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Schlegel, Friedrich von: Lucinde. Berlin, 1799.

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lich der flüchtige und geheimnißvolle
Augenblick des höchsten Lebens durch
einen stillen Zauber überrascht und
für die Ewigkeit angehalten. Je
entfernter von bakchantischer Wuth,
je bescheidner und lieblicher die Be-
handlung war, je verführerischer war
der Anblick, bey dem Jünglinge und
Frauen ein süßes Feuer durchströmte.

Wie seine Kunst sich vollendete
und ihm von selbst in ihr gelang,
was er zuvor durch kein Streben
und Arbeiten erringen konnte: so
ward ihm auch sein Leben zum Kunst-
werk, ohne daß er eigentlich wahr-
nahm, wie es geschah. Es ward
Licht in seinem Innern, er sah und
übersah alle Massen seines Lebens
und den Gliederbau des Ganzen klar

lich der flüchtige und geheimnißvolle
Augenblick des höchſten Lebens durch
einen ſtillen Zauber überraſcht und
für die Ewigkeit angehalten. Je
entfernter von bakchantiſcher Wuth,
je beſcheidner und lieblicher die Be-
handlung war, je verführeriſcher war
der Anblick, bey dem Jünglinge und
Frauen ein ſüßes Feuer durchſtrömte.

Wie ſeine Kunſt ſich vollendete
und ihm von ſelbſt in ihr gelang,
was er zuvor durch kein Streben
und Arbeiten erringen konnte: ſo
ward ihm auch ſein Leben zum Kunſt-
werk, ohne daß er eigentlich wahr-
nahm, wie es geſchah. Es ward
Licht in ſeinem Innern, er ſah und
überſah alle Maſſen ſeines Lebens
und den Gliederbau des Ganzen klar

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[206/0211] lich der flüchtige und geheimnißvolle Augenblick des höchſten Lebens durch einen ſtillen Zauber überraſcht und für die Ewigkeit angehalten. Je entfernter von bakchantiſcher Wuth, je beſcheidner und lieblicher die Be- handlung war, je verführeriſcher war der Anblick, bey dem Jünglinge und Frauen ein ſüßes Feuer durchſtrömte. Wie ſeine Kunſt ſich vollendete und ihm von ſelbſt in ihr gelang, was er zuvor durch kein Streben und Arbeiten erringen konnte: ſo ward ihm auch ſein Leben zum Kunſt- werk, ohne daß er eigentlich wahr- nahm, wie es geſchah. Es ward Licht in ſeinem Innern, er ſah und überſah alle Maſſen ſeines Lebens und den Gliederbau des Ganzen klar

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Zitationshilfe: Schlegel, Friedrich von: Lucinde. Berlin, 1799, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_lucinde_1799/211>, abgerufen am 24.04.2024.