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Schliemann, Heinrich: Trojanische Alterthümer. Bericht über die Ausgrabungen in Troja. Leipzig, 1874.

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block mit einer Metope, welche den Phöbus Apollo
mit den vier Rossen der Sonne darstellt, ist eins der er-
habensten Meisterwerke, welche uns aus der Blütezeit
der griechischen Kunst erhalten sind. In der Beschrei-
bung, welche ich sogleich nach der Entdeckung dieses
Kunstschatzes in meinem Aufsatz vom 18. Juni 1872
machte, bemerkte ich, dass dies Kunstwerk aus
der Zeit des Lysimachos, sage ungefähr vom Jahre
306 v. Chr. stammen müsse. Ich schickte einen Gips-
abguss davon an das Museum für Gipsabgüsse in
München, und schreibt mir der Vorsteher desselben,
Professor H. Brunn, welcher jedenfalls eine der grössten
Autoritäten der Welt für die plastischen Kunstwerke
des Alterthums ist, wie folgt darüber: "Selbst Photo-
graphien reichen doch zur Beurtheilung plastischer
Werke nie ganz aus, und hat mir auch hier erst der
Abguss die volle Gewissheit gegeben, dass dieses Werk
weit günstiger beurtheilt werden muss, als es in der
archäologischen Zeitung geschehen ist. Ich wage nicht,
üher die Triglyphen bestimmt abzusprechen: die Ge-
schichte des dorischen Stils nach der Zeit des Parthenon
und der Propyläen liegt noch durchaus im argen, doch
lässt sich der gerade Abschnitt der Cannele gewiss in
vorrömischer Zeit nachweisen. Von äussern Kriterien
bleibt so zunächst der Strahlenkranz. Nach den Unter-
suchungen von Stephani (Nimbus und Strahlenkranz)
kommt derselbe erst etwa in der Zeit Alexander's des
Grossen vor. Für die specielle Form, lange und kurze
Strahlen, haben wir die von Curtius angeführten Münzen
Alexander's I. von Epirus und von Keos, resp. Karthaea.
Das jüngste Beispiel, welches ich bisjetzt gefunden, bie-

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block mit einer Metope, welche den Phöbus Apollo
mit den vier Rossen der Sonne darstellt, ist eins der er-
habensten Meisterwerke, welche uns aus der Blütezeit
der griechischen Kunst erhalten sind. In der Beschrei-
bung, welche ich sogleich nach der Entdeckung dieses
Kunstschatzes in meinem Aufsatz vom 18. Juni 1872
machte, bemerkte ich, dass dies Kunstwerk aus
der Zeit des Lysimachos, sage ungefähr vom Jahre
306 v. Chr. stammen müsse. Ich schickte einen Gips-
abguss davon an das Museum für Gipsabgüsse in
München, und schreibt mir der Vorsteher desselben,
Professor H. Brunn, welcher jedenfalls eine der grössten
Autoritäten der Welt für die plastischen Kunstwerke
des Alterthums ist, wie folgt darüber: „Selbst Photo-
graphien reichen doch zur Beurtheilung plastischer
Werke nie ganz aus, und hat mir auch hier erst der
Abguss die volle Gewissheit gegeben, dass dieses Werk
weit günstiger beurtheilt werden muss, als es in der
archäologischen Zeitung geschehen ist. Ich wage nicht,
üher die Triglyphen bestimmt abzusprechen: die Ge-
schichte des dorischen Stils nach der Zeit des Parthenon
und der Propyläen liegt noch durchaus im argen, doch
lässt sich der gerade Abschnitt der Cannele gewiss in
vorrömischer Zeit nachweisen. Von äussern Kriterien
bleibt so zunächst der Strahlenkranz. Nach den Unter-
suchungen von Stephani (Nimbus und Strahlenkranz)
kommt derselbe erst etwa in der Zeit Alexander’s des
Grossen vor. Für die specielle Form, lange und kurze
Strahlen, haben wir die von Curtius angeführten Münzen
Alexander’s I. von Epirus und von Keos, resp. Karthaea.
Das jüngste Beispiel, welches ich bisjetzt gefunden, bie-

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[XXXI/0037] einleitung. block mit einer Metope, welche den Phöbus Apollo mit den vier Rossen der Sonne darstellt, ist eins der er- habensten Meisterwerke, welche uns aus der Blütezeit der griechischen Kunst erhalten sind. In der Beschrei- bung, welche ich sogleich nach der Entdeckung dieses Kunstschatzes in meinem Aufsatz vom 18. Juni 1872 machte, bemerkte ich, dass dies Kunstwerk aus der Zeit des Lysimachos, sage ungefähr vom Jahre 306 v. Chr. stammen müsse. Ich schickte einen Gips- abguss davon an das Museum für Gipsabgüsse in München, und schreibt mir der Vorsteher desselben, Professor H. Brunn, welcher jedenfalls eine der grössten Autoritäten der Welt für die plastischen Kunstwerke des Alterthums ist, wie folgt darüber: „Selbst Photo- graphien reichen doch zur Beurtheilung plastischer Werke nie ganz aus, und hat mir auch hier erst der Abguss die volle Gewissheit gegeben, dass dieses Werk weit günstiger beurtheilt werden muss, als es in der archäologischen Zeitung geschehen ist. Ich wage nicht, üher die Triglyphen bestimmt abzusprechen: die Ge- schichte des dorischen Stils nach der Zeit des Parthenon und der Propyläen liegt noch durchaus im argen, doch lässt sich der gerade Abschnitt der Cannele gewiss in vorrömischer Zeit nachweisen. Von äussern Kriterien bleibt so zunächst der Strahlenkranz. Nach den Unter- suchungen von Stephani (Nimbus und Strahlenkranz) kommt derselbe erst etwa in der Zeit Alexander’s des Grossen vor. Für die specielle Form, lange und kurze Strahlen, haben wir die von Curtius angeführten Münzen Alexander’s I. von Epirus und von Keos, resp. Karthaea. Das jüngste Beispiel, welches ich bisjetzt gefunden, bie-

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Zitationshilfe: Schliemann, Heinrich: Trojanische Alterthümer. Bericht über die Ausgrabungen in Troja. Leipzig, 1874, S. XXXI. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schliemann_trojanische_1874/37>, abgerufen am 19.04.2024.