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Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848.

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ten, von der Anwendung des Microscops an, eine durchaus neue
Periode datiren. -- Daß für die Kenntniß der kleineren Organismen
im Thier- und Pflanzenreiche das Microscop ein entscheidender Wen-
depunct werden mußte, ist eben so leicht einzusehen. Dagegen liegt es
weniger auf der Hand, wie auf den Gebieten der Chemie, Minera-
logie, und Geognosie die microscopische Beobachtung ihr eigenthüm-
liches Feld hat finden können. -- Und gleichwohl ist die Bedeutsam-
keit desselben auch hier theils schon von den ausgezeichnetsten Forschern
anerkannt, theils kann diese Anerkennung nicht lange mehr ausbleiben.
Insbesondere ist auf dem Gebiete der organischen Chemie ein In-
strument nicht zu entbehren, welches oft allein im Stande ist uns
darüber Aufschluß zu geben, ob wir es mit einem einfachen Stoff oder
mit einem mechanischen Gemenge verschiedener Bestandtheile zu thun
haben. Eine Menge angebliche Stoffe wären nie in der Wissenschaft
aufgeführt worden, es wären nie die Kräfte ausgezeichneter Forscher
daran vergeudet worden, wenn man mit dem Microscop vorher die
Natur derselben genauer untersucht hätte. So finden wir doch, daß
selbst die ausgezeichnetsten Chemiker, wie Berzelius, Liebig u. a. von
Stoffen reden, die gar nicht existiren. So ist die stärkemehlartige
Faser, worunter man den Rückstand der Kartoffeln nach Gewinnung
des Kartoffelmehls versteht, ein Gemenge ganz gewöhnlicher Stärke
und ganz gewöhnlicher Holzfaser, oder Zellstoffs, so ist das Pollenin,
womit man den Grundbestandtheil des Blüthenstaubs bezeichnen will,
ein mannigfaltiges Gemisch von sehr vielen einzelnen ganz bekannten
Substanzen. -- Dergleichen Beispiele ließen sich aber noch unzählige
aufführen.

Noch auffallender zeigt sich die Bedeutsamkeit des Microscops
in der Mineralogie und Geognosie. Hier handelt es sich nämlich um
eine ganz andere und genauere Kenntniß der eigenthümlichen Natur
ganzer Gebirgssysteme, größerer Formationen oder einzelner Mineral-
substanzen, als uns diese Wissenschaften bisher geben konnten. Wenn
wir früher in den Gebirgszügen, welche im westlichen Asien sich
herabziehen, einen Gürtel um das nördliche Deutschland und Frank-

ten, von der Anwendung des Microſcops an, eine durchaus neue
Periode datiren. — Daß für die Kenntniß der kleineren Organismen
im Thier- und Pflanzenreiche das Microſcop ein entſcheidender Wen-
depunct werden mußte, iſt eben ſo leicht einzuſehen. Dagegen liegt es
weniger auf der Hand, wie auf den Gebieten der Chemie, Minera-
logie, und Geognoſie die microſcopiſche Beobachtung ihr eigenthüm-
liches Feld hat finden können. — Und gleichwohl iſt die Bedeutſam-
keit deſſelben auch hier theils ſchon von den ausgezeichnetſten Forſchern
anerkannt, theils kann dieſe Anerkennung nicht lange mehr ausbleiben.
Insbeſondere iſt auf dem Gebiete der organiſchen Chemie ein In-
ſtrument nicht zu entbehren, welches oft allein im Stande iſt uns
darüber Aufſchluß zu geben, ob wir es mit einem einfachen Stoff oder
mit einem mechaniſchen Gemenge verſchiedener Beſtandtheile zu thun
haben. Eine Menge angebliche Stoffe wären nie in der Wiſſenſchaft
aufgeführt worden, es wären nie die Kräfte ausgezeichneter Forſcher
daran vergeudet worden, wenn man mit dem Microſcop vorher die
Natur derſelben genauer unterſucht hätte. So finden wir doch, daß
ſelbſt die ausgezeichnetſten Chemiker, wie Berzelius, Liebig u. a. von
Stoffen reden, die gar nicht exiſtiren. So iſt die ſtärkemehlartige
Faſer, worunter man den Rückſtand der Kartoffeln nach Gewinnung
des Kartoffelmehls verſteht, ein Gemenge ganz gewöhnlicher Stärke
und ganz gewöhnlicher Holzfaſer, oder Zellſtoffs, ſo iſt das Pollenin,
womit man den Grundbeſtandtheil des Blüthenſtaubs bezeichnen will,
ein mannigfaltiges Gemiſch von ſehr vielen einzelnen ganz bekannten
Subſtanzen. — Dergleichen Beiſpiele ließen ſich aber noch unzählige
aufführen.

Noch auffallender zeigt ſich die Bedeutſamkeit des Microſcops
in der Mineralogie und Geognoſie. Hier handelt es ſich nämlich um
eine ganz andere und genauere Kenntniß der eigenthümlichen Natur
ganzer Gebirgsſyſteme, größerer Formationen oder einzelner Mineral-
ſubſtanzen, als uns dieſe Wiſſenſchaften bisher geben konnten. Wenn
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[30/0046] ten, von der Anwendung des Microſcops an, eine durchaus neue Periode datiren. — Daß für die Kenntniß der kleineren Organismen im Thier- und Pflanzenreiche das Microſcop ein entſcheidender Wen- depunct werden mußte, iſt eben ſo leicht einzuſehen. Dagegen liegt es weniger auf der Hand, wie auf den Gebieten der Chemie, Minera- logie, und Geognoſie die microſcopiſche Beobachtung ihr eigenthüm- liches Feld hat finden können. — Und gleichwohl iſt die Bedeutſam- keit deſſelben auch hier theils ſchon von den ausgezeichnetſten Forſchern anerkannt, theils kann dieſe Anerkennung nicht lange mehr ausbleiben. Insbeſondere iſt auf dem Gebiete der organiſchen Chemie ein In- ſtrument nicht zu entbehren, welches oft allein im Stande iſt uns darüber Aufſchluß zu geben, ob wir es mit einem einfachen Stoff oder mit einem mechaniſchen Gemenge verſchiedener Beſtandtheile zu thun haben. Eine Menge angebliche Stoffe wären nie in der Wiſſenſchaft aufgeführt worden, es wären nie die Kräfte ausgezeichneter Forſcher daran vergeudet worden, wenn man mit dem Microſcop vorher die Natur derſelben genauer unterſucht hätte. So finden wir doch, daß ſelbſt die ausgezeichnetſten Chemiker, wie Berzelius, Liebig u. a. von Stoffen reden, die gar nicht exiſtiren. So iſt die ſtärkemehlartige Faſer, worunter man den Rückſtand der Kartoffeln nach Gewinnung des Kartoffelmehls verſteht, ein Gemenge ganz gewöhnlicher Stärke und ganz gewöhnlicher Holzfaſer, oder Zellſtoffs, ſo iſt das Pollenin, womit man den Grundbeſtandtheil des Blüthenſtaubs bezeichnen will, ein mannigfaltiges Gemiſch von ſehr vielen einzelnen ganz bekannten Subſtanzen. — Dergleichen Beiſpiele ließen ſich aber noch unzählige aufführen. Noch auffallender zeigt ſich die Bedeutſamkeit des Microſcops in der Mineralogie und Geognoſie. Hier handelt es ſich nämlich um eine ganz andere und genauere Kenntniß der eigenthümlichen Natur ganzer Gebirgsſyſteme, größerer Formationen oder einzelner Mineral- ſubſtanzen, als uns dieſe Wiſſenſchaften bisher geben konnten. Wenn wir früher in den Gebirgszügen, welche im weſtlichen Aſien ſich herabziehen, einen Gürtel um das nördliche Deutſchland und Frank-

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Zitationshilfe: Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848/46>, abgerufen am 28.03.2024.