Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schiller, [Friedrich]: Maria Stuart. Tübingen u. a., 1801.

Bild:
<< vorherige Seite
Kennedy.
Ihr spottet, Sir -- Zur Härte fügt ihr noch
Den bittern Hohn! Sie hegte solche Träume,
Die hier lebendig eingemauert lebt,
Zu der kein Schall des Trostes, keine Stimme
Der Freundschaft aus der lieben Heimat dringt,
Die längst kein Menschenangesicht mehr schaute,
Als ihrer Kerkermeister finstre Stirn,
Die erst seit kurzem einen neuen Wächter
Erhielt in eurem rauhen Anverwandten,
Von neuen Stäben sich umgittert sieht --

Paulet.
Kein Eisengitter schützt vor ihrer List.
Weiß ich, ob diese Stäbe nicht durchfeilt,
Nicht dieses Zimmers Boden, diese Wände,
Von außen fest, nicht hohl von innen sind,
Und den Verrath einlassen, wenn ich schlafe?
Fluchvolles Amt, das mir geworden ist,
Die Unheilbrütend listige zu hüten.
Vom Schlummer jagt die Furcht mich auf, ich gehe
Nachts um, wie ein gequälter Geist, erprobe
Des Schlosses Riegel und der Wächter Treu,
Und sehe zitternd jeden Morgen kommen,
Der meine Furcht wahr machen kann. Doch wohl mir!
Wohl! Es ist Hoffnung, daß es bald nun endet.
Kennedy.
Ihr ſpottet, Sir — Zur Haͤrte fuͤgt ihr noch
Den bittern Hohn! Sie hegte ſolche Traͤume,
Die hier lebendig eingemauert lebt,
Zu der kein Schall des Troſtes, keine Stimme
Der Freundſchaft aus der lieben Heimat dringt,
Die laͤngſt kein Menſchenangeſicht mehr ſchaute,
Als ihrer Kerkermeiſter finſtre Stirn,
Die erſt ſeit kurzem einen neuen Waͤchter
Erhielt in eurem rauhen Anverwandten,
Von neuen Staͤben ſich umgittert ſieht —

Paulet.
Kein Eiſengitter ſchuͤtzt vor ihrer Liſt.
Weiß ich, ob dieſe Staͤbe nicht durchfeilt,
Nicht dieſes Zimmers Boden, dieſe Waͤnde,
Von außen feſt, nicht hohl von innen ſind,
Und den Verrath einlaſſen, wenn ich ſchlafe?
Fluchvolles Amt, das mir geworden iſt,
Die Unheilbruͤtend liſtige zu huͤten.
Vom Schlummer jagt die Furcht mich auf, ich gehe
Nachts um, wie ein gequaͤlter Geiſt, erprobe
Des Schloſſes Riegel und der Waͤchter Treu,
Und ſehe zitternd jeden Morgen kommen,
Der meine Furcht wahr machen kann. Doch wohl mir!
Wohl! Es iſt Hoffnung, daß es bald nun endet.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0018" n="12"/>
          <sp who="#HANKEN">
            <speaker><hi rendition="#g">Kennedy</hi>.</speaker><lb/>
            <p>Ihr &#x017F;pottet, Sir &#x2014; Zur Ha&#x0364;rte fu&#x0364;gt ihr noch<lb/>
Den bittern Hohn! Sie hegte &#x017F;olche Tra&#x0364;ume,<lb/>
Die hier lebendig eingemauert lebt,<lb/>
Zu der kein Schall des Tro&#x017F;tes, keine Stimme<lb/>
Der Freund&#x017F;chaft aus der lieben Heimat dringt,<lb/>
Die la&#x0364;ng&#x017F;t kein Men&#x017F;chenange&#x017F;icht mehr &#x017F;chaute,<lb/>
Als ihrer Kerkermei&#x017F;ter fin&#x017F;tre Stirn,<lb/>
Die er&#x017F;t &#x017F;eit kurzem einen neuen Wa&#x0364;chter<lb/>
Erhielt in eurem rauhen Anverwandten,<lb/>
Von neuen Sta&#x0364;ben &#x017F;ich umgittert &#x017F;ieht &#x2014;</p><lb/>
          </sp>
          <sp who="#PAU">
            <speaker><hi rendition="#g">Paulet</hi>.</speaker><lb/>
            <p>Kein Ei&#x017F;engitter &#x017F;chu&#x0364;tzt vor ihrer Li&#x017F;t.<lb/>
Weiß ich, ob die&#x017F;e Sta&#x0364;be nicht durchfeilt,<lb/>
Nicht die&#x017F;es Zimmers Boden, die&#x017F;e Wa&#x0364;nde,<lb/>
Von außen fe&#x017F;t, nicht hohl von innen &#x017F;ind,<lb/>
Und den Verrath einla&#x017F;&#x017F;en, wenn ich &#x017F;chlafe?<lb/>
Fluchvolles Amt, das mir geworden i&#x017F;t,<lb/>
Die Unheilbru&#x0364;tend li&#x017F;tige zu hu&#x0364;ten.<lb/>
Vom Schlummer jagt die Furcht mich auf, ich gehe<lb/>
Nachts um, wie ein gequa&#x0364;lter Gei&#x017F;t, erprobe<lb/>
Des Schlo&#x017F;&#x017F;es Riegel und der Wa&#x0364;chter Treu,<lb/>
Und &#x017F;ehe zitternd jeden Morgen kommen,<lb/>
Der meine Furcht wahr machen kann. Doch wohl mir!<lb/>
Wohl! Es i&#x017F;t Hoffnung, daß es bald nun endet.<lb/></p>
          </sp>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[12/0018] Kennedy. Ihr ſpottet, Sir — Zur Haͤrte fuͤgt ihr noch Den bittern Hohn! Sie hegte ſolche Traͤume, Die hier lebendig eingemauert lebt, Zu der kein Schall des Troſtes, keine Stimme Der Freundſchaft aus der lieben Heimat dringt, Die laͤngſt kein Menſchenangeſicht mehr ſchaute, Als ihrer Kerkermeiſter finſtre Stirn, Die erſt ſeit kurzem einen neuen Waͤchter Erhielt in eurem rauhen Anverwandten, Von neuen Staͤben ſich umgittert ſieht — Paulet. Kein Eiſengitter ſchuͤtzt vor ihrer Liſt. Weiß ich, ob dieſe Staͤbe nicht durchfeilt, Nicht dieſes Zimmers Boden, dieſe Waͤnde, Von außen feſt, nicht hohl von innen ſind, Und den Verrath einlaſſen, wenn ich ſchlafe? Fluchvolles Amt, das mir geworden iſt, Die Unheilbruͤtend liſtige zu huͤten. Vom Schlummer jagt die Furcht mich auf, ich gehe Nachts um, wie ein gequaͤlter Geiſt, erprobe Des Schloſſes Riegel und der Waͤchter Treu, Und ſehe zitternd jeden Morgen kommen, Der meine Furcht wahr machen kann. Doch wohl mir! Wohl! Es iſt Hoffnung, daß es bald nun endet.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_stuart_1801
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_stuart_1801/18
Zitationshilfe: Schiller, [Friedrich]: Maria Stuart. Tübingen u. a., 1801, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_stuart_1801/18>, abgerufen am 20.04.2024.