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Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken-Philosophia, oder auffrichtige Untersuchung derer von vielen super-klugen Weibern hochgehaltenen Aberglauben. Bd. 2. Chemnitz, 1705.

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Weibern hochgehaltenen Aberglauben.
jenige/ welcher über Land reiten will/ gleich
aus einer Stube ausgienge/ allwo zehen Weiber
und Mägde sässen und spönnen/ so würde er sich
darüber keine Sorge machen/ als ob er deßwe-
gen unglücklich reisen möchte; Also wird damit
zur Gnüge [ - 1 Zeichen fehlt] wiesen/ daß das Spinnen nichts
Böses andeuten müsse/ sondern das Entgegen-
kommen einer Weibs-Person müste solcher Ge-
stalt verstanden werden/ sie möge spinnen oder
nicht. Denn wenn das Spinnen etwas Böses
bedeutete/ so müsten diejenigen/ welche in der
Stuben oder Hause/ allwo der Mann ausge-
het/ sitzen und spinnen/ vielmehr etwas Böses be-
deuten/ weil diese ihm viel näher sind als jene/ die
ihm auff dem Felde begegnet. Soll aber das
blosse Entgegenkommen eines Weibes das böse
Zeichen seyn/ warum ein Reiter nöthig hätte
wieder umzukehren/ so wolle man doch erwegen/
wieviel mahl mancher müste umkehren/ und ei-
nen andern Weg suchen? ja man würde offt
nicht einmahl an den Ort gelangen können/ wo-
hin man zu reiten gedächte/ weil auff mancher
Strasse ohne Unterlaß Weibs-Personen hin
und wieder gehen. Und weil ich auch mein Le-
betage nicht erfahren habe/ daß einig Bedencken
gemacht würde/ fortzureiten/ ob einem gleich
auch zehen Weibs-Personen begegneten/ also
kan es nicht fehlen/ das gantze Werck und Vor-

geben/

Weibern hochgehaltenen Aberglauben.
jenige/ welcher uͤber Land reiten will/ gleich
aus einer Stube ausgienge/ allwo zehen Weiber
und Maͤgde ſaͤſſen und ſpoͤnnen/ ſo wuͤrde er ſich
daruͤber keine Sorge machen/ als ob er deßwe-
gen ungluͤcklich reiſen moͤchte; Alſo wird damit
zur Gnuͤge [ – 1 Zeichen fehlt] wieſen/ daß das Spinnen nichts
Boͤſes andeuten muͤſſe/ ſondern das Entgegen-
kommen einer Weibs-Perſon muͤſte ſolcher Ge-
ſtalt verſtanden werden/ ſie moͤge ſpinnen oder
nicht. Denn wenn das Spinnen etwas Boͤſes
bedeutete/ ſo muͤſten diejenigen/ welche in der
Stuben oder Hauſe/ allwo der Mann ausge-
het/ ſitzen und ſpinnen/ vielmehr etwas Boͤſes be-
deuten/ weil dieſe ihm viel naͤher ſind als jene/ die
ihm auff dem Felde begegnet. Soll aber das
bloſſe Entgegenkommen eines Weibes das boͤſe
Zeichen ſeyn/ warum ein Reiter noͤthig haͤtte
wieder umzukehren/ ſo wolle man doch erwegen/
wieviel mahl mancher muͤſte umkehren/ und ei-
nen andern Weg ſuchen? ja man wuͤrde offt
nicht einmahl an den Ort gelangen koͤnnen/ wo-
hin man zu reiten gedaͤchte/ weil auff mancher
Straſſe ohne Unterlaß Weibs-Perſonen hin
und wieder gehen. Und weil ich auch mein Le-
betage nicht erfahren habe/ daß einig Bedencken
gemacht wuͤrde/ fortzureiten/ ob einem gleich
auch zehen Weibs-Perſonen begegneten/ alſo
kan es nicht fehlen/ das gantze Werck und Vor-

geben/
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[285/0109] Weibern hochgehaltenen Aberglauben. jenige/ welcher uͤber Land reiten will/ gleich aus einer Stube ausgienge/ allwo zehen Weiber und Maͤgde ſaͤſſen und ſpoͤnnen/ ſo wuͤrde er ſich daruͤber keine Sorge machen/ als ob er deßwe- gen ungluͤcklich reiſen moͤchte; Alſo wird damit zur Gnuͤge _ wieſen/ daß das Spinnen nichts Boͤſes andeuten muͤſſe/ ſondern das Entgegen- kommen einer Weibs-Perſon muͤſte ſolcher Ge- ſtalt verſtanden werden/ ſie moͤge ſpinnen oder nicht. Denn wenn das Spinnen etwas Boͤſes bedeutete/ ſo muͤſten diejenigen/ welche in der Stuben oder Hauſe/ allwo der Mann ausge- het/ ſitzen und ſpinnen/ vielmehr etwas Boͤſes be- deuten/ weil dieſe ihm viel naͤher ſind als jene/ die ihm auff dem Felde begegnet. Soll aber das bloſſe Entgegenkommen eines Weibes das boͤſe Zeichen ſeyn/ warum ein Reiter noͤthig haͤtte wieder umzukehren/ ſo wolle man doch erwegen/ wieviel mahl mancher muͤſte umkehren/ und ei- nen andern Weg ſuchen? ja man wuͤrde offt nicht einmahl an den Ort gelangen koͤnnen/ wo- hin man zu reiten gedaͤchte/ weil auff mancher Straſſe ohne Unterlaß Weibs-Perſonen hin und wieder gehen. Und weil ich auch mein Le- betage nicht erfahren habe/ daß einig Bedencken gemacht wuͤrde/ fortzureiten/ ob einem gleich auch zehen Weibs-Perſonen begegneten/ alſo kan es nicht fehlen/ das gantze Werck und Vor- geben/

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Zitationshilfe: Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken-Philosophia, oder auffrichtige Untersuchung derer von vielen super-klugen Weibern hochgehaltenen Aberglauben. Bd. 2. Chemnitz, 1705, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmidt_rockenphilosophia02_1705/109>, abgerufen am 28.03.2024.