Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken-Philosophia, oder auffrichtige Untersuchung derer von vielen super-klugen Weibern hochgehaltenen Aberglauben. Bd. 2. Chemnitz, 1705.

Bild:
<< vorherige Seite

Untersuchung derer von super-klugen
bekennen müssen/ daß/ wenn er zu solcher Jah-
res-Zeit abgeschnitten wird/ von Natur nicht
wieder wachsen kan/ weil die Krafft aus der
Wurtzel in den Schilff gegangen/ und beym Ab-
schneiden tritt das Wasser hinein/ und macht in
der entkräffteten Wurtzel eine Fäulung/ dadurch
sie vergehen. Jedoch erhalten sich gleichwohl
noch solche Zäserlein/ die übers Jahr wieder aus-
schlagen. Und dergleichen Bewandniß hat es
auch mit denen Dornen/ wenn sie im Julio oder
Augusto ausgegraben werden. Es ist bekannt/
daß im Frühlinge die fette Weitzen-Saat offt
mit Sensen und Sicheln abgehauen und ge-
schnitten wird/ welches die Bauern Weitzen-
Schrepffen nennen/ und dieser Weitzen wächset
auffs herrlichste wieder in die Höhe; Alleine es
versuche es einer/ und schneide ihn ab/ wenn er
blühet/ so wird er nimmermehr wieder in die Hö-
he wachsen/ denn der Kopff und Hertz sind hin-
weg. Wenn einem Krebse die Scheeren abge-
brochen werden/ bleibt er wohl lebendig/ aber
wenn ihm der Kopff zerdruckt wird/ muß er ster-
ben; Also kan freylich der auffgewachsene
Schilff/ wenn es zu der Zeit/ da es schon ausge-
wachsen hat/ mit Strumpff und Stiel/ so zu re-
den/ abgeschnitten wird/ nicht wieder wachsen.
Damit aber die abergläubische Rotte gleichwohl
ihrem Vorgeben ein scheinbares Färbgen an-

streichen/

Unterſuchung derer von ſuper-klugen
bekennen muͤſſen/ daß/ wenn er zu ſolcher Jah-
res-Zeit abgeſchnitten wird/ von Natur nicht
wieder wachſen kan/ weil die Krafft aus der
Wurtzel in den Schilff gegangen/ und beym Ab-
ſchneiden tritt das Waſſer hinein/ und macht in
der entkraͤffteten Wurtzel eine Faͤulung/ dadurch
ſie vergehen. Jedoch erhalten ſich gleichwohl
noch ſolche Zaͤſerlein/ die uͤbers Jahr wieder aus-
ſchlagen. Und dergleichen Bewandniß hat es
auch mit denen Dornen/ wenn ſie im Julio oder
Auguſto ausgegraben werden. Es iſt bekannt/
daß im Fruͤhlinge die fette Weitzen-Saat offt
mit Senſen und Sicheln abgehauen und ge-
ſchnitten wird/ welches die Bauern Weitzen-
Schrepffen nennen/ und dieſer Weitzen waͤchſet
auffs herrlichſte wieder in die Hoͤhe; Alleine es
verſuche es einer/ und ſchneide ihn ab/ wenn er
bluͤhet/ ſo wird er nimmermehr wieder in die Hoͤ-
he wachſen/ denn der Kopff und Hertz ſind hin-
weg. Wenn einem Krebſe die Scheeren abge-
brochen werden/ bleibt er wohl lebendig/ aber
wenn ihm der Kopff zerdruckt wird/ muß er ſter-
ben; Alſo kan freylich der auffgewachſene
Schilff/ wenn es zu der Zeit/ da es ſchon ausge-
wachſen hat/ mit Strumpff und Stiel/ ſo zu re-
den/ abgeſchnitten wird/ nicht wieder wachſen.
Damit aber die aberglaͤubiſche Rotte gleichwohl
ihrem Vorgeben ein ſcheinbares Faͤrbgen an-

ſtreichen/
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0120" n="296"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#fr">Unter&#x017F;uchung derer von</hi><hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">&#x017F;uper-</hi></hi><hi rendition="#fr">klugen</hi></fw><lb/>
bekennen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en/ daß/ wenn er zu &#x017F;olcher Jah-<lb/>
res-Zeit abge&#x017F;chnitten wird/ von Natur nicht<lb/>
wieder wach&#x017F;en kan/ weil die Krafft aus der<lb/>
Wurtzel in den Schilff gegangen/ und beym Ab-<lb/>
&#x017F;chneiden tritt das Wa&#x017F;&#x017F;er hinein/ und macht in<lb/>
der entkra&#x0364;ffteten Wurtzel eine Fa&#x0364;ulung/ dadurch<lb/>
&#x017F;ie vergehen. Jedoch erhalten &#x017F;ich gleichwohl<lb/>
noch &#x017F;olche Za&#x0364;&#x017F;erlein/ die u&#x0364;bers Jahr wieder aus-<lb/>
&#x017F;chlagen. Und dergleichen Bewandniß hat es<lb/>
auch mit denen Dornen/ wenn &#x017F;ie im Julio oder<lb/>
Augu&#x017F;to ausgegraben werden. Es i&#x017F;t bekannt/<lb/>
daß im Fru&#x0364;hlinge die fette Weitzen-Saat offt<lb/>
mit Sen&#x017F;en und Sicheln abgehauen und ge-<lb/>
&#x017F;chnitten wird/ welches die Bauern Weitzen-<lb/>
Schrepffen nennen/ und die&#x017F;er Weitzen wa&#x0364;ch&#x017F;et<lb/>
auffs herrlich&#x017F;te wieder in die Ho&#x0364;he; Alleine es<lb/>
ver&#x017F;uche es einer/ und &#x017F;chneide ihn ab/ wenn er<lb/>
blu&#x0364;het/ &#x017F;o wird er nimmermehr wieder in die Ho&#x0364;-<lb/>
he wach&#x017F;en/ denn der Kopff und Hertz &#x017F;ind hin-<lb/>
weg. Wenn einem Kreb&#x017F;e die Scheeren abge-<lb/>
brochen werden/ bleibt er wohl lebendig/ aber<lb/>
wenn ihm der Kopff zerdruckt wird/ muß er &#x017F;ter-<lb/>
ben; Al&#x017F;o kan freylich der auffgewach&#x017F;ene<lb/>
Schilff/ wenn es zu der Zeit/ da es &#x017F;chon ausge-<lb/>
wach&#x017F;en hat/ mit Strumpff und Stiel/ &#x017F;o zu re-<lb/>
den/ abge&#x017F;chnitten wird/ nicht wieder wach&#x017F;en.<lb/>
Damit aber die abergla&#x0364;ubi&#x017F;che Rotte gleichwohl<lb/>
ihrem Vorgeben ein &#x017F;cheinbares Fa&#x0364;rbgen an-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;treichen/</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[296/0120] Unterſuchung derer von ſuper-klugen bekennen muͤſſen/ daß/ wenn er zu ſolcher Jah- res-Zeit abgeſchnitten wird/ von Natur nicht wieder wachſen kan/ weil die Krafft aus der Wurtzel in den Schilff gegangen/ und beym Ab- ſchneiden tritt das Waſſer hinein/ und macht in der entkraͤffteten Wurtzel eine Faͤulung/ dadurch ſie vergehen. Jedoch erhalten ſich gleichwohl noch ſolche Zaͤſerlein/ die uͤbers Jahr wieder aus- ſchlagen. Und dergleichen Bewandniß hat es auch mit denen Dornen/ wenn ſie im Julio oder Auguſto ausgegraben werden. Es iſt bekannt/ daß im Fruͤhlinge die fette Weitzen-Saat offt mit Senſen und Sicheln abgehauen und ge- ſchnitten wird/ welches die Bauern Weitzen- Schrepffen nennen/ und dieſer Weitzen waͤchſet auffs herrlichſte wieder in die Hoͤhe; Alleine es verſuche es einer/ und ſchneide ihn ab/ wenn er bluͤhet/ ſo wird er nimmermehr wieder in die Hoͤ- he wachſen/ denn der Kopff und Hertz ſind hin- weg. Wenn einem Krebſe die Scheeren abge- brochen werden/ bleibt er wohl lebendig/ aber wenn ihm der Kopff zerdruckt wird/ muß er ſter- ben; Alſo kan freylich der auffgewachſene Schilff/ wenn es zu der Zeit/ da es ſchon ausge- wachſen hat/ mit Strumpff und Stiel/ ſo zu re- den/ abgeſchnitten wird/ nicht wieder wachſen. Damit aber die aberglaͤubiſche Rotte gleichwohl ihrem Vorgeben ein ſcheinbares Faͤrbgen an- ſtreichen/

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schmidt_rockenphilosophia02_1705
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schmidt_rockenphilosophia02_1705/120
Zitationshilfe: Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken-Philosophia, oder auffrichtige Untersuchung derer von vielen super-klugen Weibern hochgehaltenen Aberglauben. Bd. 2. Chemnitz, 1705, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmidt_rockenphilosophia02_1705/120>, abgerufen am 18.04.2024.