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Schlegel, Friedrich von: Lucinde. Berlin, 1799.

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konnte er nicht aufhören, die schwel-
lenden Umrisse schmeichelnd zu be-
rühren, und durch die zarte Hülle
der ebnen Haut die warmen Ströme
des feinsten Lebens zu fühlen. Sein
Auge indessen berauschte sich an der
Farbe die sich durch die Wirkung
der Schatten vielfach zu verändern
schien und doch immer eine und die-
selbe blieb. Eine reine Mischung,
wo nirgends Weiß oder Braun oder
Roth allein abstach oder sich roh
zeigte. Das alles war verschleyert
und verschmolzen zu einem einzigen
harmonischen Glanz von sanftem Le-
ben. -- Auch Julius war männlich
schön, aber die Männlichkeit seiner
Gestalt offenbarte sich nicht in der
hervorgedrängten Kraft der Muskeln.

konnte er nicht aufhören, die ſchwel-
lenden Umriſſe ſchmeichelnd zu be-
rühren, und durch die zarte Hülle
der ebnen Haut die warmen Ströme
des feinſten Lebens zu fühlen. Sein
Auge indeſſen berauſchte ſich an der
Farbe die ſich durch die Wirkung
der Schatten vielfach zu verändern
ſchien und doch immer eine und die-
ſelbe blieb. Eine reine Miſchung,
wo nirgends Weiß oder Braun oder
Roth allein abſtach oder ſich roh
zeigte. Das alles war verſchleyert
und verſchmolzen zu einem einzigen
harmoniſchen Glanz von ſanftem Le-
ben. — Auch Julius war männlich
ſchön, aber die Männlichkeit ſeiner
Geſtalt offenbarte ſich nicht in der
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[200/0205] konnte er nicht aufhören, die ſchwel- lenden Umriſſe ſchmeichelnd zu be- rühren, und durch die zarte Hülle der ebnen Haut die warmen Ströme des feinſten Lebens zu fühlen. Sein Auge indeſſen berauſchte ſich an der Farbe die ſich durch die Wirkung der Schatten vielfach zu verändern ſchien und doch immer eine und die- ſelbe blieb. Eine reine Miſchung, wo nirgends Weiß oder Braun oder Roth allein abſtach oder ſich roh zeigte. Das alles war verſchleyert und verſchmolzen zu einem einzigen harmoniſchen Glanz von ſanftem Le- ben. — Auch Julius war männlich ſchön, aber die Männlichkeit ſeiner Geſtalt offenbarte ſich nicht in der hervorgedrängten Kraft der Muſkeln.

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Zitationshilfe: Schlegel, Friedrich von: Lucinde. Berlin, 1799, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_lucinde_1799/205>, abgerufen am 20.04.2024.