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Schmoller, Gustav: Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Bd. 1. Leipzig, 1900.

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Die heutige Technik der Textilgewerbe.
vollendeten Maschinensystems in diesem Gewerbszweige gehört erst den letzten 30 Jahren
an. Und ähnlich ging es in der mechanischen Leinenspinnerei, die erst 1824 ganz gelang.
Auch in Großbritannien und Irland waren 1850 nur etwas über 1 Mill., 1890
1,5 Mill. Leinenspindeln thätig. Der Kampf der Maschine mit der Leinenhandspinnerei
dauerte in den meisten Staaten bis 1860, ja bis 1880.

Hatten die Wolle und der Flachs dem mechanischen Spinnprozesse viel größere
natürliche Schwierigkeiten bereitet als die Baumwolle, so war die mechanische Weberei
überhaupt viel schwieriger als das Spinnen; der Schlag der Maschine riß zu leicht die
Fäden ab. Ähnlich wie in der Spinnerei waren die anderen Gespinstfäden wieder
schwerer auf dem Maschinenstuhl zu verwenden als die von Baumwolle. Der Kraftstuhl,
1787 von Cartwright erfunden, konnte erst von 1810--15 an (nach Fairbairn) etwas
mehr angewandt werden. Man zählte in Großbritannien 1820 erst 14000, 1835 aber
schon 116000, 1875 440000, 1890 615000 Kraftstühle für Baumwollgewebe; die
anderen Staaten folgten viel langsamer; Preußen hatte 1861 erst 7000 Kraftstühle für
Baumwollgewebe, Deutschland 1891 245000 (nach Juraschek). In der gesamten Woll-
industrie siegte der Kraftstuhl erst 1860--1900; die Lausitzer große Tuch- und Woll-
industrie hatte 1860 erst 37, 1890 3000. Die mechanische Leinenweberei ist noch jünger;
sie erreichte in Großbritannien 1875 erst 45000, 1890 65000 Kraftstühle; im Handels-
kammerbezirke Schweidnitz, einem Hauptgebiete der deutschen Leinenindustrie, stieg ihre
Zahl 1871--98 von 1200 auf 8800. Die Seidenweberei ist erst jetzt in der Umwand-
lung zu mechanischer Kraft begriffen und zwar nur in den technisch am höchsten stehen-
den Ländern.

Neben der Verbesserung der eigentlichen Spinnerei und Weberei haben die großen
Fortschritte der Kunstbleiche, der Färberei, der Druckerei und die Hülfsmaschinen die
Textilindustrie gewaltig beeinflußt: so die Spul-, die Scher-, die Schlichtmaschine, die
Wasch- und Spülmaschinen, die Centrifugaltrockenmaschinen und andere mehr. Wollte
man auch nur das Wichtigste aus den sonstigen technischen Fortschritten der Bekleidungs-
gewerbe anführen, so wären vor allem die verbesserten Wirkstühle, die Strick-, die Näh-,
die Stick-, die Tüll- und Bobbinetmaschinen zu nennen, die in ihrem Bereiche die
durchgreifendsten Umwälzungen hervorgebracht haben. Von den durch Elias Howe
hauptsächlich seit 1846 geschaffenen, seit 1856 sich verbreitenden Nähmaschinen waren
schon 1875 in den Vereinigten Staaten eine halbe Million, auf der ganzen Erde 1877
über 4 Millionen im Gange. Die Zahl der Stiche wird durch sie von 25 auf 2000 in
der Minute vermehrt.

Die Verbesserung und Verbilligung unserer Kleidung, Wäsche und Hauseinrichtung
durch diese Fortschritte in der Gewebeherstellung und Bearbeitung ist ganz außerordent-
lich. Schon 1842 rechnete man, daß mit der Hand erst 17 Mill. Handspinner das
hätten leisten können, was die 448900 Maschinenspinner der Kulturstaaten fertig brachten.
Immer darf man nicht übersehen, daß diese enorme Steigerung der produktiven Kraft
sich auf ein Bedürfnis bezieht, das nur 14--20 % des Einkommens bei den Kultur-
völkern in Anspruch nimmt; daß wenn wir uns heute durch die Bekleidung der Natur-
und Halbkulturvölker bereichern, diesen vielfach ihre älteren technischen Künste dafür ver-
loren gehen; und daß die konzentrierte arbeitsteilige Maschinenarbeit erstens Millionen
Familien der unteren Klassen einen Teil ihrer hauswirtschaftlichen Thätigkeit und eine
Nebenarbeit des Spinnens, Webens, Strickens, Nähens raubte, die zwar mäßig bezahlt
aber zum Lebensunterhalt für sie unentbehrlich war, durch ihr Versiegen diese Millionen
teilweise proletarisierte; die ganz andere sociale Schichtung und Umbildung der
Erwerbsverhältnisse durch diesen Prozeß macht ein wichtiges Stück der neueren socialen
Geschichte aus. --

Der Bergwerks- und Hüttenbetrieb bewegte sich im 18. Jahrhundert zunächst in
den Geleisen, welche der technische Fortschritt des 16. ermöglicht hatte. Aber man suchte
dem steigenden Bedarf durch Vergrößerung der Hochöfen und durch Heizung mit Stein-
kohle und Coaks entgegen zu kommen. In Preußisch-Schlesien bestanden 1750 14 Holz-
kohlenhochöfen, 1800 45, neben 40 und 50 Frischherden, die das Roheisen in Schmiede-

Die heutige Technik der Textilgewerbe.
vollendeten Maſchinenſyſtems in dieſem Gewerbszweige gehört erſt den letzten 30 Jahren
an. Und ähnlich ging es in der mechaniſchen Leinenſpinnerei, die erſt 1824 ganz gelang.
Auch in Großbritannien und Irland waren 1850 nur etwas über 1 Mill., 1890
1,5 Mill. Leinenſpindeln thätig. Der Kampf der Maſchine mit der Leinenhandſpinnerei
dauerte in den meiſten Staaten bis 1860, ja bis 1880.

Hatten die Wolle und der Flachs dem mechaniſchen Spinnprozeſſe viel größere
natürliche Schwierigkeiten bereitet als die Baumwolle, ſo war die mechaniſche Weberei
überhaupt viel ſchwieriger als das Spinnen; der Schlag der Maſchine riß zu leicht die
Fäden ab. Ähnlich wie in der Spinnerei waren die anderen Geſpinſtfäden wieder
ſchwerer auf dem Maſchinenſtuhl zu verwenden als die von Baumwolle. Der Kraftſtuhl,
1787 von Cartwright erfunden, konnte erſt von 1810—15 an (nach Fairbairn) etwas
mehr angewandt werden. Man zählte in Großbritannien 1820 erſt 14000, 1835 aber
ſchon 116000, 1875 440000, 1890 615000 Kraftſtühle für Baumwollgewebe; die
anderen Staaten folgten viel langſamer; Preußen hatte 1861 erſt 7000 Kraftſtühle für
Baumwollgewebe, Deutſchland 1891 245000 (nach Juraſchek). In der geſamten Woll-
induſtrie ſiegte der Kraftſtuhl erſt 1860—1900; die Lauſitzer große Tuch- und Woll-
induſtrie hatte 1860 erſt 37, 1890 3000. Die mechaniſche Leinenweberei iſt noch jünger;
ſie erreichte in Großbritannien 1875 erſt 45000, 1890 65000 Kraftſtühle; im Handels-
kammerbezirke Schweidnitz, einem Hauptgebiete der deutſchen Leineninduſtrie, ſtieg ihre
Zahl 1871—98 von 1200 auf 8800. Die Seidenweberei iſt erſt jetzt in der Umwand-
lung zu mechaniſcher Kraft begriffen und zwar nur in den techniſch am höchſten ſtehen-
den Ländern.

Neben der Verbeſſerung der eigentlichen Spinnerei und Weberei haben die großen
Fortſchritte der Kunſtbleiche, der Färberei, der Druckerei und die Hülfsmaſchinen die
Textilinduſtrie gewaltig beeinflußt: ſo die Spul-, die Scher-, die Schlichtmaſchine, die
Waſch- und Spülmaſchinen, die Centrifugaltrockenmaſchinen und andere mehr. Wollte
man auch nur das Wichtigſte aus den ſonſtigen techniſchen Fortſchritten der Bekleidungs-
gewerbe anführen, ſo wären vor allem die verbeſſerten Wirkſtühle, die Strick-, die Näh-,
die Stick-, die Tüll- und Bobbinetmaſchinen zu nennen, die in ihrem Bereiche die
durchgreifendſten Umwälzungen hervorgebracht haben. Von den durch Elias Howe
hauptſächlich ſeit 1846 geſchaffenen, ſeit 1856 ſich verbreitenden Nähmaſchinen waren
ſchon 1875 in den Vereinigten Staaten eine halbe Million, auf der ganzen Erde 1877
über 4 Millionen im Gange. Die Zahl der Stiche wird durch ſie von 25 auf 2000 in
der Minute vermehrt.

Die Verbeſſerung und Verbilligung unſerer Kleidung, Wäſche und Hauseinrichtung
durch dieſe Fortſchritte in der Gewebeherſtellung und Bearbeitung iſt ganz außerordent-
lich. Schon 1842 rechnete man, daß mit der Hand erſt 17 Mill. Handſpinner das
hätten leiſten können, was die 448900 Maſchinenſpinner der Kulturſtaaten fertig brachten.
Immer darf man nicht überſehen, daß dieſe enorme Steigerung der produktiven Kraft
ſich auf ein Bedürfnis bezieht, das nur 14—20 % des Einkommens bei den Kultur-
völkern in Anſpruch nimmt; daß wenn wir uns heute durch die Bekleidung der Natur-
und Halbkulturvölker bereichern, dieſen vielfach ihre älteren techniſchen Künſte dafür ver-
loren gehen; und daß die konzentrierte arbeitsteilige Maſchinenarbeit erſtens Millionen
Familien der unteren Klaſſen einen Teil ihrer hauswirtſchaftlichen Thätigkeit und eine
Nebenarbeit des Spinnens, Webens, Strickens, Nähens raubte, die zwar mäßig bezahlt
aber zum Lebensunterhalt für ſie unentbehrlich war, durch ihr Verſiegen dieſe Millionen
teilweiſe proletariſierte; die ganz andere ſociale Schichtung und Umbildung der
Erwerbsverhältniſſe durch dieſen Prozeß macht ein wichtiges Stück der neueren ſocialen
Geſchichte aus. —

Der Bergwerks- und Hüttenbetrieb bewegte ſich im 18. Jahrhundert zunächſt in
den Geleiſen, welche der techniſche Fortſchritt des 16. ermöglicht hatte. Aber man ſuchte
dem ſteigenden Bedarf durch Vergrößerung der Hochöfen und durch Heizung mit Stein-
kohle und Coaks entgegen zu kommen. In Preußiſch-Schleſien beſtanden 1750 14 Holz-
kohlenhochöfen, 1800 45, neben 40 und 50 Friſchherden, die das Roheiſen in Schmiede-

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[215/0231] Die heutige Technik der Textilgewerbe. vollendeten Maſchinenſyſtems in dieſem Gewerbszweige gehört erſt den letzten 30 Jahren an. Und ähnlich ging es in der mechaniſchen Leinenſpinnerei, die erſt 1824 ganz gelang. Auch in Großbritannien und Irland waren 1850 nur etwas über 1 Mill., 1890 1,5 Mill. Leinenſpindeln thätig. Der Kampf der Maſchine mit der Leinenhandſpinnerei dauerte in den meiſten Staaten bis 1860, ja bis 1880. Hatten die Wolle und der Flachs dem mechaniſchen Spinnprozeſſe viel größere natürliche Schwierigkeiten bereitet als die Baumwolle, ſo war die mechaniſche Weberei überhaupt viel ſchwieriger als das Spinnen; der Schlag der Maſchine riß zu leicht die Fäden ab. Ähnlich wie in der Spinnerei waren die anderen Geſpinſtfäden wieder ſchwerer auf dem Maſchinenſtuhl zu verwenden als die von Baumwolle. Der Kraftſtuhl, 1787 von Cartwright erfunden, konnte erſt von 1810—15 an (nach Fairbairn) etwas mehr angewandt werden. Man zählte in Großbritannien 1820 erſt 14000, 1835 aber ſchon 116000, 1875 440000, 1890 615000 Kraftſtühle für Baumwollgewebe; die anderen Staaten folgten viel langſamer; Preußen hatte 1861 erſt 7000 Kraftſtühle für Baumwollgewebe, Deutſchland 1891 245000 (nach Juraſchek). In der geſamten Woll- induſtrie ſiegte der Kraftſtuhl erſt 1860—1900; die Lauſitzer große Tuch- und Woll- induſtrie hatte 1860 erſt 37, 1890 3000. Die mechaniſche Leinenweberei iſt noch jünger; ſie erreichte in Großbritannien 1875 erſt 45000, 1890 65000 Kraftſtühle; im Handels- kammerbezirke Schweidnitz, einem Hauptgebiete der deutſchen Leineninduſtrie, ſtieg ihre Zahl 1871—98 von 1200 auf 8800. Die Seidenweberei iſt erſt jetzt in der Umwand- lung zu mechaniſcher Kraft begriffen und zwar nur in den techniſch am höchſten ſtehen- den Ländern. Neben der Verbeſſerung der eigentlichen Spinnerei und Weberei haben die großen Fortſchritte der Kunſtbleiche, der Färberei, der Druckerei und die Hülfsmaſchinen die Textilinduſtrie gewaltig beeinflußt: ſo die Spul-, die Scher-, die Schlichtmaſchine, die Waſch- und Spülmaſchinen, die Centrifugaltrockenmaſchinen und andere mehr. Wollte man auch nur das Wichtigſte aus den ſonſtigen techniſchen Fortſchritten der Bekleidungs- gewerbe anführen, ſo wären vor allem die verbeſſerten Wirkſtühle, die Strick-, die Näh-, die Stick-, die Tüll- und Bobbinetmaſchinen zu nennen, die in ihrem Bereiche die durchgreifendſten Umwälzungen hervorgebracht haben. Von den durch Elias Howe hauptſächlich ſeit 1846 geſchaffenen, ſeit 1856 ſich verbreitenden Nähmaſchinen waren ſchon 1875 in den Vereinigten Staaten eine halbe Million, auf der ganzen Erde 1877 über 4 Millionen im Gange. Die Zahl der Stiche wird durch ſie von 25 auf 2000 in der Minute vermehrt. Die Verbeſſerung und Verbilligung unſerer Kleidung, Wäſche und Hauseinrichtung durch dieſe Fortſchritte in der Gewebeherſtellung und Bearbeitung iſt ganz außerordent- lich. Schon 1842 rechnete man, daß mit der Hand erſt 17 Mill. Handſpinner das hätten leiſten können, was die 448900 Maſchinenſpinner der Kulturſtaaten fertig brachten. Immer darf man nicht überſehen, daß dieſe enorme Steigerung der produktiven Kraft ſich auf ein Bedürfnis bezieht, das nur 14—20 % des Einkommens bei den Kultur- völkern in Anſpruch nimmt; daß wenn wir uns heute durch die Bekleidung der Natur- und Halbkulturvölker bereichern, dieſen vielfach ihre älteren techniſchen Künſte dafür ver- loren gehen; und daß die konzentrierte arbeitsteilige Maſchinenarbeit erſtens Millionen Familien der unteren Klaſſen einen Teil ihrer hauswirtſchaftlichen Thätigkeit und eine Nebenarbeit des Spinnens, Webens, Strickens, Nähens raubte, die zwar mäßig bezahlt aber zum Lebensunterhalt für ſie unentbehrlich war, durch ihr Verſiegen dieſe Millionen teilweiſe proletariſierte; die ganz andere ſociale Schichtung und Umbildung der Erwerbsverhältniſſe durch dieſen Prozeß macht ein wichtiges Stück der neueren ſocialen Geſchichte aus. — Der Bergwerks- und Hüttenbetrieb bewegte ſich im 18. Jahrhundert zunächſt in den Geleiſen, welche der techniſche Fortſchritt des 16. ermöglicht hatte. Aber man ſuchte dem ſteigenden Bedarf durch Vergrößerung der Hochöfen und durch Heizung mit Stein- kohle und Coaks entgegen zu kommen. In Preußiſch-Schleſien beſtanden 1750 14 Holz- kohlenhochöfen, 1800 45, neben 40 und 50 Friſchherden, die das Roheiſen in Schmiede-

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Bd. 1. Leipzig, 1900, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_grundriss01_1900/231>, abgerufen am 25.04.2024.