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Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken-Philosophia, oder auffrichtige Untersuchung derer von vielen super-klugen Weibern hochgehaltenen Aberglauben. Bd. 2. Chemnitz, 1705.

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Weibern hochgehaltenen Aberglauben.
der Raths-Diener nur zum Spaß vornahm/ wie
ich selbst/ aus seinem eigenen Geständniß/ da-
mahls vernommen habe; Doch kan man hier-
aus abnehmen/ wie es solchen Leuten zu gehen
pflege/ die lieber mit abergläubischen Gaucke-
leyen umgehen/ als mit natürlichen Mitteln.
Das Brod-stehlen ist unvonnöthen; denn wer
das Fieber hat/ der hat so grossen Hunger nicht/
und kan auch den Hunger eher anwenden zu Til-
gung des Fiebers/ als wenn man isset/ und weiß
ich Exempel/ daß mit Hunger das Fieber ist ver-
trieben worden. Mit Speyen oder durch ein
Brech-Mittel ist das Fieber auch bald zu heben/
aber nicht durch ein Speyen in ein paar Nuß-
schalen/ die man anhenget. Auch werden we-
der geschriebene noch geredete Worte kräfftig
seyn/ das Kalte zu verjagen/ sondern:

Wenn du das Fieber dir beständig wilt ver-
treiben/
So darffst du eben nichts auff einen Zettel
schreiben/
Es sey denn ein Recept nach Apothecker-
Kunst/
Die and're Gauckeley ist nichts und gar
umsonst.
Und wenn du speyen wilt/ so nimm was ein
zu brechen/
Worzu du ja nicht brauchst ein eintzig Wort
zu sprechen.
Laß

Weibern hochgehaltenen Aberglauben.
der Raths-Diener nur zum Spaß vornahm/ wie
ich ſelbſt/ aus ſeinem eigenen Geſtaͤndniß/ da-
mahls vernommen habe; Doch kan man hier-
aus abnehmen/ wie es ſolchen Leuten zu gehen
pflege/ die lieber mit aberglaͤubiſchen Gaucke-
leyen umgehen/ als mit natuͤrlichen Mitteln.
Das Brod-ſtehlen iſt unvonnoͤthen; denn wer
das Fieber hat/ der hat ſo groſſen Hunger nicht/
und kan auch den Hunger eher anwenden zu Til-
gung des Fiebers/ als wenn man iſſet/ und weiß
ich Exempel/ daß mit Hunger das Fieber iſt ver-
trieben worden. Mit Speyen oder durch ein
Brech-Mittel iſt das Fieber auch bald zu heben/
aber nicht durch ein Speyen in ein paar Nuß-
ſchalen/ die man anhenget. Auch werden we-
der geſchriebene noch geredete Worte kraͤfftig
ſeyn/ das Kalte zu verjagen/ ſondern:

Wenn du das Fieber dir beſtaͤndig wilt ver-
treiben/
So darffſt du eben nichts auff einen Zettel
ſchreiben/
Es ſey denn ein Recept nach Apothecker-
Kunſt/
Die and’re Gauckeley iſt nichts und gar
umſonſt.
Und wenn du ſpeyen wilt/ ſo nimm was ein
zu brechen/
Worzu du ja nicht brauchſt ein eintzig Wort
zu ſprechen.
Laß
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[411/0235] Weibern hochgehaltenen Aberglauben. der Raths-Diener nur zum Spaß vornahm/ wie ich ſelbſt/ aus ſeinem eigenen Geſtaͤndniß/ da- mahls vernommen habe; Doch kan man hier- aus abnehmen/ wie es ſolchen Leuten zu gehen pflege/ die lieber mit aberglaͤubiſchen Gaucke- leyen umgehen/ als mit natuͤrlichen Mitteln. Das Brod-ſtehlen iſt unvonnoͤthen; denn wer das Fieber hat/ der hat ſo groſſen Hunger nicht/ und kan auch den Hunger eher anwenden zu Til- gung des Fiebers/ als wenn man iſſet/ und weiß ich Exempel/ daß mit Hunger das Fieber iſt ver- trieben worden. Mit Speyen oder durch ein Brech-Mittel iſt das Fieber auch bald zu heben/ aber nicht durch ein Speyen in ein paar Nuß- ſchalen/ die man anhenget. Auch werden we- der geſchriebene noch geredete Worte kraͤfftig ſeyn/ das Kalte zu verjagen/ ſondern: Wenn du das Fieber dir beſtaͤndig wilt ver- treiben/ So darffſt du eben nichts auff einen Zettel ſchreiben/ Es ſey denn ein Recept nach Apothecker- Kunſt/ Die and’re Gauckeley iſt nichts und gar umſonſt. Und wenn du ſpeyen wilt/ ſo nimm was ein zu brechen/ Worzu du ja nicht brauchſt ein eintzig Wort zu ſprechen. Laß

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Zitationshilfe: Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken-Philosophia, oder auffrichtige Untersuchung derer von vielen super-klugen Weibern hochgehaltenen Aberglauben. Bd. 2. Chemnitz, 1705, S. 411. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmidt_rockenphilosophia02_1705/235>, abgerufen am 28.03.2024.