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Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken-Philosophia, oder auffrichtige Untersuchung derer von vielen super-klugen Weibern hochgehaltenen Aberglauben. Bd. 1. Chemnitz, 1705.

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Weibern hochgehaltenen Aberglauben.
Brod aber/ fressen sie die Sprache gar/ und heist
hernach/ als wie von denen super-klugen Wei-
bern gesagt wird: Sie hat die Klugheit gar ge-
fressen; also auch hier: Das Kind hat die Spra-
che gar gefressen. Und was bedürffen die guten
Weiber auch den Beweiß weit zusuchen; ists
denn nicht genug/ daß die Bettel-Kinder solches
selbst bezeugen/ wenn sie gut betteln/ singen/ be-
ten/ fluchen und plaudern können/ wie die tägli-
che Erfahrung lehret. Aber ihr lieben Wei-
ber/ das Ding will mir gleichwohl nicht recht
in Kopff; denn wenn ich bedencke/ daß die
Bettel-Kinder eben durch das Reden und Bet-
teln/ das Brod/ welches vor den Empfang kein
Bettel-Brod ist/ erst zu Bettel-Brod machen/
und solchergestalt das Brod/ die Krafft der Kin-
der Rede zu befördern/ von denen Bettel Leuten
erlangen müste/ so kan der Bettel-Kinder ihre
Rede und fertige Zunge/ nicht von Bettel-Bro-
de kommen/ und ist demnach eure Meynung
gantz ungegründet. Ich will euch aber einen
bessern Rath geben/ der gewiß die Probe halten
wird/ nehmlich: Wenn ihr ein Kind wollet
bald reden lernen/ so sehet zu/ daß ihr ein fein klug
armes Kind/ das fein zierlich redt/ bekommet/
gebt ihme nothdürfftige Verpflegung/ und las-
set es mit euern Kinde fleißig spielen und schwa-
tzen/ so wette ich/ daß euer Kind besser wird re-

den

Weibern hochgehaltenen Aberglauben.
Brod aber/ freſſen ſie die Sprache gar/ und heiſt
hernach/ als wie von denen ſuper-klugen Wei-
bern geſagt wird: Sie hat die Klugheit gar ge-
freſſen; alſo auch hier: Das Kind hat die Spra-
che gar gefreſſen. Und was beduͤrffen die guten
Weiber auch den Beweiß weit zuſuchen; iſts
denn nicht genug/ daß die Bettel-Kinder ſolches
ſelbſt bezeugen/ wenn ſie gut betteln/ ſingen/ be-
ten/ fluchen und plaudern koͤnnen/ wie die taͤgli-
che Erfahrung lehret. Aber ihr lieben Wei-
ber/ das Ding will mir gleichwohl nicht recht
in Kopff; denn wenn ich bedencke/ daß die
Bettel-Kinder eben durch das Reden und Bet-
teln/ das Brod/ welches vor den Empfang kein
Bettel-Brod iſt/ erſt zu Bettel-Brod machen/
und ſolchergeſtalt das Brod/ die Krafft der Kin-
der Rede zu befoͤrdern/ von denen Bettel Leuten
erlangen muͤſte/ ſo kan der Bettel-Kinder ihre
Rede und fertige Zunge/ nicht von Bettel-Bro-
de kommen/ und iſt demnach eure Meynung
gantz ungegruͤndet. Ich will euch aber einen
beſſern Rath geben/ der gewiß die Probe halten
wird/ nehmlich: Wenn ihr ein Kind wollet
bald reden lernen/ ſo ſehet zu/ daß ihr ein fein klug
armes Kind/ das fein zierlich redt/ bekommet/
gebt ihme nothduͤrfftige Verpflegung/ und laſ-
ſet es mit euern Kinde fleißig ſpielen und ſchwa-
tzen/ ſo wette ich/ daß euer Kind beſſer wird re-

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[29/0051] Weibern hochgehaltenen Aberglauben. Brod aber/ freſſen ſie die Sprache gar/ und heiſt hernach/ als wie von denen ſuper-klugen Wei- bern geſagt wird: Sie hat die Klugheit gar ge- freſſen; alſo auch hier: Das Kind hat die Spra- che gar gefreſſen. Und was beduͤrffen die guten Weiber auch den Beweiß weit zuſuchen; iſts denn nicht genug/ daß die Bettel-Kinder ſolches ſelbſt bezeugen/ wenn ſie gut betteln/ ſingen/ be- ten/ fluchen und plaudern koͤnnen/ wie die taͤgli- che Erfahrung lehret. Aber ihr lieben Wei- ber/ das Ding will mir gleichwohl nicht recht in Kopff; denn wenn ich bedencke/ daß die Bettel-Kinder eben durch das Reden und Bet- teln/ das Brod/ welches vor den Empfang kein Bettel-Brod iſt/ erſt zu Bettel-Brod machen/ und ſolchergeſtalt das Brod/ die Krafft der Kin- der Rede zu befoͤrdern/ von denen Bettel Leuten erlangen muͤſte/ ſo kan der Bettel-Kinder ihre Rede und fertige Zunge/ nicht von Bettel-Bro- de kommen/ und iſt demnach eure Meynung gantz ungegruͤndet. Ich will euch aber einen beſſern Rath geben/ der gewiß die Probe halten wird/ nehmlich: Wenn ihr ein Kind wollet bald reden lernen/ ſo ſehet zu/ daß ihr ein fein klug armes Kind/ das fein zierlich redt/ bekommet/ gebt ihme nothduͤrfftige Verpflegung/ und laſ- ſet es mit euern Kinde fleißig ſpielen und ſchwa- tzen/ ſo wette ich/ daß euer Kind beſſer wird re- den

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Zitationshilfe: Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken-Philosophia, oder auffrichtige Untersuchung derer von vielen super-klugen Weibern hochgehaltenen Aberglauben. Bd. 1. Chemnitz, 1705, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmidt_rockenphilosophia01_1705/51>, abgerufen am 28.03.2024.