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Schlegel, Friedrich von: Lucinde. Berlin, 1799.

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ein andrer wäre. Für Musik hatte
sie gar kein Gefühl, für die bilden-
den Künste aber so viel daß Julius
oft mit ihr über seine Arbeiten und
Ideen sprach, und die Skizzen für
die besten hielt, die er unter ihren
Augen und bey ihrem Gespräch ent-
worfen hat. Doch schätzte sie an
Statuen und an Zeichnungen nur
die lebendige Kraft, und an Gemäl-
den nur den Zauber der Farben, die
Wahrheit des Fleisches und allenfalls
die Täuschung des Lichtes. Sprach
ihr jemand von Regeln, vom Ideal
und von der sogenannten Zeichnung,
so lachte sie oder hörte nicht zu.
Selbst etwas zu versuchen, so viele
bereitwillige Lehrer sich auch anboten,
war sie viel zu träge und verwöhnt

ein andrer wäre. Für Muſik hatte
ſie gar kein Gefühl, für die bilden-
den Künſte aber ſo viel daß Julius
oft mit ihr über ſeine Arbeiten und
Ideen ſprach, und die Skizzen für
die beſten hielt, die er unter ihren
Augen und bey ihrem Geſpräch ent-
worfen hat. Doch ſchätzte ſie an
Statuen und an Zeichnungen nur
die lebendige Kraft, und an Gemäl-
den nur den Zauber der Farben, die
Wahrheit des Fleiſches und allenfalls
die Täuſchung des Lichtes. Sprach
ihr jemand von Regeln, vom Ideal
und von der ſogenannten Zeichnung,
ſo lachte ſie oder hörte nicht zu.
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bereitwillige Lehrer ſich auch anboten,
war ſie viel zu träge und verwöhnt

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[148/0153] ein andrer wäre. Für Muſik hatte ſie gar kein Gefühl, für die bilden- den Künſte aber ſo viel daß Julius oft mit ihr über ſeine Arbeiten und Ideen ſprach, und die Skizzen für die beſten hielt, die er unter ihren Augen und bey ihrem Geſpräch ent- worfen hat. Doch ſchätzte ſie an Statuen und an Zeichnungen nur die lebendige Kraft, und an Gemäl- den nur den Zauber der Farben, die Wahrheit des Fleiſches und allenfalls die Täuſchung des Lichtes. Sprach ihr jemand von Regeln, vom Ideal und von der ſogenannten Zeichnung, ſo lachte ſie oder hörte nicht zu. Selbſt etwas zu verſuchen, ſo viele bereitwillige Lehrer ſich auch anboten, war ſie viel zu träge und verwöhnt

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Zitationshilfe: Schlegel, Friedrich von: Lucinde. Berlin, 1799, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_lucinde_1799/153>, abgerufen am 25.04.2024.