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Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 2. Wien, 1746.

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Theresiade
105
"Jst in der Erde Rund ein Volck, ein Land, ein Staat,
"Der anders, als durch mich sein hohes Ansehn hat?
"So bald die Noth befahl, vier Gabeln aufzurichten,
"Und Stroh zum Dache war; so fieng ich an zu dichten,
"Wie die Bequemlichkeit könnt beygefüget seyn;
110"Jch fande sie durch Kunst in Kalch, in Sand und Stein.
"Mein Maß-Stab lehrte mich die Wohnung zu verbessern,
"So war gleich das Gebürg mit Häusern und mit Schlössern,
"Hernach das öde Land, das Strauch und Wald verhüllt,
"Mit Zäunen, Dach und Fach, mit Dörfern angefüllt;
115"Daß endlich aus der Nacht der Schrecken-vollen Schatten
"Die Menschen in den Tag der Stadt zusammen traten.
"Gesezt: es sey die Kunst verschmäht, die Stadt verheert;
"Sagt! lebte nicht, was jezt beysammen ist, verstört?
"Wo wurde man den Thron der Königinn erbauen?
120"Vielleicht in einem Thal, auf Bergen, in den Auen?
"Wo hielt der Staat sich auf? wo wohnten Herr und Knecht?
"Die Menschen hiessen nur ein irrendes Geschlecht.
"Und ihr? wo nähmet ihr der Tugend Aufenthalten?
"Wer wurde mehr sein Herz der Lehre nach gestallten?
125
"Nur einer Hütte Bau verschafft mir grössern Ruhm,
"Als aller Künste Macht, Werth, Recht und Eigenthum.
"Der Saal ist mein Beweis. Man hat vor tausend Jahren,
"Auf diesem Plaz, wo nichts als Wüsteneyen waren,
"Ein
Thereſiade
105
„Jſt in der Erde Rund ein Volck, ein Land, ein Staat,
„Der anders, als durch mich ſein hohes Anſehn hat?
„So bald die Noth befahl, vier Gabeln aufzurichten,
„Und Stroh zum Dache war; ſo fieng ich an zu dichten,
„Wie die Bequemlichkeit koͤnnt beygefuͤget ſeyn;
110„Jch fande ſie durch Kunſt in Kalch, in Sand und Stein.
„Mein Maß-Stab lehrte mich die Wohnung zu verbeſſern,
„So war gleich das Gebuͤrg mit Haͤuſern und mit Schloͤſſern,
„Hernach das oͤde Land, das Strauch und Wald verhuͤllt,
„Mit Zaͤunen, Dach und Fach, mit Doͤrfern angefuͤllt;
115„Daß endlich aus der Nacht der Schrecken-vollen Schatten
„Die Menſchen in den Tag der Stadt zuſammen traten.
„Geſezt: es ſey die Kunſt verſchmaͤht, die Stadt verheert;
„Sagt! lebte nicht, was jezt beyſammen iſt, verſtoͤrt?
„Wo wurde man den Thron der Koͤniginn erbauen?
120„Vielleicht in einem Thal, auf Bergen, in den Auen?
„Wo hielt der Staat ſich auf? wo wohnten Herꝛ und Knecht?
„Die Menſchen hieſſen nur ein irrendes Geſchlecht.
„Und ihr? wo naͤhmet ihr der Tugend Aufenthalten?
„Wer wurde mehr ſein Herz der Lehre nach geſtallten?
125
„Nur einer Huͤtte Bau verſchafft mir groͤſſern Ruhm,
„Als aller Kuͤnſte Macht, Werth, Recht und Eigenthum.
„Der Saal iſt mein Beweis. Man hat vor tauſend Jahren,
„Auf dieſem Plaz, wo nichts als Wuͤſteneyen waren,
„Ein
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[0038] Thereſiade „Jſt in der Erde Rund ein Volck, ein Land, ein Staat, „Der anders, als durch mich ſein hohes Anſehn hat? „So bald die Noth befahl, vier Gabeln aufzurichten, „Und Stroh zum Dache war; ſo fieng ich an zu dichten, „Wie die Bequemlichkeit koͤnnt beygefuͤget ſeyn; „Jch fande ſie durch Kunſt in Kalch, in Sand und Stein. „Mein Maß-Stab lehrte mich die Wohnung zu verbeſſern, „So war gleich das Gebuͤrg mit Haͤuſern und mit Schloͤſſern, „Hernach das oͤde Land, das Strauch und Wald verhuͤllt, „Mit Zaͤunen, Dach und Fach, mit Doͤrfern angefuͤllt; „Daß endlich aus der Nacht der Schrecken-vollen Schatten „Die Menſchen in den Tag der Stadt zuſammen traten. „Geſezt: es ſey die Kunſt verſchmaͤht, die Stadt verheert; „Sagt! lebte nicht, was jezt beyſammen iſt, verſtoͤrt? „Wo wurde man den Thron der Koͤniginn erbauen? „Vielleicht in einem Thal, auf Bergen, in den Auen? „Wo hielt der Staat ſich auf? wo wohnten Herꝛ und Knecht? „Die Menſchen hieſſen nur ein irrendes Geſchlecht. „Und ihr? wo naͤhmet ihr der Tugend Aufenthalten? „Wer wurde mehr ſein Herz der Lehre nach geſtallten? „Nur einer Huͤtte Bau verſchafft mir groͤſſern Ruhm, „Als aller Kuͤnſte Macht, Werth, Recht und Eigenthum. „Der Saal iſt mein Beweis. Man hat vor tauſend Jahren, „Auf dieſem Plaz, wo nichts als Wuͤſteneyen waren, „Ein

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Zitationshilfe: Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 2. Wien, 1746, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade02_1746/38>, abgerufen am 28.03.2024.