Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schlegel, Friedrich von: Lucinde. Berlin, 1799.

Bild:
<< vorherige Seite

selig lächelnde Mutter mit dem ge-
liebten Kinde im Arm waren beynah
die höchsten Gegenstände seines Pin-
sels. Die Formen selbst entsprachen
vielleicht nicht immer den angenomme-
nen Gesetzen einer künstlichen Schön-
heit. Was sie dem Auge empfahl,
war eine gewisse stille Anmuth, ein
tiefer Ausdruck von ruhigem heitern
Daseyn und von Genuß dieses Da-
seyns. Es schienen beseelte Pflan-
zen in der gottähnlichen Gestalt des
Menschen. Eben diesen liebenswür-
digen Charakter hatten auch seine
Umarmungen, in deren Verschieden-
heit er unerschöpflich war. Die
mahlte er am liebsten, weil der Reiz
seines Pinsels sich hier am schönsten
zeigen konnte. In ihnen schien wirk-

ſelig lächelnde Mutter mit dem ge-
liebten Kinde im Arm waren beynah
die höchſten Gegenſtände ſeines Pin-
ſels. Die Formen ſelbſt entſprachen
vielleicht nicht immer den angenomme-
nen Geſetzen einer künſtlichen Schön-
heit. Was ſie dem Auge empfahl,
war eine gewiſſe ſtille Anmuth, ein
tiefer Ausdruck von ruhigem heitern
Daſeyn und von Genuß dieſes Da-
ſeyns. Es ſchienen beſeelte Pflan-
zen in der gottähnlichen Geſtalt des
Menſchen. Eben dieſen liebenswür-
digen Charakter hatten auch ſeine
Umarmungen, in deren Verſchieden-
heit er unerſchöpflich war. Die
mahlte er am liebſten, weil der Reiz
ſeines Pinſels ſich hier am ſchönſten
zeigen konnte. In ihnen ſchien wirk-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0210" n="205"/>
&#x017F;elig lächelnde Mutter mit dem ge-<lb/>
liebten Kinde im Arm waren beynah<lb/>
die höch&#x017F;ten Gegen&#x017F;tände &#x017F;eines Pin-<lb/>
&#x017F;els. Die Formen &#x017F;elb&#x017F;t ent&#x017F;prachen<lb/>
vielleicht nicht immer den angenomme-<lb/>
nen Ge&#x017F;etzen einer kün&#x017F;tlichen Schön-<lb/>
heit. Was &#x017F;ie dem Auge empfahl,<lb/>
war eine gewi&#x017F;&#x017F;e &#x017F;tille Anmuth, ein<lb/>
tiefer Ausdruck von ruhigem heitern<lb/>
Da&#x017F;eyn und von Genuß die&#x017F;es Da-<lb/>
&#x017F;eyns. Es &#x017F;chienen be&#x017F;eelte Pflan-<lb/>
zen in der gottähnlichen Ge&#x017F;talt des<lb/>
Men&#x017F;chen. Eben die&#x017F;en liebenswür-<lb/>
digen Charakter hatten auch &#x017F;eine<lb/>
Umarmungen, in deren Ver&#x017F;chieden-<lb/>
heit er uner&#x017F;chöpflich war. Die<lb/>
mahlte er am lieb&#x017F;ten, weil der Reiz<lb/>
&#x017F;eines Pin&#x017F;els &#x017F;ich hier am &#x017F;chön&#x017F;ten<lb/>
zeigen konnte. In ihnen &#x017F;chien wirk-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[205/0210] ſelig lächelnde Mutter mit dem ge- liebten Kinde im Arm waren beynah die höchſten Gegenſtände ſeines Pin- ſels. Die Formen ſelbſt entſprachen vielleicht nicht immer den angenomme- nen Geſetzen einer künſtlichen Schön- heit. Was ſie dem Auge empfahl, war eine gewiſſe ſtille Anmuth, ein tiefer Ausdruck von ruhigem heitern Daſeyn und von Genuß dieſes Da- ſeyns. Es ſchienen beſeelte Pflan- zen in der gottähnlichen Geſtalt des Menſchen. Eben dieſen liebenswür- digen Charakter hatten auch ſeine Umarmungen, in deren Verſchieden- heit er unerſchöpflich war. Die mahlte er am liebſten, weil der Reiz ſeines Pinſels ſich hier am ſchönſten zeigen konnte. In ihnen ſchien wirk-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Darüber hinaus sind keine weiteren Teile erschien… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_lucinde_1799
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_lucinde_1799/210
Zitationshilfe: Schlegel, Friedrich von: Lucinde. Berlin, 1799, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_lucinde_1799/210>, abgerufen am 23.04.2024.