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Schlegel, Friedrich von: Lucinde. Berlin, 1799.

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sogleich für einen Bruder der an-
dern Romane erkannte. Einer von
denen wie man sie gegenwärtig sieht,
aber viel gebildeter; seine Gestalt
und sein Gesicht war nicht schön,
aber fein, sehr verständig und äus-
serst anziehend. Man hätte ihn eben
so gut für einen Franzosen wie für
einen Deutschen halten können; seine
Kleidung und seine ganze Art war
einfach, aber sorgfältig und völlig
modern. Er unterhielt die Gesell-
schaft und schien sich für alle lebhaft
zu interessiren. Die Mädchen waren
sehr beweglich um die vornehmste
Dame und schwatzten viel unter
einander. "Ich habe doch noch mehr
"Gemüth wie du, liebe Sittlichkeit!
"sagte die eine; aber ich heiße auch

ſogleich für einen Bruder der an-
dern Romane erkannte. Einer von
denen wie man ſie gegenwärtig ſieht,
aber viel gebildeter; ſeine Geſtalt
und ſein Geſicht war nicht ſchön,
aber fein, ſehr verſtändig und äuſ-
ſerſt anziehend. Man hätte ihn eben
ſo gut für einen Franzoſen wie für
einen Deutſchen halten können; ſeine
Kleidung und ſeine ganze Art war
einfach, aber ſorgfältig und völlig
modern. Er unterhielt die Geſell-
ſchaft und ſchien ſich für alle lebhaft
zu intereſſiren. Die Mädchen waren
ſehr beweglich um die vornehmſte
Dame und ſchwatzten viel unter
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»Gemüth wie du, liebe Sittlichkeit!
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[47/0052] ſogleich für einen Bruder der an- dern Romane erkannte. Einer von denen wie man ſie gegenwärtig ſieht, aber viel gebildeter; ſeine Geſtalt und ſein Geſicht war nicht ſchön, aber fein, ſehr verſtändig und äuſ- ſerſt anziehend. Man hätte ihn eben ſo gut für einen Franzoſen wie für einen Deutſchen halten können; ſeine Kleidung und ſeine ganze Art war einfach, aber ſorgfältig und völlig modern. Er unterhielt die Geſell- ſchaft und ſchien ſich für alle lebhaft zu intereſſiren. Die Mädchen waren ſehr beweglich um die vornehmſte Dame und ſchwatzten viel unter einander. »Ich habe doch noch mehr »Gemüth wie du, liebe Sittlichkeit! »ſagte die eine; aber ich heiße auch

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Zitationshilfe: Schlegel, Friedrich von: Lucinde. Berlin, 1799, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_lucinde_1799/52>, abgerufen am 29.03.2024.