Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schlegel, Johann Elias: Canut. Kopenhagen, 1746.

Bild:
<< vorherige Seite
Canut,
Fünfter Auftritt.

Ulfo, Estrithe.

Estrithe.
Jch will nicht dem Gesetz der Ehre wiederstehen.
Du hast den Streit erregt und darfst ihm nicht ent-
gehen.
Doch, daß dein hartes Herz, das nur von Mordgier
brennt,
Estrithen nicht einmal ein Lebewohl vergönnt,
Daß du, in dem ich seh, wie du mich hintergangen,
Mir nicht einmal erlaubst, dich, Falscher, zu um-
fangen,
Denk, ist dieß nicht zu viel? ist dieß nicht Grausamkeit?
Jsts möglich zwar vielleicht, daß noch dein Herz sich
scheut,
Du fürchtest wohl, daß ich mich nur beklagen wollte,
Und meynst, ich hasse dich, weil ich dich hassen sollte.
Nein! du hast schon geprüft, daß ich nicht hassen kann.
Ach! wüßt ich alles nur, was du an mir gethan!
Jch hör itzt sonst von nichts als deinem Frevel sprechen,
Ein jeder Augenblick zeigt mir ein neu Verbrechen.
Was ich sonst so beweint, das scheint mir itzt nur klein.
Du lehrst mich, Grausamer, dir alles zu verzeihn.
Daß du mein ängstlich Flehn durch falsche Reu be-
trogen,
Mich selbst in den Verrath, auf den du denkst, gezogen,
Und daß dein trotzig Herz an der Versöhnung statt,
Die du zu stiften kamst, nur Haß zur Absicht hat,
Daß du den tollen Zweck vor aller Welt entdeckest,
Und mich vor deiner Wut betrübten Folgen schreckest,
Daß
Canut,
Fuͤnfter Auftritt.

Ulfo, Eſtrithe.

Eſtrithe.
Jch will nicht dem Geſetz der Ehre wiederſtehen.
Du haſt den Streit erregt und darfſt ihm nicht ent-
gehen.
Doch, daß dein hartes Herz, das nur von Mordgier
brennt,
Eſtrithen nicht einmal ein Lebewohl vergoͤnnt,
Daß du, in dem ich ſeh, wie du mich hintergangen,
Mir nicht einmal erlaubſt, dich, Falſcher, zu um-
fangen,
Denk, iſt dieß nicht zu viel? iſt dieß nicht Grauſamkeit?
Jſts moͤglich zwar vielleicht, daß noch dein Herz ſich
ſcheut,
Du fuͤrchteſt wohl, daß ich mich nur beklagen wollte,
Und meynſt, ich haſſe dich, weil ich dich haſſen ſollte.
Nein! du haſt ſchon gepruͤft, daß ich nicht haſſen kann.
Ach! wuͤßt ich alles nur, was du an mir gethan!
Jch hoͤr itzt ſonſt von nichts als deinem Frevel ſprechen,
Ein jeder Augenblick zeigt mir ein neu Verbrechen.
Was ich ſonſt ſo beweint, das ſcheint mir itzt nur klein.
Du lehrſt mich, Grauſamer, dir alles zu verzeihn.
Daß du mein aͤngſtlich Flehn durch falſche Reu be-
trogen,
Mich ſelbſt in den Verrath, auf den du denkſt, gezogen,
Und daß dein trotzig Herz an der Verſoͤhnung ſtatt,
Die du zu ſtiften kamſt, nur Haß zur Abſicht hat,
Daß du den tollen Zweck vor aller Welt entdeckeſt,
Und mich vor deiner Wut betruͤbten Folgen ſchreckeſt,
Daß
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0042" n="28"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Canut,</hi> </fw><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Fu&#x0364;nfter Auftritt.</hi> </head><lb/>
          <p> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">Ulfo, E&#x017F;trithe.</hi> </hi> </p><lb/>
          <sp who="#EST">
            <speaker> <hi rendition="#fr">E&#x017F;trithe.</hi> </speaker><lb/>
            <p><hi rendition="#in">J</hi>ch will nicht dem Ge&#x017F;etz der Ehre wieder&#x017F;tehen.<lb/>
Du ha&#x017F;t den Streit erregt und darf&#x017F;t ihm nicht ent-<lb/><hi rendition="#et">gehen.</hi><lb/>
Doch, daß dein hartes Herz, das nur von Mordgier<lb/><hi rendition="#et">brennt,</hi><lb/>
E&#x017F;trithen nicht einmal ein Lebewohl vergo&#x0364;nnt,<lb/>
Daß du, in dem ich &#x017F;eh, wie du mich hintergangen,<lb/>
Mir nicht einmal erlaub&#x017F;t, dich, Fal&#x017F;cher, zu um-<lb/><hi rendition="#et">fangen,</hi><lb/>
Denk, i&#x017F;t dieß nicht zu viel? i&#x017F;t dieß nicht Grau&#x017F;amkeit?<lb/>
J&#x017F;ts mo&#x0364;glich zwar vielleicht, daß noch dein Herz &#x017F;ich<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;cheut,</hi><lb/>
Du fu&#x0364;rchte&#x017F;t wohl, daß ich mich nur beklagen wollte,<lb/>
Und meyn&#x017F;t, ich ha&#x017F;&#x017F;e dich, weil ich dich ha&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ollte.<lb/>
Nein! du ha&#x017F;t &#x017F;chon gepru&#x0364;ft, daß ich nicht ha&#x017F;&#x017F;en kann.<lb/>
Ach! wu&#x0364;ßt ich alles nur, was du an mir gethan!<lb/>
Jch ho&#x0364;r itzt &#x017F;on&#x017F;t von nichts als deinem Frevel &#x017F;prechen,<lb/>
Ein jeder Augenblick zeigt mir ein neu Verbrechen.<lb/>
Was ich &#x017F;on&#x017F;t &#x017F;o beweint, das &#x017F;cheint mir itzt nur klein.<lb/>
Du lehr&#x017F;t mich, Grau&#x017F;amer, dir alles zu verzeihn.<lb/>
Daß du mein a&#x0364;ng&#x017F;tlich Flehn durch fal&#x017F;che Reu be-<lb/><hi rendition="#et">trogen,</hi><lb/>
Mich &#x017F;elb&#x017F;t in den Verrath, auf den du denk&#x017F;t, gezogen,<lb/>
Und daß dein trotzig Herz an der Ver&#x017F;o&#x0364;hnung &#x017F;tatt,<lb/>
Die du zu &#x017F;tiften kam&#x017F;t, nur Haß zur Ab&#x017F;icht hat,<lb/>
Daß du den tollen Zweck vor aller Welt entdecke&#x017F;t,<lb/>
Und mich vor deiner Wut betru&#x0364;bten Folgen &#x017F;chrecke&#x017F;t,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Daß</fw><lb/></p>
          </sp>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[28/0042] Canut, Fuͤnfter Auftritt. Ulfo, Eſtrithe. Eſtrithe. Jch will nicht dem Geſetz der Ehre wiederſtehen. Du haſt den Streit erregt und darfſt ihm nicht ent- gehen. Doch, daß dein hartes Herz, das nur von Mordgier brennt, Eſtrithen nicht einmal ein Lebewohl vergoͤnnt, Daß du, in dem ich ſeh, wie du mich hintergangen, Mir nicht einmal erlaubſt, dich, Falſcher, zu um- fangen, Denk, iſt dieß nicht zu viel? iſt dieß nicht Grauſamkeit? Jſts moͤglich zwar vielleicht, daß noch dein Herz ſich ſcheut, Du fuͤrchteſt wohl, daß ich mich nur beklagen wollte, Und meynſt, ich haſſe dich, weil ich dich haſſen ſollte. Nein! du haſt ſchon gepruͤft, daß ich nicht haſſen kann. Ach! wuͤßt ich alles nur, was du an mir gethan! Jch hoͤr itzt ſonſt von nichts als deinem Frevel ſprechen, Ein jeder Augenblick zeigt mir ein neu Verbrechen. Was ich ſonſt ſo beweint, das ſcheint mir itzt nur klein. Du lehrſt mich, Grauſamer, dir alles zu verzeihn. Daß du mein aͤngſtlich Flehn durch falſche Reu be- trogen, Mich ſelbſt in den Verrath, auf den du denkſt, gezogen, Und daß dein trotzig Herz an der Verſoͤhnung ſtatt, Die du zu ſtiften kamſt, nur Haß zur Abſicht hat, Daß du den tollen Zweck vor aller Welt entdeckeſt, Und mich vor deiner Wut betruͤbten Folgen ſchreckeſt, Daß

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_canut_1746
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_canut_1746/42
Zitationshilfe: Schlegel, Johann Elias: Canut. Kopenhagen, 1746, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_canut_1746/42>, abgerufen am 23.04.2024.