die Bodenerſchöpfung durch den jährlichen Wechſel der Früchte verhindert, der die zehnfache Kapitalmenge, die zwei- bis dreifache Arbeit auf dieſelbe

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Bd. 1. Leipzig, 1900, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_grundriss01_1900/233>, abgerufen am 25.04.2024.