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Schmoller, Gustav: Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Bd. 1. Leipzig, 1900.

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Erstes Buch. Land, Leute und Technik.
Mit ihren Wasserrädern, Pochwerken, Gießeinrichtungen, Frischöfen, vergrößerten
Hämmern wurden sie da und dort, in Steiermark, am Rhein, in Sachsen, am Harz,
schon zu fabrikartigen Hüttenbetrieben. Deutsche Hüttenmeister brachten die neue, in
ihrer Familie wohlgehütete Technik und die entsprechenden Einrichtungen von 1600 bis
1700 auch nach Schweden und England. Vielfach löste sich bald ein Teil der technischen
Operationen los zu eigenen Geschäften: der Frischprozeß und das Aushämmern ging
auf besondere Hammerwerke, Zain-, Reck-, Raffinierhämmer über, nahm teils den
Hütten ihre späteren, teils den städtischen Schmieden ihre ersten Prozeduren ab. Die
Loslösung geschah teils der Wasserkraft wegen, teils um in die Nähe der Kunden zu
kommen. Der Stadt- und Klingenschmied hatte vielfach bisher das eigentliche Aus-
hämmern und Schmieden besorgen müssen, ehe er aus dem schlechten Rohstoff der Hütte
Panzerplatten, Sensen, Schwerter und Messer herstellte. In Solingen erzeugte es im
17. Jahrhundert einen großen Aufschwung, als die besonderen Reckhämmer dem Klingen-
schmied einen besseren Stahl lieferten, wie er ihn bisher selbst gemacht hatte. Auch die
Herstellung des Eisengusses löste sich mannigfach von den Hütten: städtische und staat-
liche Gießhäuser entstanden da und dort im 16. Jahrhundert.

Es waren mit diesen Verbesserungen der Eisentechnik erhebliche Erfolge erzielt:
die Draht-, die Blech-, die Nägelerzeugung gehört dieser Epoche an; das Schmiede- und
Schlosserhandwerk erblühte erst in Italien, später in Deutschland zu nie bisher erreichtem
Glanze; die Waffentechnik war zur Kunst geworden. Und die Verbreitung des Pulvers
stellte neben Schild, Harnisch und Lanze die Büchse und Kanone, deren Herstellung
neue Gewerbe erzeugte. Die ganze Kriegstechnik und Militärverfassung begann sich unter
dem Einflusse des Pulvers und der neuen Waffen zu ändern: das Fußvolk vertauschte
freilich erst 1600--1700 allgemein die Lanze mit der Flinte. Auch im Holz- und
Steinbau nahm die Eisenverwendung zu; nie hatte das Altertum eine solche Verwendung
gesehen, obwohl sie auch jetzt sicher nirgends 0,5--2 kg jährlich pro Kopf überstieg.
Neben den Hüttenwerken und Bergwerken vergrößerten sich die Salinen. Die Anfänge
des Großbetriebes mit 20, 50 und mehr Arbeitern sind zu beobachten. Aber in der
Hauptsache erhält sich doch der handwerksmäßige Kleinbetrieb; ja er erhält in der Eisen-
verarbeitung sogar eine Hauptstütze. Andere Ursachen kamen hinzu, die Entwickelung
der Eisengewerbe zum Großbetriebe zu hemmen. Das gewerbliche Leben Italiens und
Deutschlands ging aus politischen Gründen im 17. und 18. Jahrhundert zurück. Holland
und England hatten damals keine erhebliche Eisenproduktion und Eisenverarbeitung;
England bezog seinen Stahl fast ganz vom Auslande, seine Eisenöfen gingen damals
zurück, wurden in der Nähe Londons aus Furcht vor Holzmangel 1581 ganz ver-
boten. --

Von den Verkehrsmitteln können wir nicht sagen, daß sie 1300--1750 sich
technisch sehr geändert hätten; nur der Schiffsbau und die Schiffstechnik machten gewisse
Fortschritte, so daß in Mittelmeer, Nord- und Ostsee und vom 15.--17. Jahrhundert
auch auf den Ozeanen der Handel wachsen, die neue Welt entdeckt werden, die Kolonien
in Ost- und Westindien zu erheblicher Bedeutung gelangen konnten. Posten und Kanäle
waren seit 1500 vorhanden, machten aber bis 1700 nur wenig Fortschritte. Die Städte
sind meist 1500--1700 stabil, nur einige Hauptstädte wachsen aus politischen Gründen.
Aber das Münz- und Geldwesen, die Kredittechnik des Wechsels, der Messen,
der Staatsanleihen erfährt von 1400--1700 bedeutende Verbesserung. Es wächst die
Bedeutung des Kapitals und des Handelsstandes; die Anfänge des Bankwesens entstehen:
die Haus- und Kleingewerbe werden durch die Handelsorganisation für den Fernabsatz
zur Hausindustrie. Die Technik der Staatsverwaltung, der Steuern wird erst in den
Kleinstaaten, dann in den großen Nationalstaaten eine ausgebildetere, wenn sie auch
meist die antike Höhe noch nicht wieder erreicht. Das Wichtigste bleibt wohl, daß der
Buchdruck und die Presse, welche sich 1440--1800 entwickeln, auf ganz andere Verbindung
der Menschen hinwirken.

Fassen wir all' diese technischen Verbesserungen bis gegen Mitte des 18. Jahr-
hunderts zusammen, so können wir sagen, die Familien-, die Landwirtschaft, die große

Erſtes Buch. Land, Leute und Technik.
Mit ihren Waſſerrädern, Pochwerken, Gießeinrichtungen, Friſchöfen, vergrößerten
Hämmern wurden ſie da und dort, in Steiermark, am Rhein, in Sachſen, am Harz,
ſchon zu fabrikartigen Hüttenbetrieben. Deutſche Hüttenmeiſter brachten die neue, in
ihrer Familie wohlgehütete Technik und die entſprechenden Einrichtungen von 1600 bis
1700 auch nach Schweden und England. Vielfach löſte ſich bald ein Teil der techniſchen
Operationen los zu eigenen Geſchäften: der Friſchprozeß und das Aushämmern ging
auf beſondere Hammerwerke, Zain-, Reck-, Raffinierhämmer über, nahm teils den
Hütten ihre ſpäteren, teils den ſtädtiſchen Schmieden ihre erſten Prozeduren ab. Die
Loslöſung geſchah teils der Waſſerkraft wegen, teils um in die Nähe der Kunden zu
kommen. Der Stadt- und Klingenſchmied hatte vielfach bisher das eigentliche Aus-
hämmern und Schmieden beſorgen müſſen, ehe er aus dem ſchlechten Rohſtoff der Hütte
Panzerplatten, Senſen, Schwerter und Meſſer herſtellte. In Solingen erzeugte es im
17. Jahrhundert einen großen Aufſchwung, als die beſonderen Reckhämmer dem Klingen-
ſchmied einen beſſeren Stahl lieferten, wie er ihn bisher ſelbſt gemacht hatte. Auch die
Herſtellung des Eiſenguſſes löſte ſich mannigfach von den Hütten: ſtädtiſche und ſtaat-
liche Gießhäuſer entſtanden da und dort im 16. Jahrhundert.

Es waren mit dieſen Verbeſſerungen der Eiſentechnik erhebliche Erfolge erzielt:
die Draht-, die Blech-, die Nägelerzeugung gehört dieſer Epoche an; das Schmiede- und
Schloſſerhandwerk erblühte erſt in Italien, ſpäter in Deutſchland zu nie bisher erreichtem
Glanze; die Waffentechnik war zur Kunſt geworden. Und die Verbreitung des Pulvers
ſtellte neben Schild, Harniſch und Lanze die Büchſe und Kanone, deren Herſtellung
neue Gewerbe erzeugte. Die ganze Kriegstechnik und Militärverfaſſung begann ſich unter
dem Einfluſſe des Pulvers und der neuen Waffen zu ändern: das Fußvolk vertauſchte
freilich erſt 1600—1700 allgemein die Lanze mit der Flinte. Auch im Holz- und
Steinbau nahm die Eiſenverwendung zu; nie hatte das Altertum eine ſolche Verwendung
geſehen, obwohl ſie auch jetzt ſicher nirgends 0,5—2 kg jährlich pro Kopf überſtieg.
Neben den Hüttenwerken und Bergwerken vergrößerten ſich die Salinen. Die Anfänge
des Großbetriebes mit 20, 50 und mehr Arbeitern ſind zu beobachten. Aber in der
Hauptſache erhält ſich doch der handwerksmäßige Kleinbetrieb; ja er erhält in der Eiſen-
verarbeitung ſogar eine Hauptſtütze. Andere Urſachen kamen hinzu, die Entwickelung
der Eiſengewerbe zum Großbetriebe zu hemmen. Das gewerbliche Leben Italiens und
Deutſchlands ging aus politiſchen Gründen im 17. und 18. Jahrhundert zurück. Holland
und England hatten damals keine erhebliche Eiſenproduktion und Eiſenverarbeitung;
England bezog ſeinen Stahl faſt ganz vom Auslande, ſeine Eiſenöfen gingen damals
zurück, wurden in der Nähe Londons aus Furcht vor Holzmangel 1581 ganz ver-
boten. —

Von den Verkehrsmitteln können wir nicht ſagen, daß ſie 1300—1750 ſich
techniſch ſehr geändert hätten; nur der Schiffsbau und die Schiffstechnik machten gewiſſe
Fortſchritte, ſo daß in Mittelmeer, Nord- und Oſtſee und vom 15.—17. Jahrhundert
auch auf den Ozeanen der Handel wachſen, die neue Welt entdeckt werden, die Kolonien
in Oſt- und Weſtindien zu erheblicher Bedeutung gelangen konnten. Poſten und Kanäle
waren ſeit 1500 vorhanden, machten aber bis 1700 nur wenig Fortſchritte. Die Städte
ſind meiſt 1500—1700 ſtabil, nur einige Hauptſtädte wachſen aus politiſchen Gründen.
Aber das Münz- und Geldweſen, die Kredittechnik des Wechſels, der Meſſen,
der Staatsanleihen erfährt von 1400—1700 bedeutende Verbeſſerung. Es wächſt die
Bedeutung des Kapitals und des Handelsſtandes; die Anfänge des Bankweſens entſtehen:
die Haus- und Kleingewerbe werden durch die Handelsorganiſation für den Fernabſatz
zur Hausinduſtrie. Die Technik der Staatsverwaltung, der Steuern wird erſt in den
Kleinſtaaten, dann in den großen Nationalſtaaten eine ausgebildetere, wenn ſie auch
meiſt die antike Höhe noch nicht wieder erreicht. Das Wichtigſte bleibt wohl, daß der
Buchdruck und die Preſſe, welche ſich 1440—1800 entwickeln, auf ganz andere Verbindung
der Menſchen hinwirken.

Faſſen wir all’ dieſe techniſchen Verbeſſerungen bis gegen Mitte des 18. Jahr-
hunderts zuſammen, ſo können wir ſagen, die Familien-, die Landwirtſchaft, die große

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[210/0226] Erſtes Buch. Land, Leute und Technik. Mit ihren Waſſerrädern, Pochwerken, Gießeinrichtungen, Friſchöfen, vergrößerten Hämmern wurden ſie da und dort, in Steiermark, am Rhein, in Sachſen, am Harz, ſchon zu fabrikartigen Hüttenbetrieben. Deutſche Hüttenmeiſter brachten die neue, in ihrer Familie wohlgehütete Technik und die entſprechenden Einrichtungen von 1600 bis 1700 auch nach Schweden und England. Vielfach löſte ſich bald ein Teil der techniſchen Operationen los zu eigenen Geſchäften: der Friſchprozeß und das Aushämmern ging auf beſondere Hammerwerke, Zain-, Reck-, Raffinierhämmer über, nahm teils den Hütten ihre ſpäteren, teils den ſtädtiſchen Schmieden ihre erſten Prozeduren ab. Die Loslöſung geſchah teils der Waſſerkraft wegen, teils um in die Nähe der Kunden zu kommen. Der Stadt- und Klingenſchmied hatte vielfach bisher das eigentliche Aus- hämmern und Schmieden beſorgen müſſen, ehe er aus dem ſchlechten Rohſtoff der Hütte Panzerplatten, Senſen, Schwerter und Meſſer herſtellte. In Solingen erzeugte es im 17. Jahrhundert einen großen Aufſchwung, als die beſonderen Reckhämmer dem Klingen- ſchmied einen beſſeren Stahl lieferten, wie er ihn bisher ſelbſt gemacht hatte. Auch die Herſtellung des Eiſenguſſes löſte ſich mannigfach von den Hütten: ſtädtiſche und ſtaat- liche Gießhäuſer entſtanden da und dort im 16. Jahrhundert. Es waren mit dieſen Verbeſſerungen der Eiſentechnik erhebliche Erfolge erzielt: die Draht-, die Blech-, die Nägelerzeugung gehört dieſer Epoche an; das Schmiede- und Schloſſerhandwerk erblühte erſt in Italien, ſpäter in Deutſchland zu nie bisher erreichtem Glanze; die Waffentechnik war zur Kunſt geworden. Und die Verbreitung des Pulvers ſtellte neben Schild, Harniſch und Lanze die Büchſe und Kanone, deren Herſtellung neue Gewerbe erzeugte. Die ganze Kriegstechnik und Militärverfaſſung begann ſich unter dem Einfluſſe des Pulvers und der neuen Waffen zu ändern: das Fußvolk vertauſchte freilich erſt 1600—1700 allgemein die Lanze mit der Flinte. Auch im Holz- und Steinbau nahm die Eiſenverwendung zu; nie hatte das Altertum eine ſolche Verwendung geſehen, obwohl ſie auch jetzt ſicher nirgends 0,5—2 kg jährlich pro Kopf überſtieg. Neben den Hüttenwerken und Bergwerken vergrößerten ſich die Salinen. Die Anfänge des Großbetriebes mit 20, 50 und mehr Arbeitern ſind zu beobachten. Aber in der Hauptſache erhält ſich doch der handwerksmäßige Kleinbetrieb; ja er erhält in der Eiſen- verarbeitung ſogar eine Hauptſtütze. Andere Urſachen kamen hinzu, die Entwickelung der Eiſengewerbe zum Großbetriebe zu hemmen. Das gewerbliche Leben Italiens und Deutſchlands ging aus politiſchen Gründen im 17. und 18. Jahrhundert zurück. Holland und England hatten damals keine erhebliche Eiſenproduktion und Eiſenverarbeitung; England bezog ſeinen Stahl faſt ganz vom Auslande, ſeine Eiſenöfen gingen damals zurück, wurden in der Nähe Londons aus Furcht vor Holzmangel 1581 ganz ver- boten. — Von den Verkehrsmitteln können wir nicht ſagen, daß ſie 1300—1750 ſich techniſch ſehr geändert hätten; nur der Schiffsbau und die Schiffstechnik machten gewiſſe Fortſchritte, ſo daß in Mittelmeer, Nord- und Oſtſee und vom 15.—17. Jahrhundert auch auf den Ozeanen der Handel wachſen, die neue Welt entdeckt werden, die Kolonien in Oſt- und Weſtindien zu erheblicher Bedeutung gelangen konnten. Poſten und Kanäle waren ſeit 1500 vorhanden, machten aber bis 1700 nur wenig Fortſchritte. Die Städte ſind meiſt 1500—1700 ſtabil, nur einige Hauptſtädte wachſen aus politiſchen Gründen. Aber das Münz- und Geldweſen, die Kredittechnik des Wechſels, der Meſſen, der Staatsanleihen erfährt von 1400—1700 bedeutende Verbeſſerung. Es wächſt die Bedeutung des Kapitals und des Handelsſtandes; die Anfänge des Bankweſens entſtehen: die Haus- und Kleingewerbe werden durch die Handelsorganiſation für den Fernabſatz zur Hausinduſtrie. Die Technik der Staatsverwaltung, der Steuern wird erſt in den Kleinſtaaten, dann in den großen Nationalſtaaten eine ausgebildetere, wenn ſie auch meiſt die antike Höhe noch nicht wieder erreicht. Das Wichtigſte bleibt wohl, daß der Buchdruck und die Preſſe, welche ſich 1440—1800 entwickeln, auf ganz andere Verbindung der Menſchen hinwirken. Faſſen wir all’ dieſe techniſchen Verbeſſerungen bis gegen Mitte des 18. Jahr- hunderts zuſammen, ſo können wir ſagen, die Familien-, die Landwirtſchaft, die große

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Bd. 1. Leipzig, 1900, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_grundriss01_1900/226>, abgerufen am 23.04.2024.