Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken-Philosophia, oder auffrichtige Untersuchung derer von vielen super-klugen Weibern hochgehaltenen Aberglauben. Bd. 2. Chemnitz, 1705.

Bild:
<< vorherige Seite

Untersuchung derer von super-klugen
euch hernach nicht zu helffen. Wer demnach
dieses alles recht bedeneket/ der müste ja vorsetz-
lich des Teuffels seyn wollen/ wenn er derglei-
chen Thorheit belieben solte. Vor etlichen
zwantzig Jahren war zu Mühlhausen/ in Thü-
ringen/ ein spaßhaffter Raths-Diener oder so ge-
nannter Ausreiter/ der halff unterschiedlichen
Leuten vom Fieber/ durch Anhengung eines Zet-
tels/ den er versiegelt gab/ und welchen die Pati-
enten/ nach Verlassung des Fiebers/ uneröffnet
ins fliessende Wasser werffen musten. Als nun
ein alt Weib/ welcher man sonst nicht viel Gutes
zutrauete/ sich auch dieses Ausreuters Raths be-
dienete/ aber/ nach verlassenem Fieber/ den Zet-
tel nicht/ wie ihr befohlen war/ ins Wasser warff/
sondern (um die Kunst auch zu erlernen) solches
eröffnete/ fand sie nachfolgende Worte geschrie-
ben:

Alte/ liebe Alte!
Schüttelt dich das Kalte/
So komm Hanß-Nickel/ (also hieß da-
mahls der Scharffrichter daselbst)
und brenne dich/
Soschüttelt dich das Kalte nicht.

Hierüber alterirte sich die alte Katze/ und bekam
das Fieber wieder/ biß endlich andere Zufälle
darzu kamen/ und sie zum Tode beförderten. Al-
so wohl gerieth diese schöne Fieber-Cur/ die doch

der

Unterſuchung derer von ſuper-klugen
euch hernach nicht zu helffen. Wer demnach
dieſes alles recht bedeneket/ der muͤſte ja vorſetz-
lich des Teuffels ſeyn wollen/ wenn er derglei-
chen Thorheit belieben ſolte. Vor etlichen
zwantzig Jahren war zu Muͤhlhauſen/ in Thuͤ-
ringen/ ein ſpaßhaffter Raths-Diener oder ſo ge-
nannter Ausreiter/ der halff unterſchiedlichen
Leuten vom Fieber/ durch Anhengung eines Zet-
tels/ den er verſiegelt gab/ und welchen die Pati-
enten/ nach Verlaſſung des Fiebers/ uneroͤffnet
ins flieſſende Waſſer werffen muſten. Als nun
ein alt Weib/ welcher man ſonſt nicht viel Gutes
zutrauete/ ſich auch dieſes Ausreuters Raths be-
dienete/ aber/ nach verlaſſenem Fieber/ den Zet-
tel nicht/ wie ihr befohlen war/ ins Waſſer warff/
ſondern (um die Kunſt auch zu erlernen) ſolches
eroͤffnete/ fand ſie nachfolgende Worte geſchrie-
ben:

Alte/ liebe Alte!
Schuͤttelt dich das Kalte/
So komm Hanß-Nickel/ (alſo hieß da-
mahls der Scharffrichter daſelbſt)
und brenne dich/
Soſchuͤttelt dich das Kalte nicht.

Hieruͤber alterirte ſich die alte Katze/ und bekam
das Fieber wieder/ biß endlich andere Zufaͤlle
darzu kamen/ und ſie zum Tode befoͤrderten. Al-
ſo wohl gerieth dieſe ſchoͤne Fieber-Cur/ die doch

der
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0234" n="410"/><fw place="top" type="header">Unter&#x017F;uchung derer von <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">&#x017F;uper-</hi></hi>klugen</fw><lb/>
euch hernach nicht zu helffen. Wer demnach<lb/>
die&#x017F;es alles recht bedeneket/ der mu&#x0364;&#x017F;te ja vor&#x017F;etz-<lb/>
lich des Teuffels &#x017F;eyn wollen/ wenn er derglei-<lb/>
chen Thorheit belieben &#x017F;olte. Vor etlichen<lb/>
zwantzig Jahren war zu Mu&#x0364;hlhau&#x017F;en/ in Thu&#x0364;-<lb/>
ringen/ ein &#x017F;paßhaffter Raths-Diener oder &#x017F;o ge-<lb/>
nannter Ausreiter/ der halff unter&#x017F;chiedlichen<lb/>
Leuten vom Fieber/ durch Anhengung eines Zet-<lb/>
tels/ den er ver&#x017F;iegelt gab/ und welchen die Pati-<lb/>
enten/ nach Verla&#x017F;&#x017F;ung des Fiebers/ unero&#x0364;ffnet<lb/>
ins flie&#x017F;&#x017F;ende Wa&#x017F;&#x017F;er werffen mu&#x017F;ten. Als nun<lb/>
ein alt Weib/ welcher man &#x017F;on&#x017F;t nicht viel Gutes<lb/>
zutrauete/ &#x017F;ich auch die&#x017F;es Ausreuters Raths be-<lb/>
dienete/ aber/ nach verla&#x017F;&#x017F;enem Fieber/ den Zet-<lb/>
tel nicht/ wie ihr befohlen war/ ins Wa&#x017F;&#x017F;er warff/<lb/>
&#x017F;ondern (um die Kun&#x017F;t auch zu erlernen) &#x017F;olches<lb/>
ero&#x0364;ffnete/ fand &#x017F;ie nachfolgende Worte ge&#x017F;chrie-<lb/>
ben:</p><lb/>
        <lg type="poem">
          <l>Alte/ liebe Alte!</l><lb/>
          <l>Schu&#x0364;ttelt dich das Kalte/</l><lb/>
          <l>So komm Hanß-Nickel/ (al&#x017F;o hieß da-</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">mahls der Scharffrichter da&#x017F;elb&#x017F;t)</hi> </l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">und brenne dich/</hi> </l><lb/>
          <l>So&#x017F;chu&#x0364;ttelt dich das Kalte nicht.</l>
        </lg><lb/>
        <p>Hieru&#x0364;ber <hi rendition="#aq">alterirt</hi>e &#x017F;ich die alte Katze/ und bekam<lb/>
das Fieber wieder/ biß endlich andere Zufa&#x0364;lle<lb/>
darzu kamen/ und &#x017F;ie zum Tode befo&#x0364;rderten. Al-<lb/>
&#x017F;o wohl gerieth die&#x017F;e &#x017F;cho&#x0364;ne Fieber-Cur/ die doch<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">der</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[410/0234] Unterſuchung derer von ſuper-klugen euch hernach nicht zu helffen. Wer demnach dieſes alles recht bedeneket/ der muͤſte ja vorſetz- lich des Teuffels ſeyn wollen/ wenn er derglei- chen Thorheit belieben ſolte. Vor etlichen zwantzig Jahren war zu Muͤhlhauſen/ in Thuͤ- ringen/ ein ſpaßhaffter Raths-Diener oder ſo ge- nannter Ausreiter/ der halff unterſchiedlichen Leuten vom Fieber/ durch Anhengung eines Zet- tels/ den er verſiegelt gab/ und welchen die Pati- enten/ nach Verlaſſung des Fiebers/ uneroͤffnet ins flieſſende Waſſer werffen muſten. Als nun ein alt Weib/ welcher man ſonſt nicht viel Gutes zutrauete/ ſich auch dieſes Ausreuters Raths be- dienete/ aber/ nach verlaſſenem Fieber/ den Zet- tel nicht/ wie ihr befohlen war/ ins Waſſer warff/ ſondern (um die Kunſt auch zu erlernen) ſolches eroͤffnete/ fand ſie nachfolgende Worte geſchrie- ben: Alte/ liebe Alte! Schuͤttelt dich das Kalte/ So komm Hanß-Nickel/ (alſo hieß da- mahls der Scharffrichter daſelbſt) und brenne dich/ Soſchuͤttelt dich das Kalte nicht. Hieruͤber alterirte ſich die alte Katze/ und bekam das Fieber wieder/ biß endlich andere Zufaͤlle darzu kamen/ und ſie zum Tode befoͤrderten. Al- ſo wohl gerieth dieſe ſchoͤne Fieber-Cur/ die doch der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schmidt_rockenphilosophia02_1705
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schmidt_rockenphilosophia02_1705/234
Zitationshilfe: Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken-Philosophia, oder auffrichtige Untersuchung derer von vielen super-klugen Weibern hochgehaltenen Aberglauben. Bd. 2. Chemnitz, 1705, S. 410. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmidt_rockenphilosophia02_1705/234>, abgerufen am 29.03.2024.