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Schleicher, August: Compendium der vergleichenden Grammatik der indogermanischen Sprachen. Bd. 1. Weimar, 1861.

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Sprachsippen. Vom indogerman. sprachstamme.
rere sprachen (mundarten, dialecte)*); diser process der dif-
ferenzierung
kann sich merfach widerholen.

Alles diß trat im leben der sprache almählich im verlaufe
langer zeiträume ein, wie denn überhaupt alle im leben der
sprache statt findenden veränderungen almählich sich entwickeln.

Die zunächst auß der ursprache entstandenen sprachen
nennen wir grundsprachen, fast jede von inen differenzierte
sich zu sprachen; jede diser sprachen kann ferner in mund-
arten
, dise in untermundarten gespalten sein.

Alle von einer ursprache her stammenden sprachen bilden
zusammen eine sprachsippe oder einen sprachstamm, den
man wider in sprachfamilien oder sprachäste teilt.

III. Indogermanische sprachen nent man eine be-
stimte reihe von sprachen des asiatisch-europäischen erdteiles
von so übereinstimmender und von allen andern sprachen ver-
schidener beschaffenheit, daß sie sich deutlich als auß einer
gemeinsamen ursprache entstanden erweist.

Innerhalb diser indogermanischen sprachsippe zei-
gen sich aber gewisse geographisch benachbarte sprachen als
näher verwant; so zerfält die indogermanische sprachsippe in
drei gruppen oder abteilungen. Dise sind:

1. die asiatische oder arische abteilung, bestehend auß
der indischen und iranischen oder wol richtiger eranischen
sprachfamilie, welche unter sich ser nahe verwant sind. Älte-
ster repräsentant und grundsprache der indischen familie und
älteste bekante indogermanische sprache überhaupt ist das alt-
indische
, die sprache der ältesten teile des veda; später, in
vereinfachter form und nach gewissen regeln als correcte schrift-
sprache den volksdialecten gegenüber fest gesezt, sanskrit
genant. Das eranische kennen wir nicht in seiner grundsprache;
die ältesten uns erhaltenen eranischen sprachen sind das alt-
baktrische
oder zend**) (osteranisch) und das altpersische,

*) der unterschid von mundart, dialect, sprache ist im algemeinen
nicht fest zu stellen.
**) die gathas, lieder, des Jacna weichen in manchen stücken von dem
altbaktrischen der übrigen teile des Avesta dialectisch ab. Im vor ligen-
den werke ist diser gathadialect nur außnamsweise berüksichtigt.

Sprachsippen. Vom indogerman. sprachstamme.
rere sprachen (mundarten, dialecte)*); diser process der dif-
ferenzierung
kann sich merfach widerholen.

Alles diß trat im leben der sprache almählich im verlaufe
langer zeiträume ein, wie denn überhaupt alle im leben der
sprache statt findenden veränderungen almählich sich entwickeln.

Die zunächst auß der ursprache entstandenen sprachen
nennen wir grundsprachen, fast jede von inen differenzierte
sich zu sprachen; jede diser sprachen kann ferner in mund-
arten
, dise in untermundarten gespalten sein.

Alle von einer ursprache her stammenden sprachen bilden
zusammen eine sprachsippe oder einen sprachstamm, den
man wider in sprachfamilien oder sprachäste teilt.

III. Indogermanische sprachen nent man eine be-
stimte reihe von sprachen des asiatisch-europäischen erdteiles
von so übereinstimmender und von allen andern sprachen ver-
schidener beschaffenheit, daß sie sich deutlich als auß einer
gemeinsamen ursprache entstanden erweist.

Innerhalb diser indogermanischen sprachsippe zei-
gen sich aber gewisse geographisch benachbarte sprachen als
näher verwant; so zerfält die indogermanische sprachsippe in
drei gruppen oder abteilungen. Dise sind:

1. die asiatische oder arische abteilung, bestehend auß
der indischen und iranischen oder wol richtiger eranischen
sprachfamilie, welche unter sich ser nahe verwant sind. Älte-
ster repräsentant und grundsprache der indischen familie und
älteste bekante indogermanische sprache überhaupt ist das alt-
indische
, die sprache der ältesten teile des veda; später, in
vereinfachter form und nach gewissen regeln als correcte schrift-
sprache den volksdialecten gegenüber fest gesezt, sanskrit
genant. Das eranische kennen wir nicht in seiner grundsprache;
die ältesten uns erhaltenen eranischen sprachen sind das alt-
baktrische
oder zend**) (osteranisch) und das altpersische,

*) der unterschid von mundart, dialect, sprache ist im algemeinen
nicht fest zu stellen.
**) die gâthâs, lieder, des Jaçna weichen in manchen stücken von dem
altbaktrischen der übrigen teile des Avesta dialectisch ab. Im vor ligen-
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[4/0018] Sprachsippen. Vom indogerman. sprachstamme. rere sprachen (mundarten, dialecte) *); diser process der dif- ferenzierung kann sich merfach widerholen. Alles diß trat im leben der sprache almählich im verlaufe langer zeiträume ein, wie denn überhaupt alle im leben der sprache statt findenden veränderungen almählich sich entwickeln. Die zunächst auß der ursprache entstandenen sprachen nennen wir grundsprachen, fast jede von inen differenzierte sich zu sprachen; jede diser sprachen kann ferner in mund- arten, dise in untermundarten gespalten sein. Alle von einer ursprache her stammenden sprachen bilden zusammen eine sprachsippe oder einen sprachstamm, den man wider in sprachfamilien oder sprachäste teilt. III. Indogermanische sprachen nent man eine be- stimte reihe von sprachen des asiatisch-europäischen erdteiles von so übereinstimmender und von allen andern sprachen ver- schidener beschaffenheit, daß sie sich deutlich als auß einer gemeinsamen ursprache entstanden erweist. Innerhalb diser indogermanischen sprachsippe zei- gen sich aber gewisse geographisch benachbarte sprachen als näher verwant; so zerfält die indogermanische sprachsippe in drei gruppen oder abteilungen. Dise sind: 1. die asiatische oder arische abteilung, bestehend auß der indischen und iranischen oder wol richtiger eranischen sprachfamilie, welche unter sich ser nahe verwant sind. Älte- ster repräsentant und grundsprache der indischen familie und älteste bekante indogermanische sprache überhaupt ist das alt- indische, die sprache der ältesten teile des veda; später, in vereinfachter form und nach gewissen regeln als correcte schrift- sprache den volksdialecten gegenüber fest gesezt, sanskrit genant. Das eranische kennen wir nicht in seiner grundsprache; die ältesten uns erhaltenen eranischen sprachen sind das alt- baktrische oder zend **) (osteranisch) und das altpersische, *) der unterschid von mundart, dialect, sprache ist im algemeinen nicht fest zu stellen. **) die gâthâs, lieder, des Jaçna weichen in manchen stücken von dem altbaktrischen der übrigen teile des Avesta dialectisch ab. Im vor ligen- den werke ist diser gâthâdialect nur außnamsweise berüksichtigt.

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Zitationshilfe: Schleicher, August: Compendium der vergleichenden Grammatik der indogermanischen Sprachen. Bd. 1. Weimar, 1861, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleicher_indogermanische01_1861/18>, abgerufen am 28.03.2024.