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Schiller, Friedrich: Die Räuber. [Stuttgart], Frankfurt u. a., 1781.

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ein Schauspiel.
D. a. Moor weint bitterlich. Mein Nahme!
Mein ehrlicher Name!
Franz fällt ihm um den Hals. Schändlicher, drei-
mal schändlicher Karl! Ahndete mirs nicht, da er
noch ein Knabe den Mädels so nachschleuderte mit
Gaßenjungen und elendem Gesindel auf Wiesen
und Bergen sich herumhezte, den Anblick der Kir-
che, wie ein Missethäter das Gefängniß, floh,
und die Pfennige, die er euch abquälte dem ersten
dem besten Bettler in den Hut warf, während daß
wir daheim mit frommen Gebeten, und heiligen
Predigtbüchern uns erbauten? -- Ahndete mirs
nicht da er die Abendtheuer des Julius Cäsar und
Alexander Magnus und anderer stockfinsterer Hey-
den lieber las als die Geschichte des bußfertigen
Tobias? -- Hundertmal hab ichs euch geweissagt,
denn meine Liebe zu ihm war immer in den Schran-
ken der kindlichen Pflicht, -- der Junge wird uns
alle noch in Elend und Schande stürzen! -- O
daß er Moors Nahmen nicht trüge! daß mein
Herz nicht so warm für ihn schlüge! Die gottlose
Liebe, die ich nicht vertilgen kann, wird mich noch
einmal vor Gottes Richterstuhl anklagen.
D. a. Moor. Oh -- meine Aussichten! Mei-
ne goldenen Träume!
Franz. Das weis ich wol. Das ist es ja was
ich eben sagte. Der feurige Geist, der in dem
Buben lodert, sagtet ihr immer, der ihn für jeden
Reiz
A 3
ein Schauſpiel.
D. a. Moor weint bitterlich. Mein Nahme!
Mein ehrlicher Name!
Franz faͤllt ihm um den Hals. Schaͤndlicher, drei-
mal ſchaͤndlicher Karl! Ahndete mirs nicht, da er
noch ein Knabe den Maͤdels ſo nachſchleuderte mit
Gaßenjungen und elendem Geſindel auf Wieſen
und Bergen ſich herumhezte, den Anblick der Kir-
che, wie ein Miſſethaͤter das Gefaͤngniß, floh,
und die Pfennige, die er euch abquaͤlte dem erſten
dem beſten Bettler in den Hut warf, waͤhrend daß
wir daheim mit frommen Gebeten, und heiligen
Predigtbuͤchern uns erbauten? — Ahndete mirs
nicht da er die Abendtheuer des Julius Caͤſar und
Alexander Magnus und anderer ſtockfinſterer Hey-
den lieber las als die Geſchichte des bußfertigen
Tobias? — Hundertmal hab ichs euch geweiſſagt,
denn meine Liebe zu ihm war immer in den Schran-
ken der kindlichen Pflicht, — der Junge wird uns
alle noch in Elend und Schande ſtuͤrzen! — O
daß er Moors Nahmen nicht truͤge! daß mein
Herz nicht ſo warm fuͤr ihn ſchluͤge! Die gottloſe
Liebe, die ich nicht vertilgen kann, wird mich noch
einmal vor Gottes Richterſtuhl anklagen.
D. a. Moor. Oh — meine Auſſichten! Mei-
ne goldenen Traͤume!
Franz. Das weis ich wol. Das iſt es ja was
ich eben ſagte. Der feurige Geiſt, der in dem
Buben lodert, ſagtet ihr immer, der ihn fuͤr jeden
Reiz
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[5/0027] ein Schauſpiel. D. a. Moor weint bitterlich. Mein Nahme! Mein ehrlicher Name! Franz faͤllt ihm um den Hals. Schaͤndlicher, drei- mal ſchaͤndlicher Karl! Ahndete mirs nicht, da er noch ein Knabe den Maͤdels ſo nachſchleuderte mit Gaßenjungen und elendem Geſindel auf Wieſen und Bergen ſich herumhezte, den Anblick der Kir- che, wie ein Miſſethaͤter das Gefaͤngniß, floh, und die Pfennige, die er euch abquaͤlte dem erſten dem beſten Bettler in den Hut warf, waͤhrend daß wir daheim mit frommen Gebeten, und heiligen Predigtbuͤchern uns erbauten? — Ahndete mirs nicht da er die Abendtheuer des Julius Caͤſar und Alexander Magnus und anderer ſtockfinſterer Hey- den lieber las als die Geſchichte des bußfertigen Tobias? — Hundertmal hab ichs euch geweiſſagt, denn meine Liebe zu ihm war immer in den Schran- ken der kindlichen Pflicht, — der Junge wird uns alle noch in Elend und Schande ſtuͤrzen! — O daß er Moors Nahmen nicht truͤge! daß mein Herz nicht ſo warm fuͤr ihn ſchluͤge! Die gottloſe Liebe, die ich nicht vertilgen kann, wird mich noch einmal vor Gottes Richterſtuhl anklagen. D. a. Moor. Oh — meine Auſſichten! Mei- ne goldenen Traͤume! Franz. Das weis ich wol. Das iſt es ja was ich eben ſagte. Der feurige Geiſt, der in dem Buben lodert, ſagtet ihr immer, der ihn fuͤr jeden Reiz A 3

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Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Die Räuber. [Stuttgart], Frankfurt u. a., 1781, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_raeuber_1781/27>, abgerufen am 29.03.2024.