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Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken-Philosophia, oder auffrichtige Untersuchung derer von vielen super-klugen Weibern hochgehaltenen Aberglauben. Bd. 2. Chemnitz, 1705.

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Weibern hochgehaltenen Aberglauben.
So müst ich längst gestorben seyn; denn wie
ich les' und höre/
So soll derjen'ge sterben bald/ der ein Erd-
Hühngen siehet?
Und wer/ wenn er dergleichen hört/ nicht al-
sobald entfliehet.
Ich aber habs gehört/ gesehn/ gefangen und
erträncket/
Doch leb ich noch so lang GOtt will/ der mir
das Leben schencket.
Drum glaub ich diesem Mährlein nicht/
denn ich hab wohl er wogen/
Daß es nur eine Thorheit sey/ und gantz
und gar erlogen.
Das 52. Capitel.

Ohren-Schmaltz an die Degen-
Spitze genrichen/ wenn man duelliren
will/ das löset des andern Festig-
keit auff.

WEr die Courage hinter oder aus den Oh-
ren hervor suchet/ wenn er duelliren will/
der möchte seine Schlägerey lieber gar
einstellen/ denn der andere ist ihm gewiß zu feste.
Und wenn einer schon so verzagt ist/ daß er sich
einbildet/ der andere möchte feste seyn/ so ist die
Schlacht schon verlohren/ und wird kein Ohren-
Schmaltz etwas erwündschtes effectuiren kön-

nen.
U
Weibern hochgehaltenen Aberglauben.
So müſt ich laͤngſt geſtorben ſeyn; denn wie
ich leſ’ und hoͤre/
So ſoll derjen’ge ſterben bald/ der ein Erd-
Huͤhngen ſiehet?
Und wer/ wenn er dergleichen hoͤrt/ nicht al-
ſobald entfliehet.
Ich aber habs gehoͤrt/ geſehn/ gefangen und
ertraͤncket/
Doch leb ich noch ſo lang GOtt will/ der mir
das Leben ſchencket.
Drum glaub ich dieſem Maͤhrlein nicht/
denn ich hab wohl er wogen/
Daß es nur eine Thorheit ſey/ und gantz
und gar erlogen.
Das 52. Capitel.

Ohren-Schmaltz an die Degen-
Spitze genrichen/ wenn man duelliren
will/ das loͤſet des andern Feſtig-
keit auff.

WEr die Courage hinter oder aus den Oh-
ren hervor ſuchet/ wenn er duelliꝛen will/
der moͤchte ſeine Schlaͤgerey lieber gar
einſtellen/ denn der andere iſt ihm gewiß zu feſte.
Und wenn einer ſchon ſo verzagt iſt/ daß er ſich
einbildet/ der andere moͤchte feſte ſeyn/ ſo iſt die
Schlacht ſchon verlohren/ und wird kein Ohren-
Schmaltz etwas erwuͤndſchtes effectuiren koͤn-

nen.
U
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[305/0129] Weibern hochgehaltenen Aberglauben. So müſt ich laͤngſt geſtorben ſeyn; denn wie ich leſ’ und hoͤre/ So ſoll derjen’ge ſterben bald/ der ein Erd- Huͤhngen ſiehet? Und wer/ wenn er dergleichen hoͤrt/ nicht al- ſobald entfliehet. Ich aber habs gehoͤrt/ geſehn/ gefangen und ertraͤncket/ Doch leb ich noch ſo lang GOtt will/ der mir das Leben ſchencket. Drum glaub ich dieſem Maͤhrlein nicht/ denn ich hab wohl er wogen/ Daß es nur eine Thorheit ſey/ und gantz und gar erlogen. Das 52. Capitel. Ohren-Schmaltz an die Degen- Spitze genrichen/ wenn man duelliren will/ das loͤſet des andern Feſtig- keit auff. WEr die Courage hinter oder aus den Oh- ren hervor ſuchet/ wenn er duelliꝛen will/ der moͤchte ſeine Schlaͤgerey lieber gar einſtellen/ denn der andere iſt ihm gewiß zu feſte. Und wenn einer ſchon ſo verzagt iſt/ daß er ſich einbildet/ der andere moͤchte feſte ſeyn/ ſo iſt die Schlacht ſchon verlohren/ und wird kein Ohren- Schmaltz etwas erwuͤndſchtes effectuiren koͤn- nen. U

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Zitationshilfe: Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken-Philosophia, oder auffrichtige Untersuchung derer von vielen super-klugen Weibern hochgehaltenen Aberglauben. Bd. 2. Chemnitz, 1705, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmidt_rockenphilosophia02_1705/129>, abgerufen am 28.03.2024.