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Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken-Philosophia, oder auffrichtige Untersuchung derer von vielen super-klugen Weibern hochgehaltenen Aberglauben. Bd. 2. Chemnitz, 1705.

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Weibern hochgehaltenen Aberglauben.
de es scheinen/ als ob die Raben eine tödtende
Seuche/ dadurch sie Häuser inficiren könten/
an sich hätten. Und da ein eintziger Rabe so viel
würcken könte/ daß der sonst ausser Gefahr ste-
hende Patiente in Todes-Noth gerathen wür-
de/ so würde es auch nicht fehlen/ daß/ wo viel
Raben oder Krähen zugleich auff einem Hause
sässen (welches sich sehr offt begiebt) die darin-
nen befindlichen gesunden Leute gewiß würden
kranck davon werden. Weil nun aber kein
Mensch/ dergleichen Exempel erfahren zu ha-
ben/ gefunden werden wird/ als muß an der er-
sten Meynung nichts seyn. Was das andere
anlanget/ als ob der Rabe oder Krähe sich eben
um deßwillen auff das Hauß setzete und schrie/
weil der Patiente/ der im Hause kranck liegt/ ge-
wiß sterben werde? so kömmt solch Fürgeben
nicht klüger heraus/ als das vorige. Denn/ wer
bringet denn dem Raben die Post/ daß in dem
oder jenem Hause ein Patiente todt-kranck liege?
deßwegen der Rabe/ als ein schwartzer Begräb-
niß-Bitter kommen/ und seinen Dienst mit sei-
nem Geschrey anbieten solle. Wolte hier nun
iemand einwenden und fürgeben/ daß die Raben
einen so starcken Geruch hätten/ und dadurch
des Patienten Wohnung von weiten ausspür-
ten; diesem sage ich dargegen: Daß/ wenn es
daher käme/ so würde gewiß nicht nur ein eintze-

ler
Q 3

Weibern hochgehaltenen Aberglauben.
de es ſcheinen/ als ob die Raben eine toͤdtende
Seuche/ dadurch ſie Haͤuſer inficiren koͤnten/
an ſich haͤtten. Und da ein eintziger Rabe ſo viel
wuͤrcken koͤnte/ daß der ſonſt auſſer Gefahr ſte-
hende Patiente in Todes-Noth gerathen wuͤr-
de/ ſo wuͤrde es auch nicht fehlen/ daß/ wo viel
Raben oder Kraͤhen zugleich auff einem Hauſe
ſaͤſſen (welches ſich ſehr offt begiebt) die darin-
nen befindlichen geſunden Leute gewiß wuͤrden
kranck davon werden. Weil nun aber kein
Menſch/ dergleichen Exempel erfahren zu ha-
ben/ gefunden werden wird/ als muß an der er-
ſten Meynung nichts ſeyn. Was das andere
anlanget/ als ob der Rabe oder Kraͤhe ſich eben
um deßwillen auff das Hauß ſetzete und ſchrie/
weil der Patiente/ der im Hauſe kranck liegt/ ge-
wiß ſterben werde? ſo koͤmmt ſolch Fuͤrgeben
nicht kluͤger heraus/ als das vorige. Denn/ wer
bringet denn dem Raben die Poſt/ daß in dem
oder jenem Hauſe ein Patiente todt-kranck liege?
deßwegen der Rabe/ als ein ſchwartzer Begraͤb-
niß-Bitter kommen/ und ſeinen Dienſt mit ſei-
nem Geſchrey anbieten ſolle. Wolte hier nun
iemand einwenden und fuͤrgeben/ daß die Raben
einen ſo ſtarcken Geruch haͤtten/ und dadurch
des Patienten Wohnung von weiten ausſpuͤr-
ten; dieſem ſage ich dargegen: Daß/ wenn es
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Q 3
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[245/0069] Weibern hochgehaltenen Aberglauben. de es ſcheinen/ als ob die Raben eine toͤdtende Seuche/ dadurch ſie Haͤuſer inficiren koͤnten/ an ſich haͤtten. Und da ein eintziger Rabe ſo viel wuͤrcken koͤnte/ daß der ſonſt auſſer Gefahr ſte- hende Patiente in Todes-Noth gerathen wuͤr- de/ ſo wuͤrde es auch nicht fehlen/ daß/ wo viel Raben oder Kraͤhen zugleich auff einem Hauſe ſaͤſſen (welches ſich ſehr offt begiebt) die darin- nen befindlichen geſunden Leute gewiß wuͤrden kranck davon werden. Weil nun aber kein Menſch/ dergleichen Exempel erfahren zu ha- ben/ gefunden werden wird/ als muß an der er- ſten Meynung nichts ſeyn. Was das andere anlanget/ als ob der Rabe oder Kraͤhe ſich eben um deßwillen auff das Hauß ſetzete und ſchrie/ weil der Patiente/ der im Hauſe kranck liegt/ ge- wiß ſterben werde? ſo koͤmmt ſolch Fuͤrgeben nicht kluͤger heraus/ als das vorige. Denn/ wer bringet denn dem Raben die Poſt/ daß in dem oder jenem Hauſe ein Patiente todt-kranck liege? deßwegen der Rabe/ als ein ſchwartzer Begraͤb- niß-Bitter kommen/ und ſeinen Dienſt mit ſei- nem Geſchrey anbieten ſolle. Wolte hier nun iemand einwenden und fuͤrgeben/ daß die Raben einen ſo ſtarcken Geruch haͤtten/ und dadurch des Patienten Wohnung von weiten ausſpuͤr- ten; dieſem ſage ich dargegen: Daß/ wenn es daher kaͤme/ ſo wuͤrde gewiß nicht nur ein eintze- ler Q 3

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Zitationshilfe: Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken-Philosophia, oder auffrichtige Untersuchung derer von vielen super-klugen Weibern hochgehaltenen Aberglauben. Bd. 2. Chemnitz, 1705, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmidt_rockenphilosophia02_1705/69>, abgerufen am 25.04.2024.