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Schlegel, Friedrich von: Lucinde. Berlin, 1799.

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gut, aber sie sind nicht das Höchste.
Wo schlummert also das ersehnte
Ideal verborgen? Oder findet das
strebende Herz in der höchsten aller
darstellenden Künste ewig nur andre
Manieren und nie einen vollendetem
Styl?

Das Denken hat die Eigenheit,
daß es nächst sich selbst am liebsten
über das denkt, worüber es ohne
Ende denken kann. Darum ist das
Leben des gebildeten und sinnigen
Menschen ein stetes Bilden und Sin-
nen über das schöne Räthsel seiner
Bestimmung. Er bestimmt sie im-
mer neu, denn eben das ist seine
ganze Bestimmung, bestimmt zu wer-
den und zu bestimmen. Nur in sei-
nem Suchen selbst findet der Geist

gut, aber ſie ſind nicht das Höchſte.
Wo ſchlummert alſo das erſehnte
Ideal verborgen? Oder findet das
ſtrebende Herz in der höchſten aller
darſtellenden Künſte ewig nur andre
Manieren und nie einen vollendetem
Styl?

Das Denken hat die Eigenheit,
daß es nächſt ſich ſelbſt am liebſten
über das denkt, worüber es ohne
Ende denken kann. Darum iſt das
Leben des gebildeten und ſinnigen
Menſchen ein ſtetes Bilden und Sin-
nen über das ſchöne Räthſel ſeiner
Beſtimmung. Er beſtimmt ſie im-
mer neu, denn eben das iſt ſeine
ganze Beſtimmung, beſtimmt zu wer-
den und zu beſtimmen. Nur in ſei-
nem Suchen ſelbſt findet der Geiſt

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[264/0269] gut, aber ſie ſind nicht das Höchſte. Wo ſchlummert alſo das erſehnte Ideal verborgen? Oder findet das ſtrebende Herz in der höchſten aller darſtellenden Künſte ewig nur andre Manieren und nie einen vollendetem Styl? Das Denken hat die Eigenheit, daß es nächſt ſich ſelbſt am liebſten über das denkt, worüber es ohne Ende denken kann. Darum iſt das Leben des gebildeten und ſinnigen Menſchen ein ſtetes Bilden und Sin- nen über das ſchöne Räthſel ſeiner Beſtimmung. Er beſtimmt ſie im- mer neu, denn eben das iſt ſeine ganze Beſtimmung, beſtimmt zu wer- den und zu beſtimmen. Nur in ſei- nem Suchen ſelbſt findet der Geiſt

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Zitationshilfe: Schlegel, Friedrich von: Lucinde. Berlin, 1799, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_lucinde_1799/269>, abgerufen am 19.04.2024.