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Schleiermacher, Friedrich: Hermeneutik und Kritik. Berlin, 1838.

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Sprachgebiete in welchem man zu thun hat, kommen alle Aus-
drücke vor und der Schriftsteller gebraucht sie alle, so kann man
den Localwerth aus dem Schriftsteller selbst bestimmen. Ist aber
die Schreibweise anderer Art, so ist der Kreis der in der Schrift
selbst gegebenen Erklärungsmomente enger und man muß darüber
hinausgehen.

Was nun die Gedanken betrifft, welche in einem gegebenen
Complexus nur Darstellungsmittel sind, so ist zuerst alles ins
Auge zu fassen, was im Allgemeinen durch den Ausdruck Ver-
gleichung bezeichnet wird. Darin liegt, daß eine Vorstellung
aus einem andern Gebiete gebraucht wird, um eine in dem be-
stimmten Complexus liegende ins Licht zu stellen. So ist sie dem
Complexus an sich fremd, nicht um ihrer selbst willen da, sondern
nur in Beziehung auf das Verglichene. Dieß kann man aufs engste
und weiteste denken. Jede durchgeführte Allegorie ist ein solches
Darstellungsmittel, obwohl sie selbst wieder ein ganzer Complexus
von Vorstellungen ist. Es gehört dahin aber alles, was wir Pa-
rallele, Gleichniß nennen, ja weiter noch alles Erläuternde, also
auch das Beispiel, sofern es als Einzelnes nicht für sich ist, son-
dern nur zur Erläuterung des Allgemeinen. Wiederum kann bei
den Historikern das Allgemeine, eine Maxime, Darstellungsmittel
sein, wodurch angegeben wird, aus welchem bestimmten Ge-
sichtspunkt das Einzelne was erzählt wird zu betrachten sei.
Wollte man solche Maximen zur Charakteristik des Historikers
zusammenstellen, so würde man Unrecht thun.

Das engste von solchen Darstellungsmitteln ist der bildliche
Ausdruck, wo der Inhalt des Sprachelements ein fremdes ist,
wenn wir es im unmittelbaren Sprachwerth nehmen. Aber häu-
fig will der Redende gar nicht einmal, daß ein solcher Ausdruck
in seinem eigentlichen Sprachwerth gedacht werde. Es fixiren
sich dergleichen Ausdrücke oft in der Sprache, so daß ihr eigent-
licher Werth gar nicht mehr mit gedacht wird.

Dieß ist der ganze Umfang der Darstellungsmittel, der all-

Sprachgebiete in welchem man zu thun hat, kommen alle Aus-
druͤcke vor und der Schriftſteller gebraucht ſie alle, ſo kann man
den Localwerth aus dem Schriftſteller ſelbſt beſtimmen. Iſt aber
die Schreibweiſe anderer Art, ſo iſt der Kreis der in der Schrift
ſelbſt gegebenen Erklaͤrungsmomente enger und man muß daruͤber
hinausgehen.

Was nun die Gedanken betrifft, welche in einem gegebenen
Complexus nur Darſtellungsmittel ſind, ſo iſt zuerſt alles ins
Auge zu faſſen, was im Allgemeinen durch den Ausdruck Ver-
gleichung bezeichnet wird. Darin liegt, daß eine Vorſtellung
aus einem andern Gebiete gebraucht wird, um eine in dem be-
ſtimmten Complexus liegende ins Licht zu ſtellen. So iſt ſie dem
Complexus an ſich fremd, nicht um ihrer ſelbſt willen da, ſondern
nur in Beziehung auf das Verglichene. Dieß kann man aufs engſte
und weiteſte denken. Jede durchgefuͤhrte Allegorie iſt ein ſolches
Darſtellungsmittel, obwohl ſie ſelbſt wieder ein ganzer Complexus
von Vorſtellungen iſt. Es gehoͤrt dahin aber alles, was wir Pa-
rallele, Gleichniß nennen, ja weiter noch alles Erlaͤuternde, alſo
auch das Beiſpiel, ſofern es als Einzelnes nicht fuͤr ſich iſt, ſon-
dern nur zur Erlaͤuterung des Allgemeinen. Wiederum kann bei
den Hiſtorikern das Allgemeine, eine Maxime, Darſtellungsmittel
ſein, wodurch angegeben wird, aus welchem beſtimmten Ge-
ſichtspunkt das Einzelne was erzaͤhlt wird zu betrachten ſei.
Wollte man ſolche Maximen zur Charakteriſtik des Hiſtorikers
zuſammenſtellen, ſo wuͤrde man Unrecht thun.

Das engſte von ſolchen Darſtellungsmitteln iſt der bildliche
Ausdruck, wo der Inhalt des Sprachelements ein fremdes iſt,
wenn wir es im unmittelbaren Sprachwerth nehmen. Aber haͤu-
fig will der Redende gar nicht einmal, daß ein ſolcher Ausdruck
in ſeinem eigentlichen Sprachwerth gedacht werde. Es fixiren
ſich dergleichen Ausdruͤcke oft in der Sprache, ſo daß ihr eigent-
licher Werth gar nicht mehr mit gedacht wird.

Dieß iſt der ganze Umfang der Darſtellungsmittel, der all-

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[105/0129] Sprachgebiete in welchem man zu thun hat, kommen alle Aus- druͤcke vor und der Schriftſteller gebraucht ſie alle, ſo kann man den Localwerth aus dem Schriftſteller ſelbſt beſtimmen. Iſt aber die Schreibweiſe anderer Art, ſo iſt der Kreis der in der Schrift ſelbſt gegebenen Erklaͤrungsmomente enger und man muß daruͤber hinausgehen. Was nun die Gedanken betrifft, welche in einem gegebenen Complexus nur Darſtellungsmittel ſind, ſo iſt zuerſt alles ins Auge zu faſſen, was im Allgemeinen durch den Ausdruck Ver- gleichung bezeichnet wird. Darin liegt, daß eine Vorſtellung aus einem andern Gebiete gebraucht wird, um eine in dem be- ſtimmten Complexus liegende ins Licht zu ſtellen. So iſt ſie dem Complexus an ſich fremd, nicht um ihrer ſelbſt willen da, ſondern nur in Beziehung auf das Verglichene. Dieß kann man aufs engſte und weiteſte denken. Jede durchgefuͤhrte Allegorie iſt ein ſolches Darſtellungsmittel, obwohl ſie ſelbſt wieder ein ganzer Complexus von Vorſtellungen iſt. Es gehoͤrt dahin aber alles, was wir Pa- rallele, Gleichniß nennen, ja weiter noch alles Erlaͤuternde, alſo auch das Beiſpiel, ſofern es als Einzelnes nicht fuͤr ſich iſt, ſon- dern nur zur Erlaͤuterung des Allgemeinen. Wiederum kann bei den Hiſtorikern das Allgemeine, eine Maxime, Darſtellungsmittel ſein, wodurch angegeben wird, aus welchem beſtimmten Ge- ſichtspunkt das Einzelne was erzaͤhlt wird zu betrachten ſei. Wollte man ſolche Maximen zur Charakteriſtik des Hiſtorikers zuſammenſtellen, ſo wuͤrde man Unrecht thun. Das engſte von ſolchen Darſtellungsmitteln iſt der bildliche Ausdruck, wo der Inhalt des Sprachelements ein fremdes iſt, wenn wir es im unmittelbaren Sprachwerth nehmen. Aber haͤu- fig will der Redende gar nicht einmal, daß ein ſolcher Ausdruck in ſeinem eigentlichen Sprachwerth gedacht werde. Es fixiren ſich dergleichen Ausdruͤcke oft in der Sprache, ſo daß ihr eigent- licher Werth gar nicht mehr mit gedacht wird. Dieß iſt der ganze Umfang der Darſtellungsmittel, der all-

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Zitationshilfe: Schleiermacher, Friedrich: Hermeneutik und Kritik. Berlin, 1838, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiermacher_hermeneutik_1838/129>, abgerufen am 25.04.2024.