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Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 2. Wien, 1746.

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Siebendes Buch.
"Was meine Zunge spricht, das wiederhohlt mein Herz;
130"Dein Reden aber ist nur Heicheln, oder Scherz.
Thalia sagte mir: "Die rührt die stärcksten Geister;
"Es ist Aufrichtigkeit, sie wird der Staats-Kunst Meister;
"Sie deckt die Falschheit auf, so die mit Worten färbt;
"Sie stellt aufrichtig her, was die mit List verderbt.
135"Der traut man nur mit Furcht, weil ihre Wort' und Thaten
"Sich wiedersprechend seynd, und oft in Zwist gerathen;
"Wo jene nur verspricht, was gleich geschehen soll:
"Daher bezeigen sie einander einen Groll.
"Der beyden Meinungen seynd selten zu vergleichen,
140"Sie müssen sich sehr oft in den Geschäfften weichen.
Die Staats-Kunst ruhte nicht, sie hob ein Buch empor,
Und kam uns, ihren Zorn mit List verbergend, vor.
Jndem sie theils entflammt, theils freundlich wiedersezte:
"Dieß ist das Buch, worein ich meinen Rathschlag ezte.
145(Sie schlug, indem sie sprach, ein, zwey Mahl auf das Buch)
"Hierinnen findet ihr der Frage Schluß und Spruch!
"Hierinnen steht die Macht, das Trieb-Werck aufgeschrieben,
"Durch welches man des Feinds Bestreben aufgerieben.
"Dieß ist das Staats-Gesez, der Kriegs- und Friedens-Schild,
150"Den ich der Königinn im Streit vor Augen hielt.
"Es braucht des Redens nicht; hieraus ist Heil entsprossen,
"Hierinnen ist das Glück des Vaterlands verschlossen.
"Nimm!
Siebendes Buch.
„Was meine Zunge ſpricht, das wiederhohlt mein Herz;
130„Dein Reden aber iſt nur Heicheln, oder Scherz.
Thalia ſagte mir: „Die ruͤhrt die ſtaͤrckſten Geiſter;
„Es iſt Aufrichtigkeit, ſie wird der Staats-Kunſt Meiſter;
„Sie deckt die Falſchheit auf, ſo die mit Worten faͤrbt;
„Sie ſtellt aufrichtig her, was die mit Liſt verderbt.
135„Der traut man nur mit Furcht, weil ihre Wort’ und Thaten
„Sich wiederſprechend ſeynd, und oft in Zwiſt gerathen;
„Wo jene nur verſpricht, was gleich geſchehen ſoll:
„Daher bezeigen ſie einander einen Groll.
„Der beyden Meinungen ſeynd ſelten zu vergleichen,
140„Sie muͤſſen ſich ſehr oft in den Geſchaͤfften weichen.
Die Staats-Kunſt ruhte nicht, ſie hob ein Buch empor,
Und kam uns, ihren Zorn mit Liſt verbergend, vor.
Jndem ſie theils entflammt, theils freundlich wiederſezte:
„Dieß iſt das Buch, worein ich meinen Rathſchlag ezte.
145(Sie ſchlug, indem ſie ſprach, ein, zwey Mahl auf das Buch)
„Hierinnen findet ihr der Frage Schluß und Spruch!
„Hierinnen ſteht die Macht, das Trieb-Werck aufgeſchrieben,
„Durch welches man des Feinds Beſtreben aufgerieben.
„Dieß iſt das Staats-Geſez, der Kriegs- und Friedens-Schild,
150„Den ich der Koͤniginn im Streit vor Augen hielt.
„Es braucht des Redens nicht; hieraus iſt Heil entſproſſen,
„Hierinnen iſt das Gluͤck des Vaterlands verſchloſſen.
„Nimm!
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[0009] Siebendes Buch. „Was meine Zunge ſpricht, das wiederhohlt mein Herz; „Dein Reden aber iſt nur Heicheln, oder Scherz. Thalia ſagte mir: „Die ruͤhrt die ſtaͤrckſten Geiſter; „Es iſt Aufrichtigkeit, ſie wird der Staats-Kunſt Meiſter; „Sie deckt die Falſchheit auf, ſo die mit Worten faͤrbt; „Sie ſtellt aufrichtig her, was die mit Liſt verderbt. „Der traut man nur mit Furcht, weil ihre Wort’ und Thaten „Sich wiederſprechend ſeynd, und oft in Zwiſt gerathen; „Wo jene nur verſpricht, was gleich geſchehen ſoll: „Daher bezeigen ſie einander einen Groll. „Der beyden Meinungen ſeynd ſelten zu vergleichen, „Sie muͤſſen ſich ſehr oft in den Geſchaͤfften weichen. Die Staats-Kunſt ruhte nicht, ſie hob ein Buch empor, Und kam uns, ihren Zorn mit Liſt verbergend, vor. Jndem ſie theils entflammt, theils freundlich wiederſezte: „Dieß iſt das Buch, worein ich meinen Rathſchlag ezte. (Sie ſchlug, indem ſie ſprach, ein, zwey Mahl auf das Buch) „Hierinnen findet ihr der Frage Schluß und Spruch! „Hierinnen ſteht die Macht, das Trieb-Werck aufgeſchrieben, „Durch welches man des Feinds Beſtreben aufgerieben. „Dieß iſt das Staats-Geſez, der Kriegs- und Friedens-Schild, „Den ich der Koͤniginn im Streit vor Augen hielt. „Es braucht des Redens nicht; hieraus iſt Heil entſproſſen, „Hierinnen iſt das Gluͤck des Vaterlands verſchloſſen. „Nimm!

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Zitationshilfe: Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 2. Wien, 1746, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade02_1746/9>, abgerufen am 29.03.2024.