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Schleiermacher, Friedrich: Hermeneutik und Kritik. Berlin, 1838.

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zustellen, um der Wahrheit von allen Seiten beizukommen.
Eben deßhalb habe ich auch überall, wo mir die genetische,
dialektische Methode zur Charakteristik wesentlich zu gehören
schien, ganze Abschnitte wörtlich genau und vollständig mit-
getheilt. Selbst die natürliche Nachlässigkeit des mündlichen
Vortrages, seinen Gesprächston, seine Kürze, wie seine Um-
schweife habe ich unversehrt erhalten zu müssen geglaubt.
Nur da, wo ich für den Leser Hemmungen und Dunkelhei-
ten fürchtete, habe ich Verbesserungen gewagt, aber so viel
ich weiß keine, von der ich nicht glauben könnte, daß sie
Schleiermacher selbst gebilligt haben würde.

Schwieriger fast, als alles andere, ist mir geworden,
Schleiermachers eigenthümliche Orthographie und Inter-
punction durchweg zu beobachten. So weit seine eigenen
handschriftlichen Concepte reichen, habe ich dieselbe, so wi-
dersprechend sie zum Theil der meinigen ist und so wenig
streng durchgeführt sie mir erschien, festzuhalten gesucht, ein-
gedenk dessen, was Herr Prediger Jonas in der Vorrede
zu den in der Berliner Akademie vorgetragenen Reden und
Abhandlungen darüber gesagt hat. Allein in den handschrift-
lichen Vorlesungen, wo mir in den Heften allerlei Arten der
Rechtschreibung und Interpunction vor die Augen kamen, die
meinige aber desto mehr wieder in den Sinn, kann ich nicht dafür
stehen, daß ich nicht inconsequent die meinige eingemischt habe.

So viel über meine Arbeit und Methode, das Werk
meines seligen Freundes so authentisch und vollständig als
möglich darzustellen. Ich werde mich für meine Mühe reichlich
belohnt halten, wenn die Leser über dem Werke selbst den
Herausgeber und seine Noth zu vergessen im Stande sind.


zuſtellen, um der Wahrheit von allen Seiten beizukommen.
Eben deßhalb habe ich auch uͤberall, wo mir die genetiſche,
dialektiſche Methode zur Charakteriſtik weſentlich zu gehoͤren
ſchien, ganze Abſchnitte woͤrtlich genau und vollſtaͤndig mit-
getheilt. Selbſt die natuͤrliche Nachlaͤſſigkeit des muͤndlichen
Vortrages, ſeinen Geſpraͤchston, ſeine Kuͤrze, wie ſeine Um-
ſchweife habe ich unverſehrt erhalten zu muͤſſen geglaubt.
Nur da, wo ich fuͤr den Leſer Hemmungen und Dunkelhei-
ten fuͤrchtete, habe ich Verbeſſerungen gewagt, aber ſo viel
ich weiß keine, von der ich nicht glauben koͤnnte, daß ſie
Schleiermacher ſelbſt gebilligt haben wuͤrde.

Schwieriger faſt, als alles andere, iſt mir geworden,
Schleiermachers eigenthuͤmliche Orthographie und Inter-
punction durchweg zu beobachten. So weit ſeine eigenen
handſchriftlichen Concepte reichen, habe ich dieſelbe, ſo wi-
derſprechend ſie zum Theil der meinigen iſt und ſo wenig
ſtreng durchgefuͤhrt ſie mir erſchien, feſtzuhalten geſucht, ein-
gedenk deſſen, was Herr Prediger Jonas in der Vorrede
zu den in der Berliner Akademie vorgetragenen Reden und
Abhandlungen daruͤber geſagt hat. Allein in den handſchrift-
lichen Vorleſungen, wo mir in den Heften allerlei Arten der
Rechtſchreibung und Interpunction vor die Augen kamen, die
meinige aber deſto mehr wieder in den Sinn, kann ich nicht dafuͤr
ſtehen, daß ich nicht inconſequent die meinige eingemiſcht habe.

So viel uͤber meine Arbeit und Methode, das Werk
meines ſeligen Freundes ſo authentiſch und vollſtaͤndig als
moͤglich darzuſtellen. Ich werde mich fuͤr meine Muͤhe reichlich
belohnt halten, wenn die Leſer uͤber dem Werke ſelbſt den
Herausgeber und ſeine Noth zu vergeſſen im Stande ſind.


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[XII/0018] zuſtellen, um der Wahrheit von allen Seiten beizukommen. Eben deßhalb habe ich auch uͤberall, wo mir die genetiſche, dialektiſche Methode zur Charakteriſtik weſentlich zu gehoͤren ſchien, ganze Abſchnitte woͤrtlich genau und vollſtaͤndig mit- getheilt. Selbſt die natuͤrliche Nachlaͤſſigkeit des muͤndlichen Vortrages, ſeinen Geſpraͤchston, ſeine Kuͤrze, wie ſeine Um- ſchweife habe ich unverſehrt erhalten zu muͤſſen geglaubt. Nur da, wo ich fuͤr den Leſer Hemmungen und Dunkelhei- ten fuͤrchtete, habe ich Verbeſſerungen gewagt, aber ſo viel ich weiß keine, von der ich nicht glauben koͤnnte, daß ſie Schleiermacher ſelbſt gebilligt haben wuͤrde. Schwieriger faſt, als alles andere, iſt mir geworden, Schleiermachers eigenthuͤmliche Orthographie und Inter- punction durchweg zu beobachten. So weit ſeine eigenen handſchriftlichen Concepte reichen, habe ich dieſelbe, ſo wi- derſprechend ſie zum Theil der meinigen iſt und ſo wenig ſtreng durchgefuͤhrt ſie mir erſchien, feſtzuhalten geſucht, ein- gedenk deſſen, was Herr Prediger Jonas in der Vorrede zu den in der Berliner Akademie vorgetragenen Reden und Abhandlungen daruͤber geſagt hat. Allein in den handſchrift- lichen Vorleſungen, wo mir in den Heften allerlei Arten der Rechtſchreibung und Interpunction vor die Augen kamen, die meinige aber deſto mehr wieder in den Sinn, kann ich nicht dafuͤr ſtehen, daß ich nicht inconſequent die meinige eingemiſcht habe. So viel uͤber meine Arbeit und Methode, das Werk meines ſeligen Freundes ſo authentiſch und vollſtaͤndig als moͤglich darzuſtellen. Ich werde mich fuͤr meine Muͤhe reichlich belohnt halten, wenn die Leſer uͤber dem Werke ſelbſt den Herausgeber und ſeine Noth zu vergeſſen im Stande ſind.

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Zitationshilfe: Schleiermacher, Friedrich: Hermeneutik und Kritik. Berlin, 1838, S. XII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiermacher_hermeneutik_1838/18>, abgerufen am 20.04.2024.