Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schlegel, Friedrich von: Lucinde. Berlin, 1799.

Bild:
<< vorherige Seite

das Höchste besaß, hatte er nicht
einmal gewußt oder gewagt, ihm
den rechten Namen zu geben. Er
erkannte nun wohl daß die Liebe,
die für die weibliche Seele ein un-
theilbares durchaus einfaches Gefühl
ist, für den Mann nur ein Wechsel
und eine Mischung von Leidenschaft,
von Freundschaft und von Sinnlich-
keit seyn kann; und er sah mit fro-
hem Erstaunen, daß er eben so un-
endlich geliebt werde wie er liebe.

Überhaupt schien es vorherbe-
stimmt, daß jede Begebenheit seines
Lebens ihn durch ein sonderbares
Ende überraschen solle. Nichts zog
ihn anfangs so sehr an, und hatte
ihn so mächtig getroffen, als die
Wahrnehmung, daß Lucinde von

das Höchſte beſaß, hatte er nicht
einmal gewußt oder gewagt, ihm
den rechten Namen zu geben. Er
erkannte nun wohl daß die Liebe,
die für die weibliche Seele ein un-
theilbares durchaus einfaches Gefühl
iſt, für den Mann nur ein Wechſel
und eine Miſchung von Leidenſchaft,
von Freundſchaft und von Sinnlich-
keit ſeyn kann; und er ſah mit fro-
hem Erſtaunen, daß er eben ſo un-
endlich geliebt werde wie er liebe.

Überhaupt ſchien es vorherbe-
ſtimmt, daß jede Begebenheit ſeines
Lebens ihn durch ein ſonderbares
Ende überraſchen ſolle. Nichts zog
ihn anfangs ſo ſehr an, und hatte
ihn ſo mächtig getroffen, als die
Wahrnehmung, daß Lucinde von

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0207" n="202"/>
das Höch&#x017F;te be&#x017F;aß, hatte er nicht<lb/>
einmal gewußt oder gewagt, ihm<lb/>
den rechten Namen zu geben. Er<lb/>
erkannte nun wohl daß die Liebe,<lb/>
die für die weibliche Seele ein un-<lb/>
theilbares durchaus einfaches Gefühl<lb/>
i&#x017F;t, für den Mann nur ein Wech&#x017F;el<lb/>
und eine Mi&#x017F;chung von Leiden&#x017F;chaft,<lb/>
von Freund&#x017F;chaft und von Sinnlich-<lb/>
keit &#x017F;eyn kann; und er &#x017F;ah mit fro-<lb/>
hem Er&#x017F;taunen, daß er eben &#x017F;o un-<lb/>
endlich geliebt werde wie er liebe.</p><lb/>
            <p>Überhaupt &#x017F;chien es vorherbe-<lb/>
&#x017F;timmt, daß jede Begebenheit &#x017F;eines<lb/>
Lebens ihn durch ein &#x017F;onderbares<lb/>
Ende überra&#x017F;chen &#x017F;olle. Nichts zog<lb/>
ihn anfangs &#x017F;o &#x017F;ehr an, und hatte<lb/>
ihn &#x017F;o mächtig getroffen, als die<lb/>
Wahrnehmung, daß Lucinde von<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[202/0207] das Höchſte beſaß, hatte er nicht einmal gewußt oder gewagt, ihm den rechten Namen zu geben. Er erkannte nun wohl daß die Liebe, die für die weibliche Seele ein un- theilbares durchaus einfaches Gefühl iſt, für den Mann nur ein Wechſel und eine Miſchung von Leidenſchaft, von Freundſchaft und von Sinnlich- keit ſeyn kann; und er ſah mit fro- hem Erſtaunen, daß er eben ſo un- endlich geliebt werde wie er liebe. Überhaupt ſchien es vorherbe- ſtimmt, daß jede Begebenheit ſeines Lebens ihn durch ein ſonderbares Ende überraſchen ſolle. Nichts zog ihn anfangs ſo ſehr an, und hatte ihn ſo mächtig getroffen, als die Wahrnehmung, daß Lucinde von

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Darüber hinaus sind keine weiteren Teile erschien… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_lucinde_1799
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_lucinde_1799/207
Zitationshilfe: Schlegel, Friedrich von: Lucinde. Berlin, 1799, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_lucinde_1799/207>, abgerufen am 19.04.2024.