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Schiller, Friedrich: Die Räuber. [Stuttgart], Frankfurt u. a., 1781.

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ein Schauspiel.
aber die Seelen versezen sich aus dem staubigten
Kerker, und treffen sich im Paradiese der Liebe --
Sie scheinen traurig, Herr Graf?
Moor. Die Worte der Liebe machen auch mei-
ne Liebe lebendig.
Amalia blaß. Was? Sie lieben eine andre?
-- Weh mir, was hab ich gesagt?
Moor. Sie glaubte mich tod, und blieb treu
dem Todgeglaubten -- sie hörte wieder, ich lebe,
und opferte mir die Krone einer Heiligen auf. Sie
weis mich in Wüsten irren, und im Elend her-
umschwärmen, und ihre Liebe fliegt durch Wüsten
und Elend mir nach. Auch heißt sie Amalia wie
Sie, gnädiges Fräulein.
Amalia. Wie beneid ich ihre Amalia!
Moor. Oh sie ist ein unglückliches Mädgen,
ihre Liebe ist für einen, der verlohren ist, und wird
-- ewig niemals belohnt.
Amalia. Nein, sie wird im Himmel belohnt.
Sagt man nicht, es gebe eine bessere Welt, wo
die Traurigen sich freuen, und die Liebenden sich
wiedererkennen?
Moor. Ja, eine Welt, wo die Schleyer hin-
wegfallen, und die Liebe sich schröcklich wiederfin-
det -- Ewigkeit heißt ihr Name -- meine Ama-
lia ist ein unglückliches Mädgen.
Amalia. Unglücklich, und Sie lieben?
Moor. Unglücklich, weil sie mich liebt! wie,
wenn
ein Schauſpiel.
aber die Seelen verſezen ſich aus dem ſtaubigten
Kerker, und treffen ſich im Paradieſe der Liebe —
Sie ſcheinen traurig, Herr Graf?
Moor. Die Worte der Liebe machen auch mei-
ne Liebe lebendig.
Amalia blaß. Was? Sie lieben eine andre?
— Weh mir, was hab ich geſagt?
Moor. Sie glaubte mich tod, und blieb treu
dem Todgeglaubten — ſie hoͤrte wieder, ich lebe,
und opferte mir die Krone einer Heiligen auf. Sie
weis mich in Wuͤſten irren, und im Elend her-
umſchwaͤrmen, und ihre Liebe fliegt durch Wuͤſten
und Elend mir nach. Auch heißt ſie Amalia wie
Sie, gnaͤdiges Fraͤulein.
Amalia. Wie beneid ich ihre Amalia!
Moor. Oh ſie iſt ein ungluͤckliches Maͤdgen,
ihre Liebe iſt fuͤr einen, der verlohren iſt, und wird
— ewig niemals belohnt.
Amalia. Nein, ſie wird im Himmel belohnt.
Sagt man nicht, es gebe eine beſſere Welt, wo
die Traurigen ſich freuen, und die Liebenden ſich
wiedererkennen?
Moor. Ja, eine Welt, wo die Schleyer hin-
wegfallen, und die Liebe ſich ſchroͤcklich wiederfin-
det — Ewigkeit heißt ihr Name — meine Ama-
lia iſt ein ungluͤckliches Maͤdgen.
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wenn
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[159/0181] ein Schauſpiel. aber die Seelen verſezen ſich aus dem ſtaubigten Kerker, und treffen ſich im Paradieſe der Liebe — Sie ſcheinen traurig, Herr Graf? Moor. Die Worte der Liebe machen auch mei- ne Liebe lebendig. Amalia blaß. Was? Sie lieben eine andre? — Weh mir, was hab ich geſagt? Moor. Sie glaubte mich tod, und blieb treu dem Todgeglaubten — ſie hoͤrte wieder, ich lebe, und opferte mir die Krone einer Heiligen auf. Sie weis mich in Wuͤſten irren, und im Elend her- umſchwaͤrmen, und ihre Liebe fliegt durch Wuͤſten und Elend mir nach. Auch heißt ſie Amalia wie Sie, gnaͤdiges Fraͤulein. Amalia. Wie beneid ich ihre Amalia! Moor. Oh ſie iſt ein ungluͤckliches Maͤdgen, ihre Liebe iſt fuͤr einen, der verlohren iſt, und wird — ewig niemals belohnt. Amalia. Nein, ſie wird im Himmel belohnt. Sagt man nicht, es gebe eine beſſere Welt, wo die Traurigen ſich freuen, und die Liebenden ſich wiedererkennen? Moor. Ja, eine Welt, wo die Schleyer hin- wegfallen, und die Liebe ſich ſchroͤcklich wiederfin- det — Ewigkeit heißt ihr Name — meine Ama- lia iſt ein ungluͤckliches Maͤdgen. Amalia. Ungluͤcklich, und Sie lieben? Moor. Ungluͤcklich, weil ſie mich liebt! wie, wenn

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Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Die Räuber. [Stuttgart], Frankfurt u. a., 1781, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_raeuber_1781/181>, abgerufen am 20.04.2024.