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Schlegel, Friedrich von: Lucinde. Berlin, 1799.

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er sich seiner Gewalt hingeben wollte.
Auch war sein äußeres Betragen
jeder bürgerlichen und gesellschaftli-
chen Ordnung gemäß, und grade
jetzt fingen die Menschen an, ihn
vernünftig zu nennen, da eine Ver-
wirrung aller Schmerzen sein Innres
wild zerriß, und die Krankheit des
Geistes immer tiefer und geheimer
an dem Herzen nagte. Es war
mehr eine Raserey des Gefühls als
des Verstandes, und das Übel war
nur um so gefährlicher, weil er
äußerlich froh und lustig schien. So
war seine gewöhnliche Stimmung,
und man fand ihn sogar angenehm.
Nur wenn er mehr Wein genossen
hatte als gewöhnlich, ward er über-
aus traurig und zu Thränen und

er ſich ſeiner Gewalt hingeben wollte.
Auch war ſein äußeres Betragen
jeder bürgerlichen und geſellſchaftli-
chen Ordnung gemäß, und grade
jetzt fingen die Menſchen an, ihn
vernünftig zu nennen, da eine Ver-
wirrung aller Schmerzen ſein Innres
wild zerriß, und die Krankheit des
Geiſtes immer tiefer und geheimer
an dem Herzen nagte. Es war
mehr eine Raſerey des Gefühls als
des Verſtandes, und das Übel war
nur um ſo gefährlicher, weil er
äußerlich froh und luſtig ſchien. So
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hatte als gewöhnlich, ward er über-
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[166/0171] er ſich ſeiner Gewalt hingeben wollte. Auch war ſein äußeres Betragen jeder bürgerlichen und geſellſchaftli- chen Ordnung gemäß, und grade jetzt fingen die Menſchen an, ihn vernünftig zu nennen, da eine Ver- wirrung aller Schmerzen ſein Innres wild zerriß, und die Krankheit des Geiſtes immer tiefer und geheimer an dem Herzen nagte. Es war mehr eine Raſerey des Gefühls als des Verſtandes, und das Übel war nur um ſo gefährlicher, weil er äußerlich froh und luſtig ſchien. So war ſeine gewöhnliche Stimmung, und man fand ihn ſogar angenehm. Nur wenn er mehr Wein genoſſen hatte als gewöhnlich, ward er über- aus traurig und zu Thränen und

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Zitationshilfe: Schlegel, Friedrich von: Lucinde. Berlin, 1799, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_lucinde_1799/171>, abgerufen am 28.03.2024.