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Schmoller, Gustav: Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Bd. 1. Leipzig, 1900.

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Erstes Buch. Land, Leute und Technik.
und dort im Brauche. Wo man die Körbe dann mit Thon, Erdpech und derartigem
außen oder innen bestrich und bemerkte, daß diese bestrichenen Körbe im Feuer oder in
der Luft erhärteten, da war die Töpferei erfunden. Sie ist wohl an verschiedenen Orten
der Erde selbständig entstanden. Aber sie fehlte doch vielen amerikanischen, polynesischen
und australischen Stämmen. Sie bedeutet einen großen Fortschritt für die Aufbewahrung
und Bereitung von Speisen und Getränk; mit ihr wurde erst das eigentliche Kochen
möglich. Morgan hält sie für so wichtig, daß er mit ihrer Erfindung und Verbreitung
seine Epoche der "Wildheit" abschließt, während Ratzel ihre Verteilung bei den rohen
Stämmen für zu ungleich hält, um sie als so epochemachend gelten zu lassen. Die
Glasbereitung gehört einer viel späteren Zeit an: bei den Ägyptern und Phönikern
ist sie vorhanden, wie die Glasur der Thongefäße, die Töpferscheibe und die Brennöfen
für die Thongefäße.

So groß überhaupt der Einfluß der hier kurz geschilderten technischen Fortschritte
ist, so genügen sie doch keineswegs, uns ein festes Bild der wirtschaftlichen Verhältnisse
der ältesten Zeiten und der rohesten Stämme zu geben. Dazu gehört ihre Verbindung
mit den älteren Methoden und Arten der Herbeischaffung und Erwerbung der Nahrungs-
mittel.

78. Die ältesten Fortschritte der Ernährung bis zum Hackbau
und der Viehzucht
. Wie wir uns die ältesten menschlichen Zustände auch denken
mögen, darüber ist heute die Wissenschaft einig, daß die menschliche Ernährung jener
Tage auf einer occupatorischen Thätigkeit beruhte, und daß der Mensch (sein Gebiß schon
deutet es an) ebenso animalische wie vegetabilische Nahrung suchte. Erstere konnte natür-
lich bei dem Mangel an Waffen und anderen technischen Hülfsmitteln nur in Eiern,
Larven, Käfern und anderen kleinen Tieren bestehen, die leicht zu greifen oder zu fangen
waren. Daneben sammelte der Mensch Beeren, Wurzeln und Früchte aller Art; die
Körner wildwachsender Gräser können da und dort schon eine Rolle gespielt haben; von
einem Anbau derselben aber war nicht die Rede. Man kann diese Stufe der Nahrungs-
gewinnung eigentlich nicht als Jagd und Fischfang bezeichnen. Dazu gehörten schon
verbesserte Methoden der Gewinnung.

Auch das bloße Sammeln wurde ein wesentlich anderes, wenn es mit Vorbedacht
geschah und zu Vorratsbildung, zur Mitführung der Vorräte auf der Wanderung, zu
ihrer Konservierung auf verschiedene Art führte. Ein unsagbar wichtiger Schritt ist es,
wenn der Mensch einzusehen beginnt, daß er die Quellen seiner Ernährung schonen und
fördern muß, daß er die Fruchtbäume nicht fällen, die Vogelnester nicht zerstören darf, den
Bienen und anderen Tieren, wenn er ihnen ihre Vorräte raubt, einen Teil lassen muß.
Gewisse Indianer lassen in jedem beraubten Biberbau 12 Weibchen und 6 Männchen
am Leben. Ähnliches geschieht bei der Büffeljagd. Der Australier läßt von der Yamwurzel
einen Teil im Boden, damit sie neue Knollen bilde; er hat bemerkt, daß er beim Aus-
graben der Knollen durch seinen feuergespitzten Stock zugleich den Boden etwas lockere
und dadurch die Neubildung der Knollen fördere. Von da ist es nicht weit zum ersten
rohesten Anbau mit Hacke und Spaten. Man hat mit Recht die frühesten gesellschaftlich
angeordneten Schongebote, Schonzeiten und Schoneinrichtungen mit der Entstehung des
Eigentums in Zusammenhang gebracht.

Um größere Jagdtiere zu erlangen oder zum Genuß von Menschenfleisch und -Blut
zu kommen, mußte man schon bessere Waffen und Fangmethoden haben: Keule und
Speer, Pfeil und Bogen, Schleuder und Wurfbrett, Fanggräben, Fangleine und Blase-
röhren mit Giftbolzen gaben die größeren Erfolge. So lange der Jäger nur in der
Nähe wirkende Waffen hatte, mußte er tagelang lauern, stundenlang im heißen Sand
oder nassen Morast liegen; die fernwirkenden, hauptsächlich Pfeil und Bogen, überhoben
ihn dieser unendlichen Mühsal, versorgten ihn sehr viel leichter und reichlicher. Pfeil
und Bogen fehlten in Australien, Polynesien, Neuseeland; sie waren aber bei den ältesten
Pfahlbauern vorhanden, wie später bei den Assyrern, Ägyptern, den Skythen, Numidiern,
Thrakern, während ihn Griechen, Römer, Germanen schon nicht mehr benutzten. Es ist
die Waffe und das Jagdwerkzeug der wichtigsten Jägervölker, die sie teilweise auch bei

Erſtes Buch. Land, Leute und Technik.
und dort im Brauche. Wo man die Körbe dann mit Thon, Erdpech und derartigem
außen oder innen beſtrich und bemerkte, daß dieſe beſtrichenen Körbe im Feuer oder in
der Luft erhärteten, da war die Töpferei erfunden. Sie iſt wohl an verſchiedenen Orten
der Erde ſelbſtändig entſtanden. Aber ſie fehlte doch vielen amerikaniſchen, polyneſiſchen
und auſtraliſchen Stämmen. Sie bedeutet einen großen Fortſchritt für die Aufbewahrung
und Bereitung von Speiſen und Getränk; mit ihr wurde erſt das eigentliche Kochen
möglich. Morgan hält ſie für ſo wichtig, daß er mit ihrer Erfindung und Verbreitung
ſeine Epoche der „Wildheit“ abſchließt, während Ratzel ihre Verteilung bei den rohen
Stämmen für zu ungleich hält, um ſie als ſo epochemachend gelten zu laſſen. Die
Glasbereitung gehört einer viel ſpäteren Zeit an: bei den Ägyptern und Phönikern
iſt ſie vorhanden, wie die Glaſur der Thongefäße, die Töpferſcheibe und die Brennöfen
für die Thongefäße.

So groß überhaupt der Einfluß der hier kurz geſchilderten techniſchen Fortſchritte
iſt, ſo genügen ſie doch keineswegs, uns ein feſtes Bild der wirtſchaftlichen Verhältniſſe
der älteſten Zeiten und der roheſten Stämme zu geben. Dazu gehört ihre Verbindung
mit den älteren Methoden und Arten der Herbeiſchaffung und Erwerbung der Nahrungs-
mittel.

78. Die älteſten Fortſchritte der Ernährung bis zum Hackbau
und der Viehzucht
. Wie wir uns die älteſten menſchlichen Zuſtände auch denken
mögen, darüber iſt heute die Wiſſenſchaft einig, daß die menſchliche Ernährung jener
Tage auf einer occupatoriſchen Thätigkeit beruhte, und daß der Menſch (ſein Gebiß ſchon
deutet es an) ebenſo animaliſche wie vegetabiliſche Nahrung ſuchte. Erſtere konnte natür-
lich bei dem Mangel an Waffen und anderen techniſchen Hülfsmitteln nur in Eiern,
Larven, Käfern und anderen kleinen Tieren beſtehen, die leicht zu greifen oder zu fangen
waren. Daneben ſammelte der Menſch Beeren, Wurzeln und Früchte aller Art; die
Körner wildwachſender Gräſer können da und dort ſchon eine Rolle geſpielt haben; von
einem Anbau derſelben aber war nicht die Rede. Man kann dieſe Stufe der Nahrungs-
gewinnung eigentlich nicht als Jagd und Fiſchfang bezeichnen. Dazu gehörten ſchon
verbeſſerte Methoden der Gewinnung.

Auch das bloße Sammeln wurde ein weſentlich anderes, wenn es mit Vorbedacht
geſchah und zu Vorratsbildung, zur Mitführung der Vorräte auf der Wanderung, zu
ihrer Konſervierung auf verſchiedene Art führte. Ein unſagbar wichtiger Schritt iſt es,
wenn der Menſch einzuſehen beginnt, daß er die Quellen ſeiner Ernährung ſchonen und
fördern muß, daß er die Fruchtbäume nicht fällen, die Vogelneſter nicht zerſtören darf, den
Bienen und anderen Tieren, wenn er ihnen ihre Vorräte raubt, einen Teil laſſen muß.
Gewiſſe Indianer laſſen in jedem beraubten Biberbau 12 Weibchen und 6 Männchen
am Leben. Ähnliches geſchieht bei der Büffeljagd. Der Auſtralier läßt von der Yamwurzel
einen Teil im Boden, damit ſie neue Knollen bilde; er hat bemerkt, daß er beim Aus-
graben der Knollen durch ſeinen feuergeſpitzten Stock zugleich den Boden etwas lockere
und dadurch die Neubildung der Knollen fördere. Von da iſt es nicht weit zum erſten
roheſten Anbau mit Hacke und Spaten. Man hat mit Recht die früheſten geſellſchaftlich
angeordneten Schongebote, Schonzeiten und Schoneinrichtungen mit der Entſtehung des
Eigentums in Zuſammenhang gebracht.

Um größere Jagdtiere zu erlangen oder zum Genuß von Menſchenfleiſch und -Blut
zu kommen, mußte man ſchon beſſere Waffen und Fangmethoden haben: Keule und
Speer, Pfeil und Bogen, Schleuder und Wurfbrett, Fanggräben, Fangleine und Blaſe-
röhren mit Giftbolzen gaben die größeren Erfolge. So lange der Jäger nur in der
Nähe wirkende Waffen hatte, mußte er tagelang lauern, ſtundenlang im heißen Sand
oder naſſen Moraſt liegen; die fernwirkenden, hauptſächlich Pfeil und Bogen, überhoben
ihn dieſer unendlichen Mühſal, verſorgten ihn ſehr viel leichter und reichlicher. Pfeil
und Bogen fehlten in Auſtralien, Polyneſien, Neuſeeland; ſie waren aber bei den älteſten
Pfahlbauern vorhanden, wie ſpäter bei den Aſſyrern, Ägyptern, den Skythen, Numidiern,
Thrakern, während ihn Griechen, Römer, Germanen ſchon nicht mehr benutzten. Es iſt
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[194/0210] Erſtes Buch. Land, Leute und Technik. und dort im Brauche. Wo man die Körbe dann mit Thon, Erdpech und derartigem außen oder innen beſtrich und bemerkte, daß dieſe beſtrichenen Körbe im Feuer oder in der Luft erhärteten, da war die Töpferei erfunden. Sie iſt wohl an verſchiedenen Orten der Erde ſelbſtändig entſtanden. Aber ſie fehlte doch vielen amerikaniſchen, polyneſiſchen und auſtraliſchen Stämmen. Sie bedeutet einen großen Fortſchritt für die Aufbewahrung und Bereitung von Speiſen und Getränk; mit ihr wurde erſt das eigentliche Kochen möglich. Morgan hält ſie für ſo wichtig, daß er mit ihrer Erfindung und Verbreitung ſeine Epoche der „Wildheit“ abſchließt, während Ratzel ihre Verteilung bei den rohen Stämmen für zu ungleich hält, um ſie als ſo epochemachend gelten zu laſſen. Die Glasbereitung gehört einer viel ſpäteren Zeit an: bei den Ägyptern und Phönikern iſt ſie vorhanden, wie die Glaſur der Thongefäße, die Töpferſcheibe und die Brennöfen für die Thongefäße. So groß überhaupt der Einfluß der hier kurz geſchilderten techniſchen Fortſchritte iſt, ſo genügen ſie doch keineswegs, uns ein feſtes Bild der wirtſchaftlichen Verhältniſſe der älteſten Zeiten und der roheſten Stämme zu geben. Dazu gehört ihre Verbindung mit den älteren Methoden und Arten der Herbeiſchaffung und Erwerbung der Nahrungs- mittel. 78. Die älteſten Fortſchritte der Ernährung bis zum Hackbau und der Viehzucht. Wie wir uns die älteſten menſchlichen Zuſtände auch denken mögen, darüber iſt heute die Wiſſenſchaft einig, daß die menſchliche Ernährung jener Tage auf einer occupatoriſchen Thätigkeit beruhte, und daß der Menſch (ſein Gebiß ſchon deutet es an) ebenſo animaliſche wie vegetabiliſche Nahrung ſuchte. Erſtere konnte natür- lich bei dem Mangel an Waffen und anderen techniſchen Hülfsmitteln nur in Eiern, Larven, Käfern und anderen kleinen Tieren beſtehen, die leicht zu greifen oder zu fangen waren. Daneben ſammelte der Menſch Beeren, Wurzeln und Früchte aller Art; die Körner wildwachſender Gräſer können da und dort ſchon eine Rolle geſpielt haben; von einem Anbau derſelben aber war nicht die Rede. Man kann dieſe Stufe der Nahrungs- gewinnung eigentlich nicht als Jagd und Fiſchfang bezeichnen. Dazu gehörten ſchon verbeſſerte Methoden der Gewinnung. Auch das bloße Sammeln wurde ein weſentlich anderes, wenn es mit Vorbedacht geſchah und zu Vorratsbildung, zur Mitführung der Vorräte auf der Wanderung, zu ihrer Konſervierung auf verſchiedene Art führte. Ein unſagbar wichtiger Schritt iſt es, wenn der Menſch einzuſehen beginnt, daß er die Quellen ſeiner Ernährung ſchonen und fördern muß, daß er die Fruchtbäume nicht fällen, die Vogelneſter nicht zerſtören darf, den Bienen und anderen Tieren, wenn er ihnen ihre Vorräte raubt, einen Teil laſſen muß. Gewiſſe Indianer laſſen in jedem beraubten Biberbau 12 Weibchen und 6 Männchen am Leben. Ähnliches geſchieht bei der Büffeljagd. Der Auſtralier läßt von der Yamwurzel einen Teil im Boden, damit ſie neue Knollen bilde; er hat bemerkt, daß er beim Aus- graben der Knollen durch ſeinen feuergeſpitzten Stock zugleich den Boden etwas lockere und dadurch die Neubildung der Knollen fördere. Von da iſt es nicht weit zum erſten roheſten Anbau mit Hacke und Spaten. Man hat mit Recht die früheſten geſellſchaftlich angeordneten Schongebote, Schonzeiten und Schoneinrichtungen mit der Entſtehung des Eigentums in Zuſammenhang gebracht. Um größere Jagdtiere zu erlangen oder zum Genuß von Menſchenfleiſch und -Blut zu kommen, mußte man ſchon beſſere Waffen und Fangmethoden haben: Keule und Speer, Pfeil und Bogen, Schleuder und Wurfbrett, Fanggräben, Fangleine und Blaſe- röhren mit Giftbolzen gaben die größeren Erfolge. So lange der Jäger nur in der Nähe wirkende Waffen hatte, mußte er tagelang lauern, ſtundenlang im heißen Sand oder naſſen Moraſt liegen; die fernwirkenden, hauptſächlich Pfeil und Bogen, überhoben ihn dieſer unendlichen Mühſal, verſorgten ihn ſehr viel leichter und reichlicher. Pfeil und Bogen fehlten in Auſtralien, Polyneſien, Neuſeeland; ſie waren aber bei den älteſten Pfahlbauern vorhanden, wie ſpäter bei den Aſſyrern, Ägyptern, den Skythen, Numidiern, Thrakern, während ihn Griechen, Römer, Germanen ſchon nicht mehr benutzten. Es iſt die Waffe und das Jagdwerkzeug der wichtigſten Jägervölker, die ſie teilweiſe auch bei

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Bd. 1. Leipzig, 1900, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_grundriss01_1900/210>, abgerufen am 20.04.2024.