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Schiller, Friedrich: Die Räuber. [Stuttgart], Frankfurt u. a., 1781.

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Die Räuber,
kommen würde, der einen Proceß von einer Million
durch die Pfiffe seines Advokaten durchgesetzt hätte,
er sas eben am Tisch und brettelte, -- wie viel
sind unserer? frug er mich, indem er hastig auf-
stand, ich sah ihn die Unterlippe zwischen die Zäh-
ne klemmen, welches er nur thut, wenn er am
grimmigsten ist -- nicht mehr als fünf! sagt ich --
es ist genug! sagt er, warf der Wirthin das Geld
auf den Tisch, lies den Wein, den er sich hatte
reichen lassen unberührt stehen -- wir machten uns
auf den Weg. Die ganze Zeit über sprach er kein
Wort, lief abseitwärts und allein, nur daß er uns
von Zeit zu Zeit fragte, ob wir noch nichts gewahr
worden wären, und uns befahl das Ohr an die
Erde zu legen. Endlich so kommt der Graf herge-
fahren, der Wagen schwer bepakt, der Advokat sas
bey ihm drinn, voraus ein Reuter, nebenher ritten
zwey Knechte -- da hättest du den Mann sehen
sollen, wie er, zwey Terzerolen in der Hand, vor
uns her auf den Wagen zusprang! und die Stim-
me, mit der er rief: Halt! -- der Kutscher, der
nicht Halt machen wollte, mußte vom Bok herab-
tanzen, der Graf schos aus dem Wagen in den
Wind, die Reuter flohen -- dein Geld, Kanaille!
rief er donnernd -- er lag wie ein Stier unter
dem Beil -- und bist du der Schelm, der die Ge-
rechtigkeit zur feilen Hure macht? der Advokat
zitterte, daß ihm die Zähne klapperten, -- der
Dolch
Die Raͤuber,
kommen wuͤrde, der einen Proceß von einer Million
durch die Pfiffe ſeines Advokaten durchgeſetzt haͤtte,
er ſas eben am Tiſch und brettelte, — wie viel
ſind unſerer? frug er mich, indem er haſtig auf-
ſtand, ich ſah ihn die Unterlippe zwiſchen die Zaͤh-
ne klemmen, welches er nur thut, wenn er am
grimmigſten iſt — nicht mehr als fuͤnf! ſagt ich —
es iſt genug! ſagt er, warf der Wirthin das Geld
auf den Tiſch, lies den Wein, den er ſich hatte
reichen laſſen unberuͤhrt ſtehen — wir machten uns
auf den Weg. Die ganze Zeit uͤber ſprach er kein
Wort, lief abſeitwaͤrts und allein, nur daß er uns
von Zeit zu Zeit fragte, ob wir noch nichts gewahr
worden waͤren, und uns befahl das Ohr an die
Erde zu legen. Endlich ſo kommt der Graf herge-
fahren, der Wagen ſchwer bepakt, der Advokat ſas
bey ihm drinn, voraus ein Reuter, nebenher ritten
zwey Knechte — da haͤtteſt du den Mann ſehen
ſollen, wie er, zwey Terzerolen in der Hand, vor
uns her auf den Wagen zuſprang! und die Stim-
me, mit der er rief: Halt! — der Kutſcher, der
nicht Halt machen wollte, mußte vom Bok herab-
tanzen, der Graf ſchos aus dem Wagen in den
Wind, die Reuter flohen — dein Geld, Kanaille!
rief er donnernd — er lag wie ein Stier unter
dem Beil — und biſt du der Schelm, der die Ge-
rechtigkeit zur feilen Hure macht? der Advokat
zitterte, daß ihm die Zaͤhne klapperten, — der
Dolch
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[86/0108] Die Raͤuber, kommen wuͤrde, der einen Proceß von einer Million durch die Pfiffe ſeines Advokaten durchgeſetzt haͤtte, er ſas eben am Tiſch und brettelte, — wie viel ſind unſerer? frug er mich, indem er haſtig auf- ſtand, ich ſah ihn die Unterlippe zwiſchen die Zaͤh- ne klemmen, welches er nur thut, wenn er am grimmigſten iſt — nicht mehr als fuͤnf! ſagt ich — es iſt genug! ſagt er, warf der Wirthin das Geld auf den Tiſch, lies den Wein, den er ſich hatte reichen laſſen unberuͤhrt ſtehen — wir machten uns auf den Weg. Die ganze Zeit uͤber ſprach er kein Wort, lief abſeitwaͤrts und allein, nur daß er uns von Zeit zu Zeit fragte, ob wir noch nichts gewahr worden waͤren, und uns befahl das Ohr an die Erde zu legen. Endlich ſo kommt der Graf herge- fahren, der Wagen ſchwer bepakt, der Advokat ſas bey ihm drinn, voraus ein Reuter, nebenher ritten zwey Knechte — da haͤtteſt du den Mann ſehen ſollen, wie er, zwey Terzerolen in der Hand, vor uns her auf den Wagen zuſprang! und die Stim- me, mit der er rief: Halt! — der Kutſcher, der nicht Halt machen wollte, mußte vom Bok herab- tanzen, der Graf ſchos aus dem Wagen in den Wind, die Reuter flohen — dein Geld, Kanaille! rief er donnernd — er lag wie ein Stier unter dem Beil — und biſt du der Schelm, der die Ge- rechtigkeit zur feilen Hure macht? der Advokat zitterte, daß ihm die Zaͤhne klapperten, — der Dolch

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Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Die Räuber. [Stuttgart], Frankfurt u. a., 1781, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_raeuber_1781/108>, abgerufen am 25.04.2024.