Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schiller, [Friedrich]: Maria Stuart. Tübingen u. a., 1801.

Bild:
<< vorherige Seite
Um eure hellen Sinne wob. Ihr hattet
Kein Ohr mehr für der Freundin Warnungsstimme,
Kein Aug' für das, was wohlanständig war.
Verlassen hatte euch die zarte Scheu
Der Menschen, eure Wangen, sonst der Sitz
Schaamhaft erröthender Bescheidenheit,
Sie glühten nur vom Feuer des Verlangens.
Ihr warft den Schleier des Geheimnisses
Von euch, des Mannes keckes Laster hatte
Auch Eure Blödigkeit besiegt, ihr stelltet
Mit dreister Stirne eure Schmach zur Schau.
Ihr ließt das königliche Schwerdt von Schottland
Durch ihn, den Mörder, dem des Volkes Flüche
Nachschallten, durch die Gassen Edimburgs,
Vor euch hertragen im Triumph, umringtet
Mit Waffen euer Parlament, und hier,
Im eignen Tempel der Gerechtigkeit,
Zwangt ihr mit frechem Possenspiel die Richter,
Den Schuldigen des Mordes loszusprechen --
Ihr giengt noch weiter -- Gott!

Maria.
Vollende nur!
Und reicht' ihm meine Hand vor dem Altare!

Kennedy.
O laßt ein ewig Schweigen diese That
Bedecken! Sie ist schauderhaft, empörend,
Um eure hellen Sinne wob. Ihr hattet
Kein Ohr mehr fuͤr der Freundin Warnungsſtimme,
Kein Aug' fuͤr das, was wohlanſtaͤndig war.
Verlaſſen hatte euch die zarte Scheu
Der Menſchen, eure Wangen, ſonſt der Sitz
Schaamhaft erroͤthender Beſcheidenheit,
Sie gluͤhten nur vom Feuer des Verlangens.
Ihr warft den Schleier des Geheimniſſes
Von euch, des Mannes keckes Laſter hatte
Auch Eure Bloͤdigkeit beſiegt, ihr ſtelltet
Mit dreiſter Stirne eure Schmach zur Schau.
Ihr ließt das koͤnigliche Schwerdt von Schottland
Durch ihn, den Moͤrder, dem des Volkes Fluͤche
Nachſchallten, durch die Gaſſen Edimburgs,
Vor euch hertragen im Triumph, umringtet
Mit Waffen euer Parlament, und hier,
Im eignen Tempel der Gerechtigkeit,
Zwangt ihr mit frechem Poſſenſpiel die Richter,
Den Schuldigen des Mordes loszuſprechen —
Ihr giengt noch weiter — Gott!

Maria.
Vollende nur!
Und reicht' ihm meine Hand vor dem Altare!

Kennedy.
O laßt ein ewig Schweigen dieſe That
Bedecken! Sie iſt ſchauderhaft, empoͤrend,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <sp who="#HANKEN">
            <p><pb facs="#f0030" n="24"/>
Um eure hellen Sinne wob. Ihr hattet<lb/>
Kein Ohr mehr fu&#x0364;r der Freundin Warnungs&#x017F;timme,<lb/>
Kein Aug' fu&#x0364;r das, was wohlan&#x017F;ta&#x0364;ndig war.<lb/>
Verla&#x017F;&#x017F;en hatte euch die zarte Scheu<lb/>
Der Men&#x017F;chen, eure Wangen, &#x017F;on&#x017F;t der Sitz<lb/>
Schaamhaft erro&#x0364;thender Be&#x017F;cheidenheit,<lb/>
Sie glu&#x0364;hten nur vom Feuer des Verlangens.<lb/>
Ihr warft den Schleier des Geheimni&#x017F;&#x017F;es<lb/>
Von euch, des Mannes keckes La&#x017F;ter hatte<lb/>
Auch Eure Blo&#x0364;digkeit be&#x017F;iegt, ihr &#x017F;telltet<lb/>
Mit drei&#x017F;ter Stirne eure Schmach zur Schau.<lb/>
Ihr ließt das ko&#x0364;nigliche Schwerdt von Schottland<lb/>
Durch ihn, den Mo&#x0364;rder, dem des Volkes Flu&#x0364;che<lb/>
Nach&#x017F;challten, durch die Ga&#x017F;&#x017F;en Edimburgs,<lb/>
Vor euch hertragen im Triumph, umringtet<lb/>
Mit Waffen euer Parlament, und hier,<lb/>
Im eignen Tempel der Gerechtigkeit,<lb/>
Zwangt ihr mit frechem Po&#x017F;&#x017F;en&#x017F;piel die Richter,<lb/>
Den Schuldigen des Mordes loszu&#x017F;prechen &#x2014;<lb/>
Ihr giengt noch weiter &#x2014; Gott!</p><lb/>
          </sp>
          <sp who="#MARSTUA">
            <speaker><hi rendition="#g">Maria</hi>.</speaker><lb/>
            <p>Vollende nur!<lb/>
Und reicht' ihm meine Hand vor dem Altare!</p><lb/>
          </sp>
          <sp who="#HANKEN">
            <speaker><hi rendition="#g">Kennedy</hi>.</speaker><lb/>
            <p>O laßt ein ewig Schweigen die&#x017F;e That<lb/>
Bedecken! Sie i&#x017F;t &#x017F;chauderhaft, empo&#x0364;rend,<lb/></p>
          </sp>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[24/0030] Um eure hellen Sinne wob. Ihr hattet Kein Ohr mehr fuͤr der Freundin Warnungsſtimme, Kein Aug' fuͤr das, was wohlanſtaͤndig war. Verlaſſen hatte euch die zarte Scheu Der Menſchen, eure Wangen, ſonſt der Sitz Schaamhaft erroͤthender Beſcheidenheit, Sie gluͤhten nur vom Feuer des Verlangens. Ihr warft den Schleier des Geheimniſſes Von euch, des Mannes keckes Laſter hatte Auch Eure Bloͤdigkeit beſiegt, ihr ſtelltet Mit dreiſter Stirne eure Schmach zur Schau. Ihr ließt das koͤnigliche Schwerdt von Schottland Durch ihn, den Moͤrder, dem des Volkes Fluͤche Nachſchallten, durch die Gaſſen Edimburgs, Vor euch hertragen im Triumph, umringtet Mit Waffen euer Parlament, und hier, Im eignen Tempel der Gerechtigkeit, Zwangt ihr mit frechem Poſſenſpiel die Richter, Den Schuldigen des Mordes loszuſprechen — Ihr giengt noch weiter — Gott! Maria. Vollende nur! Und reicht' ihm meine Hand vor dem Altare! Kennedy. O laßt ein ewig Schweigen dieſe That Bedecken! Sie iſt ſchauderhaft, empoͤrend,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_stuart_1801
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_stuart_1801/30
Zitationshilfe: Schiller, [Friedrich]: Maria Stuart. Tübingen u. a., 1801, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_stuart_1801/30>, abgerufen am 19.04.2024.