Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schiller, Friedrich: Die Räuber. [Stuttgart], Frankfurt u. a., 1781.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Räuber,
ten können -- ihr saßt mir im Schoos, -- wißt
ihr noch? -- Dort in der runden Stube -- gelt
Vogel? Das habt ihr freylich vergessen -- auch
den Kukuk, den ihr so gern hörtet -- denkt doch!
der Kukuk ist zerschlagen, in Grunds-Boden ge-
schlagen -- die alte Susel hat ihn verwettert, wie
sie die Stube fegte -- ja freylich, und da saßt ihr
mir im Schoos, und rieft hotto! und ich lief fort,
euch den Hotto Gaul zu holen -- Jesus Gott!
Warum mußt ich alter Esel auch fortlaufen? --
und wie mirs siedigheis über den Bukel lief --
wie ich das Zettergeschrey höre draussen im Oehrn,
spring herein, und da lief das helle Blut, und la-
get am Boden, und hattet -- heilige Mutter
Gottes! War mirs nicht, als wenn mir ein Kü-
bel eiskalt Wasser übern Naken sprizte -- aber so
gehts, wenn man nicht alle Augen auf die Kinder
hat. Grosser Gott, wenns ins Aug gegangen wä-
re -- Wars darzu noch die rechte Hand. Mein
Lebens-Tag, sagt ich, soll mir kein Kind mehr
ein Messer oder eine Scheere oder so was spiziges,
sagt ich, in die Hände kriegen, sagt ich, -- war
zum Glük noch Herr und Frau verreiset -- ja ja,
das soll mir mein Tag des Lebens eine Warnung
seyn, sagt ich -- Jemini, jemini! ich hätte vom
Dienst kommen können, ich hätte, Gott der Herr
verzeyhs euch, gottloses Kind -- aber gottlob! es
heilte glüklich, biß auf die wüste Narbe.
Moor.
Die Raͤuber,
ten koͤnnen — ihr ſaßt mir im Schoos, — wißt
ihr noch? — Dort in der runden Stube — gelt
Vogel? Das habt ihr freylich vergeſſen — auch
den Kukuk, den ihr ſo gern hoͤrtet — denkt doch!
der Kukuk iſt zerſchlagen, in Grunds-Boden ge-
ſchlagen — die alte Suſel hat ihn verwettert, wie
ſie die Stube fegte — ja freylich, und da ſaßt ihr
mir im Schoos, und rieft hotto! und ich lief fort,
euch den Hotto Gaul zu holen — Jeſus Gott!
Warum mußt ich alter Eſel auch fortlaufen? —
und wie mirs ſiedigheis uͤber den Bukel lief —
wie ich das Zettergeſchrey hoͤre drauſſen im Oehrn,
ſpring herein, und da lief das helle Blut, und la-
get am Boden, und hattet — heilige Mutter
Gottes! War mirs nicht, als wenn mir ein Kuͤ-
bel eiskalt Waſſer uͤbern Naken ſprizte — aber ſo
gehts, wenn man nicht alle Augen auf die Kinder
hat. Groſſer Gott, wenns ins Aug gegangen waͤ-
re — Wars darzu noch die rechte Hand. Mein
Lebens-Tag, ſagt ich, ſoll mir kein Kind mehr
ein Meſſer oder eine Scheere oder ſo was ſpiziges,
ſagt ich, in die Haͤnde kriegen, ſagt ich, — war
zum Gluͤk noch Herr und Frau verreiſet — ja ja,
das ſoll mir mein Tag des Lebens eine Warnung
ſeyn, ſagt ich — Jemini, jemini! ich haͤtte vom
Dienſt kommen koͤnnen, ich haͤtte, Gott der Herr
verzeyhs euch, gottloſes Kind — aber gottlob! es
heilte gluͤklich, biß auf die wuͤſte Narbe.
Moor.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <sp who="#DAN">
            <p><pb facs="#f0172" n="150"/><fw place="top" type="header">Die Ra&#x0364;uber,</fw><lb/>
ten ko&#x0364;nnen &#x2014; ihr &#x017F;aßt mir im Schoos, &#x2014; wißt<lb/>
ihr noch? &#x2014; Dort in der runden Stube &#x2014; gelt<lb/>
Vogel? Das habt ihr freylich verge&#x017F;&#x017F;en &#x2014; auch<lb/>
den Kukuk, den ihr &#x017F;o gern ho&#x0364;rtet &#x2014; denkt doch!<lb/>
der Kukuk i&#x017F;t zer&#x017F;chlagen, in Grunds-Boden ge-<lb/>
&#x017F;chlagen &#x2014; die alte Su&#x017F;el hat ihn verwettert, wie<lb/>
&#x017F;ie die Stube fegte &#x2014; ja freylich, und da &#x017F;aßt ihr<lb/>
mir im Schoos, und rieft hotto! und ich lief fort,<lb/>
euch den Hotto Gaul zu holen &#x2014; Je&#x017F;us Gott!<lb/>
Warum mußt ich alter E&#x017F;el auch fortlaufen? &#x2014;<lb/>
und wie mirs &#x017F;iedigheis u&#x0364;ber den Bukel lief &#x2014;<lb/>
wie ich das Zetterge&#x017F;chrey ho&#x0364;re drau&#x017F;&#x017F;en im Oehrn,<lb/>
&#x017F;pring herein, und da lief das helle Blut, und la-<lb/>
get am Boden, und hattet &#x2014; heilige Mutter<lb/>
Gottes! War mirs nicht, als wenn mir ein Ku&#x0364;-<lb/>
bel eiskalt Wa&#x017F;&#x017F;er u&#x0364;bern Naken &#x017F;prizte &#x2014; aber &#x017F;o<lb/>
gehts, wenn man nicht alle Augen auf die Kinder<lb/>
hat. Gro&#x017F;&#x017F;er Gott, wenns ins Aug gegangen wa&#x0364;-<lb/>
re &#x2014; Wars darzu noch die rechte Hand. Mein<lb/>
Lebens-Tag, &#x017F;agt ich, &#x017F;oll mir kein Kind mehr<lb/>
ein Me&#x017F;&#x017F;er oder eine Scheere oder &#x017F;o was &#x017F;piziges,<lb/>
&#x017F;agt ich, in die Ha&#x0364;nde kriegen, &#x017F;agt ich, &#x2014; war<lb/>
zum Glu&#x0364;k noch Herr und Frau verrei&#x017F;et &#x2014; ja ja,<lb/>
das &#x017F;oll mir mein Tag des Lebens eine Warnung<lb/>
&#x017F;eyn, &#x017F;agt ich &#x2014; Jemini, jemini! ich ha&#x0364;tte vom<lb/>
Dien&#x017F;t kommen ko&#x0364;nnen, ich ha&#x0364;tte, Gott der Herr<lb/>
verzeyhs euch, gottlo&#x017F;es Kind &#x2014; aber gottlob! es<lb/>
heilte glu&#x0364;klich, biß auf die wu&#x0364;&#x017F;te Narbe.</p>
          </sp><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Moor.</hi> </hi> </fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[150/0172] Die Raͤuber, ten koͤnnen — ihr ſaßt mir im Schoos, — wißt ihr noch? — Dort in der runden Stube — gelt Vogel? Das habt ihr freylich vergeſſen — auch den Kukuk, den ihr ſo gern hoͤrtet — denkt doch! der Kukuk iſt zerſchlagen, in Grunds-Boden ge- ſchlagen — die alte Suſel hat ihn verwettert, wie ſie die Stube fegte — ja freylich, und da ſaßt ihr mir im Schoos, und rieft hotto! und ich lief fort, euch den Hotto Gaul zu holen — Jeſus Gott! Warum mußt ich alter Eſel auch fortlaufen? — und wie mirs ſiedigheis uͤber den Bukel lief — wie ich das Zettergeſchrey hoͤre drauſſen im Oehrn, ſpring herein, und da lief das helle Blut, und la- get am Boden, und hattet — heilige Mutter Gottes! War mirs nicht, als wenn mir ein Kuͤ- bel eiskalt Waſſer uͤbern Naken ſprizte — aber ſo gehts, wenn man nicht alle Augen auf die Kinder hat. Groſſer Gott, wenns ins Aug gegangen waͤ- re — Wars darzu noch die rechte Hand. Mein Lebens-Tag, ſagt ich, ſoll mir kein Kind mehr ein Meſſer oder eine Scheere oder ſo was ſpiziges, ſagt ich, in die Haͤnde kriegen, ſagt ich, — war zum Gluͤk noch Herr und Frau verreiſet — ja ja, das ſoll mir mein Tag des Lebens eine Warnung ſeyn, ſagt ich — Jemini, jemini! ich haͤtte vom Dienſt kommen koͤnnen, ich haͤtte, Gott der Herr verzeyhs euch, gottloſes Kind — aber gottlob! es heilte gluͤklich, biß auf die wuͤſte Narbe. Moor.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_raeuber_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_raeuber_1781/172
Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Die Räuber. [Stuttgart], Frankfurt u. a., 1781, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_raeuber_1781/172>, abgerufen am 20.04.2024.