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Schiller, Friedrich: Ueber die ästhetische Erziehung des Menschen in einer Reyhe von Briefen. [1. Teil; 1. bis 9. Brief.] In: Friedrich Schiller (Hrsg.): Die Horen, Band 1, 1. Stück. Tübingen, 1795, S. 7–48.

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Parthey ist, und näher oder entfernter in den Erfolg sich verwickelt sieht. Es ist also nicht bloß seine eigene Sache, die in diesem großen Rechtshandel zur Entscheidung kommt, es soll auch nach Gesetzen gesprochen werden, die er als vernünftiger Geist selbst zu diktieren fähig und berechtiget ist.

Wie anziehend müßte es für mich seyn, einen solchen Gegenstand mit einem eben so geistreichen Denker als liberalen Weltbürger in Untersuchung zu nehmen, und einem Herzen, das mit schönem Enthusiasmus dem Wohl der Menschheit sich weyht, die Entscheidung heimzustellen! Wie angenehm überraschend, bey einer noch so grossen Verschiedenheit des Standorts und bey dem weiten Abstand, den die Verhältnisse in der wirklichen Welt nöthig machen, Ihrem vorurtheilfreyen Geist auf dem Felde der Ideen in dem nemlichen Resultat zu begegnen! Daß ich dieser reizenden Versuchung widerstehe, und die Schönheit der Freyheit voran gehen lasse, glaube ich nicht bloß mit meiner Neigung entschuldigen, sondern durch Grundsätze rechtfertigen zu können. Ich hoffe, Sie zu überzeugen, daß diese Materie weit weniger dem Bedürfniß als dem Geschmack des Zeitalters fremd ist, ja daß man, um jenes politische Problem in der Erfahrung zu lösen, durch das ästhetische den Weg nehmen muß, weil es die Schönheit ist, durch welche man zu der Freyheit wandert. Aber dieser Beweis kann nicht geführt werden, ohne daß ich Ihnen die Grundsätze in Erinnerung bringe, durch welche sich die Vernunft überhaupt bey einer politischen Gesetzgebung leitet.

Parthey ist, und näher oder entfernter in den Erfolg sich verwickelt sieht. Es ist also nicht bloß seine eigene Sache, die in diesem großen Rechtshandel zur Entscheidung kommt, es soll auch nach Gesetzen gesprochen werden, die er als vernünftiger Geist selbst zu diktieren fähig und berechtiget ist.

Wie anziehend müßte es für mich seyn, einen solchen Gegenstand mit einem eben so geistreichen Denker als liberalen Weltbürger in Untersuchung zu nehmen, und einem Herzen, das mit schönem Enthusiasmus dem Wohl der Menschheit sich weyht, die Entscheidung heimzustellen! Wie angenehm überraschend, bey einer noch so grossen Verschiedenheit des Standorts und bey dem weiten Abstand, den die Verhältnisse in der wirklichen Welt nöthig machen, Ihrem vorurtheilfreyen Geist auf dem Felde der Ideen in dem nemlichen Resultat zu begegnen! Daß ich dieser reizenden Versuchung widerstehe, und die Schönheit der Freyheit voran gehen lasse, glaube ich nicht bloß mit meiner Neigung entschuldigen, sondern durch Grundsätze rechtfertigen zu können. Ich hoffe, Sie zu überzeugen, daß diese Materie weit weniger dem Bedürfniß als dem Geschmack des Zeitalters fremd ist, ja daß man, um jenes politische Problem in der Erfahrung zu lösen, durch das ästhetische den Weg nehmen muß, weil es die Schönheit ist, durch welche man zu der Freyheit wandert. Aber dieser Beweis kann nicht geführt werden, ohne daß ich Ihnen die Grundsätze in Erinnerung bringe, durch welche sich die Vernunft überhaupt bey einer politischen Gesetzgebung leitet.

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Parthey ist, und näher oder entfernter in den Erfolg sich verwickelt sieht. Es ist also nicht bloß seine eigene Sache, die in diesem großen Rechtshandel zur Entscheidung kommt, es soll auch nach Gesetzen gesprochen werden, die er als vernünftiger Geist selbst zu diktieren fähig und berechtiget ist.</p>
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[12/0006] Parthey ist, und näher oder entfernter in den Erfolg sich verwickelt sieht. Es ist also nicht bloß seine eigene Sache, die in diesem großen Rechtshandel zur Entscheidung kommt, es soll auch nach Gesetzen gesprochen werden, die er als vernünftiger Geist selbst zu diktieren fähig und berechtiget ist. Wie anziehend müßte es für mich seyn, einen solchen Gegenstand mit einem eben so geistreichen Denker als liberalen Weltbürger in Untersuchung zu nehmen, und einem Herzen, das mit schönem Enthusiasmus dem Wohl der Menschheit sich weyht, die Entscheidung heimzustellen! Wie angenehm überraschend, bey einer noch so grossen Verschiedenheit des Standorts und bey dem weiten Abstand, den die Verhältnisse in der wirklichen Welt nöthig machen, Ihrem vorurtheilfreyen Geist auf dem Felde der Ideen in dem nemlichen Resultat zu begegnen! Daß ich dieser reizenden Versuchung widerstehe, und die Schönheit der Freyheit voran gehen lasse, glaube ich nicht bloß mit meiner Neigung entschuldigen, sondern durch Grundsätze rechtfertigen zu können. Ich hoffe, Sie zu überzeugen, daß diese Materie weit weniger dem Bedürfniß als dem Geschmack des Zeitalters fremd ist, ja daß man, um jenes politische Problem in der Erfahrung zu lösen, durch das ästhetische den Weg nehmen muß, weil es die Schönheit ist, durch welche man zu der Freyheit wandert. Aber dieser Beweis kann nicht geführt werden, ohne daß ich Ihnen die Grundsätze in Erinnerung bringe, durch welche sich die Vernunft überhaupt bey einer politischen Gesetzgebung leitet.

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Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Ueber die ästhetische Erziehung des Menschen in einer Reyhe von Briefen. [1. Teil; 1. bis 9. Brief.] In: Friedrich Schiller (Hrsg.): Die Horen, Band 1, 1. Stück. Tübingen, 1795, S. 7–48, hier S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_erziehung01_1795/6>, abgerufen am 28.03.2024.