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Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken-Philosophia, oder auffrichtige Untersuchung derer von vielen super-klugen Weibern hochgehaltenen Aberglauben. Bd. 2. Chemnitz, 1705.

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Weibern hochgehaltenen Aberglauben.
gleich am Weyhnacht-Abend alle Reiffe in mei-
nem Hause von denen Gefässen abgesprungen
wären/ solche mich doch in keine Furcht für dem
Tod stürtzen sollen. Das ist wahr/ daß ein Reiff/
welcher von einem Gefäß springet/ eine gar fei-
ne Veranlassung zur guten Betrachtung des To-
des und Sterbens geben kan. Denn der Reiff
springet plößlich und unvermuthet ab; dabey ein
Christ sich gar wohl erinnern kan/ wie plötzlich
und unverhofft die Seele sich vom Leibe durch
den Tod müsse scheiden lassen. Und wie ein Ge-
fäß/ davon die Reiffen gesprungen/ zerfället und
zunichte wird; also/ wenn die Seele sich vom Lei-
be geschieden/ wird der Leib auch zunichte/ und
zerfället in eintzele Knochen/ wie die Tauben ei-
nes Gefässes. Wer aber um des Weyhnacht-
Abends willen sich vom Reiff-Abspringen einige
Rechnung macht/ ist ein Thor und abergläubi-
scher Geck.

Wenn um Weyhnacht-Zeit geschicht/
Daß ein Reiff vom Fasse bricht/
Darffst du dich darum nicht kräncken/
GOtt kan dir das Leben schencken.
Und obgleich kein Reiff springt ab/
Trägt man dich doch wohl zu Grab.
Drum magst du zu allen Zeiten
Dich zum Tode wohl bereiten.
Das
X

Weibern hochgehaltenen Aberglauben.
gleich am Weyhnacht-Abend alle Reiffe in mei-
nem Hauſe von denen Gefaͤſſen abgeſprungen
waͤren/ ſolche mich doch in keine Furcht fuͤr dem
Tod ſtuͤrtzen ſollen. Das iſt wahr/ daß ein Reiff/
welcher von einem Gefaͤß ſpringet/ eine gar fei-
ne Veranlaſſung zur guten Betrachtung des To-
des und Sterbens geben kan. Denn der Reiff
ſpringet ploͤßlich und unvermuthet ab; dabey ein
Chriſt ſich gar wohl erinnern kan/ wie ploͤtzlich
und unverhofft die Seele ſich vom Leibe durch
den Tod muͤſſe ſcheiden laſſen. Und wie ein Ge-
faͤß/ davon die Reiffen geſprungen/ zerfaͤllet und
zunichte wird; alſo/ wenn die Seele ſich vom Lei-
be geſchieden/ wird der Leib auch zunichte/ und
zerfaͤllet in eintzele Knochen/ wie die Tauben ei-
nes Gefaͤſſes. Wer aber um des Weyhnacht-
Abends willen ſich vom Reiff-Abſpringen einige
Rechnung macht/ iſt ein Thor und aberglaͤubi-
ſcher Geck.

Wenn um Weyhnacht-Zeit geſchicht/
Daß ein Reiff vom Faſſe bricht/
Darffſt du dich darum nicht kraͤncken/
GOtt kan dir das Leben ſchencken.
Und obgleich kein Reiff ſpringt ab/
Traͤgt man dich doch wohl zu Grab.
Drum magſt du zu allen Zeiten
Dich zum Tode wohl bereiten.
Das
X
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[321/0145] Weibern hochgehaltenen Aberglauben. gleich am Weyhnacht-Abend alle Reiffe in mei- nem Hauſe von denen Gefaͤſſen abgeſprungen waͤren/ ſolche mich doch in keine Furcht fuͤr dem Tod ſtuͤrtzen ſollen. Das iſt wahr/ daß ein Reiff/ welcher von einem Gefaͤß ſpringet/ eine gar fei- ne Veranlaſſung zur guten Betrachtung des To- des und Sterbens geben kan. Denn der Reiff ſpringet ploͤßlich und unvermuthet ab; dabey ein Chriſt ſich gar wohl erinnern kan/ wie ploͤtzlich und unverhofft die Seele ſich vom Leibe durch den Tod muͤſſe ſcheiden laſſen. Und wie ein Ge- faͤß/ davon die Reiffen geſprungen/ zerfaͤllet und zunichte wird; alſo/ wenn die Seele ſich vom Lei- be geſchieden/ wird der Leib auch zunichte/ und zerfaͤllet in eintzele Knochen/ wie die Tauben ei- nes Gefaͤſſes. Wer aber um des Weyhnacht- Abends willen ſich vom Reiff-Abſpringen einige Rechnung macht/ iſt ein Thor und aberglaͤubi- ſcher Geck. Wenn um Weyhnacht-Zeit geſchicht/ Daß ein Reiff vom Faſſe bricht/ Darffſt du dich darum nicht kraͤncken/ GOtt kan dir das Leben ſchencken. Und obgleich kein Reiff ſpringt ab/ Traͤgt man dich doch wohl zu Grab. Drum magſt du zu allen Zeiten Dich zum Tode wohl bereiten. Das X

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Zitationshilfe: Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken-Philosophia, oder auffrichtige Untersuchung derer von vielen super-klugen Weibern hochgehaltenen Aberglauben. Bd. 2. Chemnitz, 1705, S. 321. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmidt_rockenphilosophia02_1705/145>, abgerufen am 24.04.2024.