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Schmoller, Gustav: Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Bd. 1. Leipzig, 1900.

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Hausbau und Hauswirtschaft. Älteste Großtechnik.
Gesamttendenz der geschlossenen Hauswirtschaft auf gute Versorgung ihrer Glieder, auf
Eigenwirtschaft, welche an andere Familien, an Gemeinde und Staat nur einige wenige
Überschüsse abgeben wollte und konnte.

Neben dieser auf sich gestellten Hauswirtschaft hat sich freilich frühe in den
Mittelpunkten der asiatischen Reiche, zumal in den Küstenstädten eine gewisse Berufs-
und Arbeitsteilung entwickelt. Wir treffen specialisierte Handwerker nicht bloß als
untere Glieder der Hauswirtschaft, sondern auch als zeitweise herangezogene Hülfspersonen
derselben und Warenverkäufer; wir wissen, daß Verkehr und Handel in Phönikien und
anderwärts sich ausgebildet hatten. Wir hören von phönikischen Schiffen mit 20--50
Ruderern, mit Segeln, mit einer Fassungskraft für 500 Menschen, mit einer Bewegungs-
kraft von 24--30 Meilen in 24 Stunden. Die Griechen bewunderten die strenge und
pünktliche Ordnung an Bord, die nur eine Folge hoher und vollendeter Technik sein
konnte.

Aber doch nicht in Gewerbe und Handel tritt der größte technische Fortschritt
jener vorderasiatischen Reiche zu Tage, sondern in den Gebieten, wo die Orts-, die
Stammes-, die Staatsgenossen zusammenwirkten oder durch starke Gewalten zum
Zusammenwirken gezwungen wurden; hier erst feierten die mathematischen und natur-
wissenschaftlichen Fortschritte jener Tage im Verteidigungs- und Kriegswesen, im Mauer-,
Burgen-, Brücken-, Graben-, Gemeindehaus-, Markt-, Palast- und Tempelbau, in
Cisternen, Brunnen und Wasserleitungen, im Kanal-, Wege- und Hafenbau ihre größten
Triumphe. Hier spielte der Stein- und Gewölbebau sowie die ausgebildete Metall-
technik eine ganz andere Rolle als in der Hauswirtschaft. Was Gemeinden und engere
Verbände damals an Brunnenbau, Schutzbauten, gemeinsamem Ackerbau, Gemeindehäusern,
Schiffsbau, der in älterer Zeit überall als Bezirks- und Genossenschaftssache erscheint,
geleistet haben, können wir meist nicht mehr genau erkennen. Aber die Pyramiden und
die Nilregulierung, der Babylonische Mauerbau, die Tempelbauten aller dieser Reiche,
ihre Schatzhäuser, Arsenale und Königsbauten lassen uns heute noch eine bis auf die
Neuzeit nach der Größe der Leistung kaum übertroffene Großtechnik erkennen, die um so
bewundernswerter erscheint, je einfacher die technisch angewandten Hülfsmittel waren.
Sie verdanken nicht privatem Unternehmungsgeist und Gewinnabsichten ihren Ursprung.
Kleine priesterliche und kriegerische Aristokratien und despotische Königsgewalten haben
sie geschaffen, konnten sie nur schaffen als die auserlesenen Träger und Führer des
technischen Fortschrittes und als die uneingeschränkten Gebieter über große beherrschte
Massen von Sklaven, unterworfenen fremden Völkern und zu harter Fronarbeit gezwungenen
Volksgenossen. Kirchliche, militärische, technische Schulung durch lange Zeiträume
hindurch, stabile Gesellschaftsordnungen für Jahrhunderte einerseits, furchtbare Knechtung
und Mißhandlung der Menschen andererseits waren die Voraussetzungen.

Wir werden so sagen können: die Grundformen der Familien- und Hauswirtschaft,
des kleinen Bauernbetriebes, auch die Anfänge des lokalen Kundenhandwerks, des
Handels, des Marktverkehrs seien im Zusammenhange dieser westasiatischen Technik ebenso
entstanden, wie die ersten Ergebnisse einer staatlichen Großtechnik. Diese Formen hätten
sich auf Grund ähnlicher technischer Vorbedingungen und nachbarlicher Berührung in
diesen verschiedenen asiatischen Reichen ähnlich entwickelt. Aber daneben seien damals
wie später die Resultate der volkswirtschaftlichen Gestaltung doch sehr weit auseinander-
gegangen, weil Natur- und Rassenverhältnisse, geistige und moralische Gesittung und
sociale Entwickelung die ähnlichen technischen Bausteine zu verschiedener Verwendung
brachten.

83. Die griechisch-römische, die arabische und die mittelalterlich-
abendländische Technik bis in die letzten Jahrhunderte
. Die relativ hoch
entwickelte kriegerische, administrative und wirtschaftliche Technik der asiatischen Völker,
einschließlich Ägyptens, hat ebensowenig als die vorangeschrittene Verkehrs- und Handels-
technik der Phöniker und ihrer Tochterstaaten verhindert, daß ihre teilweise Jahrtausende,
teilweise Jahrhunderte währende Blüte zerfiel, und die Führung der Menschheit auf
andere, in ihrer Technik zunächst weit zurückgebliebene Rassen und Völker überging.

Hausbau und Hauswirtſchaft. Älteſte Großtechnik.
Geſamttendenz der geſchloſſenen Hauswirtſchaft auf gute Verſorgung ihrer Glieder, auf
Eigenwirtſchaft, welche an andere Familien, an Gemeinde und Staat nur einige wenige
Überſchüſſe abgeben wollte und konnte.

Neben dieſer auf ſich geſtellten Hauswirtſchaft hat ſich freilich frühe in den
Mittelpunkten der aſiatiſchen Reiche, zumal in den Küſtenſtädten eine gewiſſe Berufs-
und Arbeitsteilung entwickelt. Wir treffen ſpecialiſierte Handwerker nicht bloß als
untere Glieder der Hauswirtſchaft, ſondern auch als zeitweiſe herangezogene Hülfsperſonen
derſelben und Warenverkäufer; wir wiſſen, daß Verkehr und Handel in Phönikien und
anderwärts ſich ausgebildet hatten. Wir hören von phönikiſchen Schiffen mit 20—50
Ruderern, mit Segeln, mit einer Faſſungskraft für 500 Menſchen, mit einer Bewegungs-
kraft von 24—30 Meilen in 24 Stunden. Die Griechen bewunderten die ſtrenge und
pünktliche Ordnung an Bord, die nur eine Folge hoher und vollendeter Technik ſein
konnte.

Aber doch nicht in Gewerbe und Handel tritt der größte techniſche Fortſchritt
jener vorderaſiatiſchen Reiche zu Tage, ſondern in den Gebieten, wo die Orts-, die
Stammes-, die Staatsgenoſſen zuſammenwirkten oder durch ſtarke Gewalten zum
Zuſammenwirken gezwungen wurden; hier erſt feierten die mathematiſchen und natur-
wiſſenſchaftlichen Fortſchritte jener Tage im Verteidigungs- und Kriegsweſen, im Mauer-,
Burgen-, Brücken-, Graben-, Gemeindehaus-, Markt-, Palaſt- und Tempelbau, in
Ciſternen, Brunnen und Waſſerleitungen, im Kanal-, Wege- und Hafenbau ihre größten
Triumphe. Hier ſpielte der Stein- und Gewölbebau ſowie die ausgebildete Metall-
technik eine ganz andere Rolle als in der Hauswirtſchaft. Was Gemeinden und engere
Verbände damals an Brunnenbau, Schutzbauten, gemeinſamem Ackerbau, Gemeindehäuſern,
Schiffsbau, der in älterer Zeit überall als Bezirks- und Genoſſenſchaftsſache erſcheint,
geleiſtet haben, können wir meiſt nicht mehr genau erkennen. Aber die Pyramiden und
die Nilregulierung, der Babyloniſche Mauerbau, die Tempelbauten aller dieſer Reiche,
ihre Schatzhäuſer, Arſenale und Königsbauten laſſen uns heute noch eine bis auf die
Neuzeit nach der Größe der Leiſtung kaum übertroffene Großtechnik erkennen, die um ſo
bewundernswerter erſcheint, je einfacher die techniſch angewandten Hülfsmittel waren.
Sie verdanken nicht privatem Unternehmungsgeiſt und Gewinnabſichten ihren Urſprung.
Kleine prieſterliche und kriegeriſche Ariſtokratien und despotiſche Königsgewalten haben
ſie geſchaffen, konnten ſie nur ſchaffen als die auserleſenen Träger und Führer des
techniſchen Fortſchrittes und als die uneingeſchränkten Gebieter über große beherrſchte
Maſſen von Sklaven, unterworfenen fremden Völkern und zu harter Fronarbeit gezwungenen
Volksgenoſſen. Kirchliche, militäriſche, techniſche Schulung durch lange Zeiträume
hindurch, ſtabile Geſellſchaftsordnungen für Jahrhunderte einerſeits, furchtbare Knechtung
und Mißhandlung der Menſchen andererſeits waren die Vorausſetzungen.

Wir werden ſo ſagen können: die Grundformen der Familien- und Hauswirtſchaft,
des kleinen Bauernbetriebes, auch die Anfänge des lokalen Kundenhandwerks, des
Handels, des Marktverkehrs ſeien im Zuſammenhange dieſer weſtaſiatiſchen Technik ebenſo
entſtanden, wie die erſten Ergebniſſe einer ſtaatlichen Großtechnik. Dieſe Formen hätten
ſich auf Grund ähnlicher techniſcher Vorbedingungen und nachbarlicher Berührung in
dieſen verſchiedenen aſiatiſchen Reichen ähnlich entwickelt. Aber daneben ſeien damals
wie ſpäter die Reſultate der volkswirtſchaftlichen Geſtaltung doch ſehr weit auseinander-
gegangen, weil Natur- und Raſſenverhältniſſe, geiſtige und moraliſche Geſittung und
ſociale Entwickelung die ähnlichen techniſchen Bauſteine zu verſchiedener Verwendung
brachten.

83. Die griechiſch-römiſche, die arabiſche und die mittelalterlich-
abendländiſche Technik bis in die letzten Jahrhunderte
. Die relativ hoch
entwickelte kriegeriſche, adminiſtrative und wirtſchaftliche Technik der aſiatiſchen Völker,
einſchließlich Ägyptens, hat ebenſowenig als die vorangeſchrittene Verkehrs- und Handels-
technik der Phöniker und ihrer Tochterſtaaten verhindert, daß ihre teilweiſe Jahrtauſende,
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[205/0221] Hausbau und Hauswirtſchaft. Älteſte Großtechnik. Geſamttendenz der geſchloſſenen Hauswirtſchaft auf gute Verſorgung ihrer Glieder, auf Eigenwirtſchaft, welche an andere Familien, an Gemeinde und Staat nur einige wenige Überſchüſſe abgeben wollte und konnte. Neben dieſer auf ſich geſtellten Hauswirtſchaft hat ſich freilich frühe in den Mittelpunkten der aſiatiſchen Reiche, zumal in den Küſtenſtädten eine gewiſſe Berufs- und Arbeitsteilung entwickelt. Wir treffen ſpecialiſierte Handwerker nicht bloß als untere Glieder der Hauswirtſchaft, ſondern auch als zeitweiſe herangezogene Hülfsperſonen derſelben und Warenverkäufer; wir wiſſen, daß Verkehr und Handel in Phönikien und anderwärts ſich ausgebildet hatten. Wir hören von phönikiſchen Schiffen mit 20—50 Ruderern, mit Segeln, mit einer Faſſungskraft für 500 Menſchen, mit einer Bewegungs- kraft von 24—30 Meilen in 24 Stunden. Die Griechen bewunderten die ſtrenge und pünktliche Ordnung an Bord, die nur eine Folge hoher und vollendeter Technik ſein konnte. Aber doch nicht in Gewerbe und Handel tritt der größte techniſche Fortſchritt jener vorderaſiatiſchen Reiche zu Tage, ſondern in den Gebieten, wo die Orts-, die Stammes-, die Staatsgenoſſen zuſammenwirkten oder durch ſtarke Gewalten zum Zuſammenwirken gezwungen wurden; hier erſt feierten die mathematiſchen und natur- wiſſenſchaftlichen Fortſchritte jener Tage im Verteidigungs- und Kriegsweſen, im Mauer-, Burgen-, Brücken-, Graben-, Gemeindehaus-, Markt-, Palaſt- und Tempelbau, in Ciſternen, Brunnen und Waſſerleitungen, im Kanal-, Wege- und Hafenbau ihre größten Triumphe. Hier ſpielte der Stein- und Gewölbebau ſowie die ausgebildete Metall- technik eine ganz andere Rolle als in der Hauswirtſchaft. Was Gemeinden und engere Verbände damals an Brunnenbau, Schutzbauten, gemeinſamem Ackerbau, Gemeindehäuſern, Schiffsbau, der in älterer Zeit überall als Bezirks- und Genoſſenſchaftsſache erſcheint, geleiſtet haben, können wir meiſt nicht mehr genau erkennen. Aber die Pyramiden und die Nilregulierung, der Babyloniſche Mauerbau, die Tempelbauten aller dieſer Reiche, ihre Schatzhäuſer, Arſenale und Königsbauten laſſen uns heute noch eine bis auf die Neuzeit nach der Größe der Leiſtung kaum übertroffene Großtechnik erkennen, die um ſo bewundernswerter erſcheint, je einfacher die techniſch angewandten Hülfsmittel waren. Sie verdanken nicht privatem Unternehmungsgeiſt und Gewinnabſichten ihren Urſprung. Kleine prieſterliche und kriegeriſche Ariſtokratien und despotiſche Königsgewalten haben ſie geſchaffen, konnten ſie nur ſchaffen als die auserleſenen Träger und Führer des techniſchen Fortſchrittes und als die uneingeſchränkten Gebieter über große beherrſchte Maſſen von Sklaven, unterworfenen fremden Völkern und zu harter Fronarbeit gezwungenen Volksgenoſſen. Kirchliche, militäriſche, techniſche Schulung durch lange Zeiträume hindurch, ſtabile Geſellſchaftsordnungen für Jahrhunderte einerſeits, furchtbare Knechtung und Mißhandlung der Menſchen andererſeits waren die Vorausſetzungen. Wir werden ſo ſagen können: die Grundformen der Familien- und Hauswirtſchaft, des kleinen Bauernbetriebes, auch die Anfänge des lokalen Kundenhandwerks, des Handels, des Marktverkehrs ſeien im Zuſammenhange dieſer weſtaſiatiſchen Technik ebenſo entſtanden, wie die erſten Ergebniſſe einer ſtaatlichen Großtechnik. Dieſe Formen hätten ſich auf Grund ähnlicher techniſcher Vorbedingungen und nachbarlicher Berührung in dieſen verſchiedenen aſiatiſchen Reichen ähnlich entwickelt. Aber daneben ſeien damals wie ſpäter die Reſultate der volkswirtſchaftlichen Geſtaltung doch ſehr weit auseinander- gegangen, weil Natur- und Raſſenverhältniſſe, geiſtige und moraliſche Geſittung und ſociale Entwickelung die ähnlichen techniſchen Bauſteine zu verſchiedener Verwendung brachten. 83. Die griechiſch-römiſche, die arabiſche und die mittelalterlich- abendländiſche Technik bis in die letzten Jahrhunderte. Die relativ hoch entwickelte kriegeriſche, adminiſtrative und wirtſchaftliche Technik der aſiatiſchen Völker, einſchließlich Ägyptens, hat ebenſowenig als die vorangeſchrittene Verkehrs- und Handels- technik der Phöniker und ihrer Tochterſtaaten verhindert, daß ihre teilweiſe Jahrtauſende, teilweiſe Jahrhunderte währende Blüte zerfiel, und die Führung der Menſchheit auf andere, in ihrer Technik zunächſt weit zurückgebliebene Raſſen und Völker überging.

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Bd. 1. Leipzig, 1900, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_grundriss01_1900/221>, abgerufen am 25.04.2024.