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Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken-Philosophia, oder auffrichtige Untersuchung derer von vielen super-klugen Weibern hochgehaltenen Aberglauben. Bd. 1. Chemnitz, 1705.

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Untersuchung derer von super-klugen
ste hinabwarts gehen/ antwortet er: Er wüste
seiner Frauen ihre Natur am besten/ sie hätte al-
lezeit die Art gehabt/ daß sie wieder den Strohm
gestrebet hätte/ also würde sie nicht ietzt diesen Au-
genblick ihre Natur geändert haben. Hätte der
ehrliche Mann sich auff das stillschweigende
Wasser-Holen verstanden/ so hätte er seine im
still-schweigenden Wasser ersoffene Frau viel-
leicht nicht dem Fluß entgegen gesucht. Zum
andern ist auch bewust/ daß/ wenn man dem
Strohme entgegen schöpffet/ so gehet es nicht so
stille zu/ als wie bey dem Hinab-schöpffen/ sondern
es giebt ein grösser Geräusch. Ist dahero kein
Wunder/ daß das stillschweigende Wasser muß
hinabwarts geschöpffet werden; und wenn es
gebraucht ist/ worzu es hat gesolt/ so muß es auch
wieder ins fliessende Wasser getragen/ und dem
Flusse nachgegossen werden/ so kan es nicht feh-
len/ der Fluß nimmt alles mit sich hinweg. Die-
sem allen aber ungeachtet kömmt mir doch das
stillschweigende Wasser/ und dessen Krafft/ sehr
verdächtig vor. Alles Wasser ist ja stillsch wei-
gend Wasser/ denn ich habe mein Lebetage kein
redend Wasser gesehen. Wenn es aber daher
also genennet wird/ weil diejenige Person/ die es
holet/ stille schweiget/ und nichts redet/ biß sie es
an Ort und Stelle bringet/ [wiewohl ich eins-
mahls einer Magd mit einem Topffe begegnete/

und

Unterſuchung derer von ſuper-klugen
ſte hinabwarts gehen/ antwortet er: Er wuͤſte
ſeiner Frauen ihre Natur am beſten/ ſie haͤtte al-
lezeit die Art gehabt/ daß ſie wieder den Strohm
geſtrebet haͤtte/ alſo wuͤrde ſie nicht ietzt dieſen Au-
genblick ihre Natur geaͤndert haben. Haͤtte der
ehrliche Mann ſich auff das ſtillſchweigende
Waſſer-Holen verſtanden/ ſo haͤtte er ſeine im
ſtill-ſchweigenden Waſſer erſoffene Frau viel-
leicht nicht dem Fluß entgegen geſucht. Zum
andern iſt auch bewuſt/ daß/ wenn man dem
Strohme entgegen ſchoͤpffet/ ſo gehet es nicht ſo
ſtille zu/ als wie bey dem Hinab-ſchoͤpffen/ ſondern
es giebt ein groͤſſer Geraͤuſch. Iſt dahero kein
Wunder/ daß das ſtillſchweigende Waſſer muß
hinabwarts geſchoͤpffet werden; und wenn es
gebraucht iſt/ worzu es hat geſolt/ ſo muß es auch
wieder ins flieſſende Waſſer getragen/ und dem
Fluſſe nachgegoſſen werden/ ſo kan es nicht feh-
len/ der Fluß nimmt alles mit ſich hinweg. Die-
ſem allen aber ungeachtet koͤmmt mir doch das
ſtillſchweigende Waſſer/ und deſſen Krafft/ ſehr
verdaͤchtig vor. Alles Waſſer iſt ja ſtillſch wei-
gend Waſſer/ denn ich habe mein Lebetage kein
redend Waſſer geſehen. Wenn es aber daher
alſo genennet wird/ weil diejenige Perſon/ die es
holet/ ſtille ſchweiget/ und nichts redet/ biß ſie es
an Ort und Stelle bringet/ [wiewohl ich eins-
mahls einer Magd mit einem Topffe begegnete/

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[152/0174] Unterſuchung derer von ſuper-klugen ſte hinabwarts gehen/ antwortet er: Er wuͤſte ſeiner Frauen ihre Natur am beſten/ ſie haͤtte al- lezeit die Art gehabt/ daß ſie wieder den Strohm geſtrebet haͤtte/ alſo wuͤrde ſie nicht ietzt dieſen Au- genblick ihre Natur geaͤndert haben. Haͤtte der ehrliche Mann ſich auff das ſtillſchweigende Waſſer-Holen verſtanden/ ſo haͤtte er ſeine im ſtill-ſchweigenden Waſſer erſoffene Frau viel- leicht nicht dem Fluß entgegen geſucht. Zum andern iſt auch bewuſt/ daß/ wenn man dem Strohme entgegen ſchoͤpffet/ ſo gehet es nicht ſo ſtille zu/ als wie bey dem Hinab-ſchoͤpffen/ ſondern es giebt ein groͤſſer Geraͤuſch. Iſt dahero kein Wunder/ daß das ſtillſchweigende Waſſer muß hinabwarts geſchoͤpffet werden; und wenn es gebraucht iſt/ worzu es hat geſolt/ ſo muß es auch wieder ins flieſſende Waſſer getragen/ und dem Fluſſe nachgegoſſen werden/ ſo kan es nicht feh- len/ der Fluß nimmt alles mit ſich hinweg. Die- ſem allen aber ungeachtet koͤmmt mir doch das ſtillſchweigende Waſſer/ und deſſen Krafft/ ſehr verdaͤchtig vor. Alles Waſſer iſt ja ſtillſch wei- gend Waſſer/ denn ich habe mein Lebetage kein redend Waſſer geſehen. Wenn es aber daher alſo genennet wird/ weil diejenige Perſon/ die es holet/ ſtille ſchweiget/ und nichts redet/ biß ſie es an Ort und Stelle bringet/ [wiewohl ich eins- mahls einer Magd mit einem Topffe begegnete/ und

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Zitationshilfe: Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken-Philosophia, oder auffrichtige Untersuchung derer von vielen super-klugen Weibern hochgehaltenen Aberglauben. Bd. 1. Chemnitz, 1705, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmidt_rockenphilosophia01_1705/174>, abgerufen am 29.03.2024.