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Schmoller, Gustav: Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Bd. 1. Leipzig, 1900.

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Erstes Buch. Land, Leute und Technik.
bis sie so viel verdienen, ein Weib zu kaufen. Sie haben einen stark entwickelten Sinn
für Besitz, man könnte sie habgierig nennen; Raubzüge, hauptsächlich Viehraubzüge,
sind im Innern sehr verbreitet. Was die wirtschaftliche Kultur so niederhält, ist die
geringe Stetigkeit und Festigkeit aller Verhältnisse, die Unfähigkeit fast aller Neger, mit
Ausnahme der Kru, das Wasser zur Schiffahrt, meist auch zum Fischfang zu nützen,
der Wege- und Brückenmangel, die Abgeschlossenheit der einzelnen kleinen Stämme unter-
einander. Zu einer Schrift haben es die Neger nirgends gebracht, den Pflug ersetzt die
Hacke, die Drehscheibe ist so unbekannt wie die eigentliche Gerberei, wohl aber ist die
Kunst des Eisenschmelzens und die Eisenverarbeitung ziemlich allgemein. Die kriege-
rischen Stämme unter ihnen sind die mit hamitisch-semitischer Blutmischung, obwohl
auch Kaffernstämme, vornehmlich die Zulus und muhamedanische Stämme im Innern
es zu einer festen militärischen Organisation gebracht haben. Ihr Familienleben steht
fast nirgends mehr auf dem tiefsten Standpunkte; die väterliche Gewalt ist meist stark
entwickelt, das Mutterrecht beseitigt. Die Mutterliebe ist eine sehr starke, zahlreiche
Kinder sind erwünscht. Zu einem höher entwickelten Staatsleben und einer Baukunst
wie die amerikanischen Halbkulturvölker in Pern und Mexiko hat es kein Negerstamm
gebracht. In einem günstigeren Erdteile würde wahrscheinlich ihre gesamte Kultur eine
höhere sein; die schwierigsten Anfänge des technischen und socialen Lebens hat diese
Rasse immerhin überwunden.

63. Ethnographische Einzelbeschreibung: die Mongolen. Die gelben,
schwarzhaarigen, rundköpfigen Menschen der mongoloiden Rasse gehören zu den kräftigsten
und leistungsfähigsten der ganzen Erde. Von den Finnen, Magyaren und Türken, welch'
letztere beide sehr viel arisches Blut in sich aufgenommen haben, reichen sie über die
mittelasiatischen Nomadenstämme der Turkmenen, Mongolen und Tibetaner bis zu den
alten Halbkulturvölkern der Chinesen und Japaner; wahrscheinlich gehören auch die
sämtlichen amerikanischen Stämme zu ihnen und die Malayen sowie viele Elemente
Indiens und der indischen Inselwelt; die Hyperboreer enthalten ebenfalls mongolisches
Blut. Allein die Chinesen sind auf gegen 400 Millionen zu beziffern; die mongoloiden
Völker zusammen auf etwa 5--600 Millionen. Mit ihrem eingedrückten Nasenbein,
ihren vortretenden Backenknochen und geschlitzten Augen sind sie trotz ihrer verschiedenen
Entwickelung und weiten Verbreitung doch überall wiederzuerkennen; fast überall zeigen
sie auch dieselbe Körperkraft, dieselbe Unempfindlichkeit und die scharfen Sinne, denselben
realistischen, zähen Nützlichkeitssinn, den Mangel an Idealismus und Individualismus,
an geistigem Schwung und Tiefsinn, wie ihn die Indogermanen besitzen. Ihre Kultur-
leistungen sind aber nicht gering. Ihre abgehärteten mittelasiatischen Nomadenstämme
haben die kräftigsten und kühnsten Menschen und Eroberer erzeugt. Auf den malayischen
Inseln, in Ostasien und Centralamerika sind von ihnen despotisch-kriegerische und fried-
lichem Hackbau ergebene große Reiche mit patriarchalisch-socialistischer Verfassung gebildet
worden; diese haben aus sich einen Grad der wirtschaftlichen Kultur geschaffen, der
zeitweise der abendländischen überlegen war. Auch der Jesuitenstaat von Paraguay
gehört hieher. Hartes Kastenwesen und Vernichtung aller individuellen Freiheit der
großen Masse entsprach dem Rassentypus, der in den warmen Flußniederungen bis zur
schlauen und weichlichen Friedfertigkeit herabsank, aber auch erstaunliche Friedenswerke
von größerer Dauer schuf als die meisten anderen Rassen. Die Chinesen, vielleicht in
Urzeiten mit der indischen oder babylonisch-assyrischen Kultur in Berührung, haben
nicht mit Eroberung sondern mit Kolonisation, freilich in einem fast wie eine Festung
geschützten und isolierten Lande, eine binnenländische, in sich geschlossene Volkswirtschaft
geschaffen, deren Erfolge die europäischen Philosophen des 18. Jahrhunderts als Muster
priesen. Die Chinesen sind das sparsamste, nüchternste, geduldigste, unermüdlichste, bieg-
samste, zäheste und größte Volk der Erde; harmlos und gutmütig, ausdauernd und
scharfsinnig, im Familienleben und in Verbänden aller Art ganz aufgehend, ohne
moderne Unternehmung und ohne Lohnproletariat, haben sie Landbau und Gartenkultur,
Straßen- und Brückenbau, Wasserverkehr im Innern, Handel und Verkehr schon vor
Jahrhunderten und Jahrtausenden entwickelt. Auf dem kleinsten Fleck Erde kommt der

Erſtes Buch. Land, Leute und Technik.
bis ſie ſo viel verdienen, ein Weib zu kaufen. Sie haben einen ſtark entwickelten Sinn
für Beſitz, man könnte ſie habgierig nennen; Raubzüge, hauptſächlich Viehraubzüge,
ſind im Innern ſehr verbreitet. Was die wirtſchaftliche Kultur ſo niederhält, iſt die
geringe Stetigkeit und Feſtigkeit aller Verhältniſſe, die Unfähigkeit faſt aller Neger, mit
Ausnahme der Kru, das Waſſer zur Schiffahrt, meiſt auch zum Fiſchfang zu nützen,
der Wege- und Brückenmangel, die Abgeſchloſſenheit der einzelnen kleinen Stämme unter-
einander. Zu einer Schrift haben es die Neger nirgends gebracht, den Pflug erſetzt die
Hacke, die Drehſcheibe iſt ſo unbekannt wie die eigentliche Gerberei, wohl aber iſt die
Kunſt des Eiſenſchmelzens und die Eiſenverarbeitung ziemlich allgemein. Die kriege-
riſchen Stämme unter ihnen ſind die mit hamitiſch-ſemitiſcher Blutmiſchung, obwohl
auch Kaffernſtämme, vornehmlich die Zulus und muhamedaniſche Stämme im Innern
es zu einer feſten militäriſchen Organiſation gebracht haben. Ihr Familienleben ſteht
faſt nirgends mehr auf dem tiefſten Standpunkte; die väterliche Gewalt iſt meiſt ſtark
entwickelt, das Mutterrecht beſeitigt. Die Mutterliebe iſt eine ſehr ſtarke, zahlreiche
Kinder ſind erwünſcht. Zu einem höher entwickelten Staatsleben und einer Baukunſt
wie die amerikaniſchen Halbkulturvölker in Pern und Mexiko hat es kein Negerſtamm
gebracht. In einem günſtigeren Erdteile würde wahrſcheinlich ihre geſamte Kultur eine
höhere ſein; die ſchwierigſten Anfänge des techniſchen und ſocialen Lebens hat dieſe
Raſſe immerhin überwunden.

63. Ethnographiſche Einzelbeſchreibung: die Mongolen. Die gelben,
ſchwarzhaarigen, rundköpfigen Menſchen der mongoloiden Raſſe gehören zu den kräftigſten
und leiſtungsfähigſten der ganzen Erde. Von den Finnen, Magyaren und Türken, welch’
letztere beide ſehr viel ariſches Blut in ſich aufgenommen haben, reichen ſie über die
mittelaſiatiſchen Nomadenſtämme der Turkmenen, Mongolen und Tibetaner bis zu den
alten Halbkulturvölkern der Chineſen und Japaner; wahrſcheinlich gehören auch die
ſämtlichen amerikaniſchen Stämme zu ihnen und die Malayen ſowie viele Elemente
Indiens und der indiſchen Inſelwelt; die Hyperboreer enthalten ebenfalls mongoliſches
Blut. Allein die Chineſen ſind auf gegen 400 Millionen zu beziffern; die mongoloiden
Völker zuſammen auf etwa 5—600 Millionen. Mit ihrem eingedrückten Naſenbein,
ihren vortretenden Backenknochen und geſchlitzten Augen ſind ſie trotz ihrer verſchiedenen
Entwickelung und weiten Verbreitung doch überall wiederzuerkennen; faſt überall zeigen
ſie auch dieſelbe Körperkraft, dieſelbe Unempfindlichkeit und die ſcharfen Sinne, denſelben
realiſtiſchen, zähen Nützlichkeitsſinn, den Mangel an Idealismus und Individualismus,
an geiſtigem Schwung und Tiefſinn, wie ihn die Indogermanen beſitzen. Ihre Kultur-
leiſtungen ſind aber nicht gering. Ihre abgehärteten mittelaſiatiſchen Nomadenſtämme
haben die kräftigſten und kühnſten Menſchen und Eroberer erzeugt. Auf den malayiſchen
Inſeln, in Oſtaſien und Centralamerika ſind von ihnen despotiſch-kriegeriſche und fried-
lichem Hackbau ergebene große Reiche mit patriarchaliſch-ſocialiſtiſcher Verfaſſung gebildet
worden; dieſe haben aus ſich einen Grad der wirtſchaftlichen Kultur geſchaffen, der
zeitweiſe der abendländiſchen überlegen war. Auch der Jeſuitenſtaat von Paraguay
gehört hieher. Hartes Kaſtenweſen und Vernichtung aller individuellen Freiheit der
großen Maſſe entſprach dem Raſſentypus, der in den warmen Flußniederungen bis zur
ſchlauen und weichlichen Friedfertigkeit herabſank, aber auch erſtaunliche Friedenswerke
von größerer Dauer ſchuf als die meiſten anderen Raſſen. Die Chineſen, vielleicht in
Urzeiten mit der indiſchen oder babyloniſch-aſſyriſchen Kultur in Berührung, haben
nicht mit Eroberung ſondern mit Koloniſation, freilich in einem faſt wie eine Feſtung
geſchützten und iſolierten Lande, eine binnenländiſche, in ſich geſchloſſene Volkswirtſchaft
geſchaffen, deren Erfolge die europäiſchen Philoſophen des 18. Jahrhunderts als Muſter
prieſen. Die Chineſen ſind das ſparſamſte, nüchternſte, geduldigſte, unermüdlichſte, bieg-
ſamſte, zäheſte und größte Volk der Erde; harmlos und gutmütig, ausdauernd und
ſcharfſinnig, im Familienleben und in Verbänden aller Art ganz aufgehend, ohne
moderne Unternehmung und ohne Lohnproletariat, haben ſie Landbau und Gartenkultur,
Straßen- und Brückenbau, Waſſerverkehr im Innern, Handel und Verkehr ſchon vor
Jahrhunderten und Jahrtauſenden entwickelt. Auf dem kleinſten Fleck Erde kommt der

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[150/0166] Erſtes Buch. Land, Leute und Technik. bis ſie ſo viel verdienen, ein Weib zu kaufen. Sie haben einen ſtark entwickelten Sinn für Beſitz, man könnte ſie habgierig nennen; Raubzüge, hauptſächlich Viehraubzüge, ſind im Innern ſehr verbreitet. Was die wirtſchaftliche Kultur ſo niederhält, iſt die geringe Stetigkeit und Feſtigkeit aller Verhältniſſe, die Unfähigkeit faſt aller Neger, mit Ausnahme der Kru, das Waſſer zur Schiffahrt, meiſt auch zum Fiſchfang zu nützen, der Wege- und Brückenmangel, die Abgeſchloſſenheit der einzelnen kleinen Stämme unter- einander. Zu einer Schrift haben es die Neger nirgends gebracht, den Pflug erſetzt die Hacke, die Drehſcheibe iſt ſo unbekannt wie die eigentliche Gerberei, wohl aber iſt die Kunſt des Eiſenſchmelzens und die Eiſenverarbeitung ziemlich allgemein. Die kriege- riſchen Stämme unter ihnen ſind die mit hamitiſch-ſemitiſcher Blutmiſchung, obwohl auch Kaffernſtämme, vornehmlich die Zulus und muhamedaniſche Stämme im Innern es zu einer feſten militäriſchen Organiſation gebracht haben. Ihr Familienleben ſteht faſt nirgends mehr auf dem tiefſten Standpunkte; die väterliche Gewalt iſt meiſt ſtark entwickelt, das Mutterrecht beſeitigt. Die Mutterliebe iſt eine ſehr ſtarke, zahlreiche Kinder ſind erwünſcht. Zu einem höher entwickelten Staatsleben und einer Baukunſt wie die amerikaniſchen Halbkulturvölker in Pern und Mexiko hat es kein Negerſtamm gebracht. In einem günſtigeren Erdteile würde wahrſcheinlich ihre geſamte Kultur eine höhere ſein; die ſchwierigſten Anfänge des techniſchen und ſocialen Lebens hat dieſe Raſſe immerhin überwunden. 63. Ethnographiſche Einzelbeſchreibung: die Mongolen. Die gelben, ſchwarzhaarigen, rundköpfigen Menſchen der mongoloiden Raſſe gehören zu den kräftigſten und leiſtungsfähigſten der ganzen Erde. Von den Finnen, Magyaren und Türken, welch’ letztere beide ſehr viel ariſches Blut in ſich aufgenommen haben, reichen ſie über die mittelaſiatiſchen Nomadenſtämme der Turkmenen, Mongolen und Tibetaner bis zu den alten Halbkulturvölkern der Chineſen und Japaner; wahrſcheinlich gehören auch die ſämtlichen amerikaniſchen Stämme zu ihnen und die Malayen ſowie viele Elemente Indiens und der indiſchen Inſelwelt; die Hyperboreer enthalten ebenfalls mongoliſches Blut. Allein die Chineſen ſind auf gegen 400 Millionen zu beziffern; die mongoloiden Völker zuſammen auf etwa 5—600 Millionen. Mit ihrem eingedrückten Naſenbein, ihren vortretenden Backenknochen und geſchlitzten Augen ſind ſie trotz ihrer verſchiedenen Entwickelung und weiten Verbreitung doch überall wiederzuerkennen; faſt überall zeigen ſie auch dieſelbe Körperkraft, dieſelbe Unempfindlichkeit und die ſcharfen Sinne, denſelben realiſtiſchen, zähen Nützlichkeitsſinn, den Mangel an Idealismus und Individualismus, an geiſtigem Schwung und Tiefſinn, wie ihn die Indogermanen beſitzen. Ihre Kultur- leiſtungen ſind aber nicht gering. Ihre abgehärteten mittelaſiatiſchen Nomadenſtämme haben die kräftigſten und kühnſten Menſchen und Eroberer erzeugt. Auf den malayiſchen Inſeln, in Oſtaſien und Centralamerika ſind von ihnen despotiſch-kriegeriſche und fried- lichem Hackbau ergebene große Reiche mit patriarchaliſch-ſocialiſtiſcher Verfaſſung gebildet worden; dieſe haben aus ſich einen Grad der wirtſchaftlichen Kultur geſchaffen, der zeitweiſe der abendländiſchen überlegen war. Auch der Jeſuitenſtaat von Paraguay gehört hieher. Hartes Kaſtenweſen und Vernichtung aller individuellen Freiheit der großen Maſſe entſprach dem Raſſentypus, der in den warmen Flußniederungen bis zur ſchlauen und weichlichen Friedfertigkeit herabſank, aber auch erſtaunliche Friedenswerke von größerer Dauer ſchuf als die meiſten anderen Raſſen. Die Chineſen, vielleicht in Urzeiten mit der indiſchen oder babyloniſch-aſſyriſchen Kultur in Berührung, haben nicht mit Eroberung ſondern mit Koloniſation, freilich in einem faſt wie eine Feſtung geſchützten und iſolierten Lande, eine binnenländiſche, in ſich geſchloſſene Volkswirtſchaft geſchaffen, deren Erfolge die europäiſchen Philoſophen des 18. Jahrhunderts als Muſter prieſen. Die Chineſen ſind das ſparſamſte, nüchternſte, geduldigſte, unermüdlichſte, bieg- ſamſte, zäheſte und größte Volk der Erde; harmlos und gutmütig, ausdauernd und ſcharfſinnig, im Familienleben und in Verbänden aller Art ganz aufgehend, ohne moderne Unternehmung und ohne Lohnproletariat, haben ſie Landbau und Gartenkultur, Straßen- und Brückenbau, Waſſerverkehr im Innern, Handel und Verkehr ſchon vor Jahrhunderten und Jahrtauſenden entwickelt. Auf dem kleinſten Fleck Erde kommt der

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Bd. 1. Leipzig, 1900, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_grundriss01_1900/166>, abgerufen am 19.04.2024.